„Elfmal Deutscher Meister, elfmal Pokalsieger, immer erste Liga, ALBA Berlin“ schallt es regelmäßig durch die Basketball-Hallen in Deutschland. Der Gesang der ALBA-Fans ist weit mehr als ein Anfeuerungsruf, er macht deutlich, wie erfolgreich die Albatrosse in den vergangenen Jahrzehnten waren.
Ein Gigant am Scheideweg
Ein Gigant am Scheideweg
Ganz klar: Denkt man in Deutschland an Basketball, kommt den meisten Sportfans eben auch ALBA Berlin in den Sinn. Nur die Bayer Giants Leverkusen sind mit 14 Meistertiteln noch erfolgreicher. Doch Leverkusen triumphierte zuletzt 1996 und spielt aktuell nur noch in der ProA (zweite Liga).
Die ALBA-Dominanz begann mit dem Ende der Leverkusener Dynastie. 1997 holten die Berliner ihren ersten Titel und bis 2003 anschließend noch sechs weitere Meisterschaften. 2008 kam Nummer acht hinzu. Anfang der 2020er-Jahre folgte dann eine erneute Dominanz mit einem Meister-Hattrick.
Doch seitdem ging es bei Berlin bergab. In den vergangenen drei Jahren blieb ALBA titellos und schied in der BBL sogar zweimal schon im Viertelfinale aus.
Ligen-Wechsel hat für ALBA „massive Auswirkungen“
Zudem lief es international zuletzt überhaupt nicht mehr. In Europas Königsklasse, der EuroLeague, wurde man zuletzt zweimal Letzter. Auch deshalb, aber speziell wegen des finanziellen Risikos, entschied sich der Verein, aus der EuroLeague auszusteigen und in Zukunft in der zweitklassigen Champions League an den Start zu gehen.
„Wir haben keine Möglichkeit, uns über Fremd-Injektionen dauerhaft über Wasser zu halten“, erklärte Geschäftsführer Marco Baldi in der Bild: „Die EuroLeague-Klubs verlieren im Jahr an die 200 Millionen Euro. Und das stört die nicht. Aber wir können so nicht agieren.“
Der Wechsel dürfte für ALBA zu einem einschneidenden Moment werden. Statt gegen Real Madrid oder gegen Fenerbahce Istanbul trifft man in der Gruppenphase jetzt auf ERA Nymburk (Tschechien) und den BC Sabah (Aserbaidschan).
Insgesamt wird ALBA deutlich weniger internationale Spiele mit zudem deutlich weniger Zuschauern haben. Deswegen muss der Verein anders planen, wie Baldi erklärte: „Es kann sein, dass schon nach drei Spieltagen Schluss ist. Und das hat massive Auswirkungen auf das Volumen.“
ALBA-Sportdirektor rechnet mit einem „der schwersten Sommer“
Zwangsläufig bedeutet das, dass sich bei ALBA einiges ändern wird. Der Kader wird von 15 auf zwölf Akteure schrumpfen. Die Kosten bleiben trotzdem extrem groß, auch weil die Mieten für die Hallen in Berlin extrem teuer sind. „Wir zahlen so viel Miete wie sonst kein Klub in Europa“, klagte Baldi zuletzt auf der ALBA-Homepage.
Weil zudem durch die unattraktiven Gegner in der Champions League die Ticketerlöse und auch die Sponsorengelder sinken werden, rechnen die Berliner mit großen finanziellen Einschnitten.
Der Etat von bisher acht Millionen soll nach Medienberichten um einige Millionen Euro sinken. Eine große Herausforderung, wie ALBA-Sportdirektor Himar Ojeda im Gespräch mit rbb24 erklärte: „Es ist einer der schwersten Sommer, die ich bislang hatte.“
Immerhin positiv: Ojeda machte deutlich, dass ALBA hierzulande trotzdem noch den zweithöchsten BBL-Etat hinter dem FC Bayern Basketball hat.
ALBA-Umbruch erinnert an Bamberg-Absturz
Eine Garantie auf gute Spieler ist das aber auch nicht. Denn der Ligen-Wechsel in Europa hat auch Auswirkung auf mögliche Transfers. „Durch die EuroLeague gehörten wir auf dem Markt zuletzt zu einer Gruppe direkt nach den Top-Teams. Jetzt messen wir uns mit den Klubs im EuroCup, in der Champions League und der finanzstarken spanischen Liga“, sagte Ojeda.
Und eben das Messen mit dieser Konkurrenz kann ohne den attraktiven EuroLeague-Status zu einer echten Mammutaufgabe werden, an der ein einstiger deutscher Serienmeister in der Vergangenheit schon gnadenlos scheiterte.
2018 gab der damalige Dominator des deutschen Basketballs, die Bamberg Baskets, bekannt, der EuroLeague den Rücken zu kehren und zukünftig in der Champions League anzutreten. Es folgte ein Absturz, auch in der BBL.
Zwischen 2005 und 2017 gewannen die Bamberger alle ihre neun Meistertitel und holte sich zudem viermal den Pokal. Nach dem EuroLeague-Rückzug gelang nur noch der Pokalsieg 2019. Um die Meisterschaft spielte Bamberg nie wieder mit.
In den vergangenen drei Spielzeiten verpasste das Team aus Oberfranken jeweils die Playoffs, wurde 2024/25 sogar nur enttäuschender 15. Auch finanziell wurde es nach dem ausbleibenden Erfolg zuletzt immer enger.
Gelingt ALBA erneut der Neuaufbau?
Dementsprechend gewarnt werden sie auch in Berlin sein. Der Druck auf Sportdirektor Ojeda ist groß. Er muss qualitativ hochwertige Spieler trotz der fehlenden EuroLeague locken.
Hoffnung macht, dass Ojeda die Situation kennt. Im Sommer 2018 baute er das Grundgerüst für ALBAs erfolgreiche Jahre, obwohl das Team damals auch im EuroCup, also einem ähnlichen Wettbewerb wie der Champions League spielte.
Es folgte der Titel-Hattrick in der BBL, auch weil zuvor unbekanntere Spieler wie Luke Sikma, Johannes Thiemann oder Simone Fontecchio sich in Berlin zu Top-Stars entwickelten.
Zu dieser Zeit galt ALBA als das Sprungbrett für junge Talente in Europa, doch diesen Ruf verloren sie in den letzten Jahren wieder. Ojedas Zugänge zündeten nicht mehr so und zudem wurde ausgerechnet ein nationaler Konkurrent zum neuen Sprungbrett für Top-Talente.
Wir ALBA zum Hotspot für deutsche Talente?
Mit dem hochmodernen Orange Campus und reichlich garantierter Spielzeit lockte ratiopharm Ulm zuletzt mit Killian Hayes (Detroit), Pacome Dadiet (New York), Ben Saraf (Brooklyn) und Noa Essengue (Chicago) gleich vier Spieler, die direkt aus Ulm in die NBA gedraftet wurden.
Das sprach sich auch in Europa herum, ALBA verlor sein Alleinstellungsmerkmal an Ulm. Doch in Berlin scheint man zumindest ein neues Konzept für sich entdeckt zu haben. Betrachtet man die bisherigen Transfers, fällt auf, dass mit Jack Kayil und Norris Agbakoko gleich zwei hochtalentierte Deutsche nach Berlin wechseln.
Speziell Kayil gilt als eines der größten Talente in Deutschland. Der 19-Jährige war beim Silber-Coup bei der U19-WM einer der Leistungsträger. Zudem besonders: Der Guard ist gebürtiger Berliner. Jetzt soll er für ALBA auch in der BBL durchstarten.
„Der Verein ist im Umbruch. Das bietet neuen Spielern wie mir eine große Chance. Ich bin ein Gewinnertyp und möchte mithelfen, ALBA wieder nach oben zu führen“, zeigte sich Kayil im Gespräch mit der B.Z. selbstbewusst.
ALBA muss sich auch gegen US-Colleges beweisen
Doch so groß die Chance für ALBA mit dem Transfer des hochtalentierten Guards auch sein könnte, so zeigt der Transfer auch das Dilemma auf, in dem der Verein aktuell steckt. Denn Kayil machte selbst deutlich, dass ALBA für ihn nur eine Durchgangsstation ist.
„Ich möchte in die NBA”, betonte Kayil und erklärte auch, dass dafür auch der Weg über ein US-College vorstellbar ist: „Das könnte vielleicht schon im nächsten Jahr ein Thema werden.“
Kayil wäre nicht der erste Spieler, den ALBA an die NCAA verliert. Alleine in diesem Sommer verabschiedeten sich Elias Rapieque (Kansas State) und Amon Dörries (Bucknell) ans College. Sportdirektor Ojeda spricht davon, dass die jungen Talente durch die neuen NIL-Deals zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Euro pro Jahr verdienen können.
Wird mögliche NBA-Europe zur großen ALBA-Chance?
In Berlin blickt man trotzdem positiv in die Zukunft, wohl auch, weil der Wechsel in die Champions League nicht ganz ohne Hintergedanken passierte.
ALBA scheint auf eine mögliche NBA Europe zu schielen, die am Horizont noch immer herumschwirrt. Bei diesem möglichen Projekt will die NBA mit der FIBA, also dem Verband kooperieren, der die Champions League ausrichtet.
Die Berliner könnten eines der bekanntesten Mitglieder werden und so in einigen Jahren wieder für einen riesigen Aufschwung sorgen - finanziell und in der Außendarstellung.
Doch bis dahin müssen die Berliner erstmal verhindern, dass sie nicht ähnlich wie die vorherigen BBL-Serienmeister durchgereicht werden.