Kommt es tatsächlich zur lange Zeit unvorstellbaren Revolution im europäischen Basketball? Es spricht aktuell tatsächlich einiges dafür, dass die NBA in den kommenden Jahren nach Europa expandieren und eine neue Liga, die NBA-Europe, gründen könnte.
Kommt es zum Basketball-Beben?
Die Gerüchte über diese Pläne halten sich in der Basketball-Szene schon lange, doch so richtig daran geglaubt hatte fast niemand - bis jetzt.
Denn wie ernst es die NBA meint, erklärte Commissioner Adam Silver höchstselbst Ende März auf einer Pressekonferenz ganz offiziell. „Wir glauben, dass es jetzt an der Zeit ist, die nächste Stufe zu erreichen“, verkündete der Amerikaner dort.
Die Liga würden aktuell prüfen, in welcher Form eine mögliche Liga sinnvoll sein könnte. Dafür kooperiert die NBA auch mit dem Basketball-Weltverband FIBA. Der „Geschäftssinn der NBA“ könne durch die neue Liga mit dem „internationalen Fachwissen der FIBA“ in Einklang gebracht werden und so viele neue Fans aber auch Investoren ansprechen, freute sich deshalb FIBA-Generalsekretär Andreas Zagklis.
Femerling sicher: NBA kann nicht einfach „neue Klubs erfinden“
Die deutsche Basketball-Legende Patrick Femerling sieht das ganz anders. Er zeigte sich im Gespräch mit SPORT1 gerade in Bezug auf die Fans skeptisch: „In Europa herrscht eine andere Mentalität der Fans und ein anderes Gefühl für den Sport als in den USA. Natürlich existieren auch in der NBA Traditionsvereine. Aber in Europa ist das nochmal eine andere Geschichte.“
Es gäbe zwar Projekte wie Paris Basketball, ein Verein der erst 2017 gegründet wurde und schon jetzt in der EuroLeague spielt, doch „ich kann mir nicht vorstellen, dass die NBA einfach neue Klubs erfinden kann“, meint der deutsche Rekordnationalspieler.
An den Angriff der NBA auf Europa glaubt Femerling aber trotzdem: „Dass die NBA nach Europa expandiert, ist wohl unausweichlich. Die Frage ist nur: Wann und wie wird das passieren? Es gibt ohnehin schon sehr viele Ligen und Spiele, weshalb es nicht einfach ist, so etwas zu implementieren.“
„Man braucht Vereine, man braucht Standorte“, betont Femerling. Wo die Mannschaften, die es für eine neue Liga brauchen würde, herkommen sollen, frage er sich.
Das könnten die Pläne der NBA-Europe sein
Doch genau hierfür hat die NBA schon erste Pläne. So soll die Liga nach mehreren Berichten von The Athletic aus zwölf festen Teilnehmern und vier wechselnde Mitgliedern bestehen. Angepeilter Start: 2026.
Auch mögliche Vereine werden schon ins Spiel gebracht. So soll es eine Mischung aus kompletten Neugründungen, Fußballvereinen, die Basketballabteilungen gründen, und Überläufern aus der EuroLeague geben. Finanziert werden soll das gesamte Projekt auch mithilfe von externen Investoren. So sollen die Teilnehmer bis zu 500 Millionen Euro verdienen können.
Verhandlungen soll Silver im Hintergrund schon seit mehreren Monaten führen. Angebissen haben dabei mit Qatar Sports Investments (Besitzer von PSG) und dem Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan (Manchester City) wohl schon zwei extrem potente Geldgeber, die in den jeweiligen Städten auch Teams in der NBA-Europe an den Start bringen wollen.
Aus der EuroLeague soll gerade Real Madrid ein großes Interesse an einem Wechsel haben. Zudem ist zu hören, dass auch der FC Barcelona seinem Erzrivalen bei einem Wechsel folgen würde. ASVEL Villeurbanne aus Frankreich, dessen Besitzer der ehemalige NBA-Star Tony Parker ist, gilt ebenfalls als Kandidat.
Die NBA sei zudem stark daran interessiert, Teams in den großen und finanzstarken Städten Europas zu haben. Neben London werden auch Berlin und München immer wieder genannt. Ob die NBA dort neue Franchises gründen will oder ALBA Berlin und den FC Bayern in der neuen Liga begrüßen möchte, ist unklar.
NBA-Europe? „Finde die EuroLeague aufregend genug“
Obwohl München in den Berichten häufig erwähnt wird, lassen den FC Bayern die Pläne einer möglichen NBA-Europe komplett kalt. Schon vor Monaten hatte Geschäftsführer Marko Pesic zu SPORT1 gesagt: „Mit uns hat niemand gesprochen und ich sehe das auch nicht. Sonst wären die auch schon längst hier.“
In der Zwischenzeit gab es zwar offensichtlich neue Bewegungen in der Causa, die Ansichten haben sich bei den Bayern nach SPORT1-Informationen aber nicht verändert. Aus dem Umfeld des Vereins ist klar zu hören, dass man weiter nicht daran glaubt, dass sich eine NBA-Europe wirklich durchsetzt. Von einem Kontakt zwischen Verein und Liga ist ebenfalls keine Rede.
Dementsprechend deutlich wurde auch Bayern-Star Jo Voigtman im SPORT1-Interview: „Ich habe mich wirklich noch nicht damit beschäftigt. Ich habe die Gerüchte gehört, aber insgesamt ist es wirklich weit weg von mir. Ich finde die EuroLeague aufregend genug.“
„Die EuroLeague ist toll und macht mir Spaß, mit allem anderen beschäftige ich mich gar nicht“, erklärte auch sein Teamkollege Andreas Obst: „Klar ,die NBA ist ein großer Name und eine große Marke, aber auch die EuroLeague hat in den letzten Jahren gezeigt, welche Qualität sie hat.“
Dass er nie in einer möglichen NBA-Europe spielen werde, wollte Jo Voigtmann, dann aber zumindest mit einem Augenzwinkern nicht ausschließen. „Ich habe hier noch zwei Jahre Vertrag. Wenn Bayern in der NBA-Europe spielt, dann spiele ich in der NBA-Europe, wenn nicht, dann nicht“, sagte er lächelnd.
Bayern bekennt sich klar zur EuroLeague
Was aus vielen Gesprächen mit Spielern und Verantwortlichen des FC Bayern deutlich wird: Der Verein steht trotz einer möglichen NBA-Europe voll hinter dem aktuellen Top-Wettbewerb, der EuroLeague.
Das zeigte sich auch bei einem Meeting der 13-EuroLeague-Shareholder, also der Vereine, die vertraglich über mehrere Jahre an die Liga gebunden sind. Dort bekannten sich die Bayern, wie übrigens zahlreiche andere Klubs auch, klar zum bisherigen Wettbewerb.
Die EuroLeague-Spitze hatte Vertreter aller Vereine geladen und diese nach ihrer Loyalität zum bisherigen Wettbewerb gefragt. Wenige Tage nach dem Meeting äußerte sich dann auch Pesic bei MagentaSport noch einmal deutlich: „Ich glaube an die EuroLeague und werde sie immer unterstützen.“
Er sei sich sicher, dass die Liga auch in Zukunft weiter funktionieren und wachsen werde, betonte der Bayern-Boss und setzte eine feine Spitze gegen die NBA mit ihrem 82-Spiele-Terminkalender: „Die EuroLeague ist die beste Basketball-Liga auf der Welt vom ersten bis zum letzten Spieltag, was die Qualität des Basketballs angeht.“
EuroLeague-Chef: „Wir brauchen keinen Erlöser“
Die Sitzung in Barcelona zeigte trotz des Optimismus der Bayern aber noch einmal eindrücklich, wie ernst die EuroLeague den Vorstoß der NBA nimmt.
Schon zuvor hatte EuroLeague-CEO Paulius Motiejunas beim spanischen TV-Sender Movistar+ gegen das neue Projekt geschossen: „Wir brauchen definitiv keine neue Liga und auch keinen Erlöser.“
Und auch nach der Sitzung veröffentlichte die ELPA (EuroLeague Players Association) ein deutliches Statement. „Solche Projekte bergen die Gefahr, den Sport zu fragmentieren und Verwirrung zu stiften“, hieß es dort. Die Liga sicherte aber „Offenheit für einen Dialog“ zu.
Verändert NBA-Europe den europäischen Basketball?
Gerade dieser versöhnliche Passus zeigt, dass der Liga klar ist, welche große Konkurrenz eine mögliche und unglaublich finanzkräftige NBA-Europe mit sich bringen würde. In der Sitzung wurde zudem deutlich: Nicht alle Klubs bekennen sich voll zur EuroLeague.
Wie das im europäischen Basketball stets gut informierte Portal Basketnews berichtete, wollte sich beispielsweise Real Madrid noch nicht festlegen, ob man seine 2026 auslaufenden zehnjährige Lizenz verlängern werde.
Auch der große Rivale, FC Barcelona, wollte sich noch nicht klar bekennen. Mit ASVEL Villeurbanne und EA7 Emporio Armani Mailand erbaten sich zwei weitere Teams zusätzliche Bedenkzeit.
Wie es im europäischen Basketball weitergeht, bleibt aktuell noch komplett offen. Es wird aber deutlich, dass eine mögliche NBA-Europe noch mehr spalten könnte. Das Prestige-Projekt der NBA könnte den Basketball in Europa komplett verändern.