Es war DIE Überraschung schlechthin!
Olympiasieger sorgt sich nach Beach-Beben
Vergangene Woche erklärte Julius Thole völlig überraschend seinen Rücktritt vom Beachvolleyball und stellte damit nicht nur seinen Team-Partner Clemens Wickler vor vollendete Tatsachen. (BERICHT: Mit 24 Jahren! Beach-Star macht Schluss)
Auch das deutsche Beachvolleyball muss sich nun - nach dem Verlust des aktuellen Vorzeige-Duos - neu aufstellen. Wickler will jetzt an der Seite von Nils Ehlers die Jagd auf olympisches Edelmetall bei den Spielen 2024 in Paris aufnehmen. (Alles zum Beachvolleyball)
Aber wie geht es generell weiter mit dem deutschen Beachvolleyball?
Geht es nach Olympiasieger und SPORT1-Experte Julius Brink, wird es eine harte Zeit für den deutschen Verband geben. „Da habe ich etwas Bauchschmerzen, was die Ausrichtung für Paris 2024 angeht“, erklärte der 39-Jährige im SPORT1-Podcast VolleyTalk.
Vakuum im internationalen Männer-Beachvolleyball
Dabei biete die aktuelle Situation im Männer-Beachvolleyball gute Chancen bei den kommenden Olympischen Spielen. „Wenn man so ein bisschen in die internationale Konkurrenz schaut: Brasilien liegt am Boden, die Amerikaner auch“, erklärte er und fügte hinzu: „Die haben jetzt mit Sanders einen Hallen-Olympioniken, der mal umschult. Aber da ist nichts mehr da, was die Amerikaner bei den Männern im Beachvolleyball mal dargestellt haben.“
Dieses Vakuum bei den Männern hätte das Duo Thole/Wickler zum großen Coup ausnutzen können, um in die Fußstapfen von Julius Brink und Jonas Reckermann, die 2012 in London als erstes und bislang einziges Männer-Team Gold holen konnten, zu treten.
Aber der Traum ist seit Tholes Karriereende ausgeträumt. Vielmehr müsse man aus deutscher Sicht bangen, ob überhaupt deutsche Farben vertreten sind. In Rio de Janeiro und Tokio hat man es nicht geschafft, alle möglichen Startplätze bei den Frauen, Männern und im Beachvolleyball zu besetzen. „Wie die letzten Olympischen Spiele gezeigt haben, sind diese Zeiten vorbei. Wir sind dort nicht in der vollen Teamanzahl angetreten“, beschrieb Brink das Tief im deutschen Volleyball - sowohl in der Halle als auch im Sand.
Julius Brink: „Was wir jetzt erleben, ist ein Systemfehler“
Dass diese Leistungsdelle nicht zufällig auftritt, dessen ist sich Brink ebenfalls bewusst. „Für Tokio war es ganz, ganz klar, dass das Duo Ehlers/Flüggen nicht das Niveau hat“, erklärte er. Aber das Leistungstief liege weniger an den Athleten als an den Strukturen selbst. „Das, was wir jetzt erleben, ist ein Systemfehler - eine Entwicklung, die wir nicht mitgegangen sind, die schon acht oder zwölf Jahre zurückliegt.“
Wie sich der Verband aus dieser Situation befreien will, ist jedoch die große Frage. „Das ist ein riesengroßes Problem und ich bin sehr gespannt, weil man bisher aus diesen Kreisen offiziell nichts dazu hört.“
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Allerdings müsse nach Tholes Rücktritt eine Lösung für ein Problem gefunden werden, dass schon seit Jahren besteht, bislang aber von dem 24-Jährigen kaschiert wurde. Es herrsche „ein riesengroßes Defizit auf der Position des Blockers. Das darf man nicht verkennen, dass es gerade auf der Position des Blockspielers wichtig ist, solche dominanten Spieler wie Julius zu haben. Das ist die Schlüsselposition im internationalen Männer-Beachvolleyball.“
Problem: Es gibt keine Nationalmannschaft
Um diese Lücke zu schließen, werde es jedoch Zeit brauchen - vielleicht sogar mehrere olympische Zyklen, wie Brink befürchtet. Der erste Schritt in die richtige Richtung wäre eine Änderung am System.
Vor allem die Tatsache, dass es keine Nationalmannschaft gebe, sondern nur einzelne Teams, die alle ihre eigenen Entscheidungen treffen, sieht Brink als problematisch. Dazu brauche es für ein Projekt wie Paris 2024 auch eine feste Trainerkonstellation. Laut Brink gebe es daher momentan zu viele Baustellen, die Einfluss auf die Leistung haben.
„Aber die sind alle hausgemacht. Das geht auf das Konto der sportlichen Führung, die nicht existent oder für uns nicht wahrnehmbar ist“, nahm er die Funktionäre für das sportliche Tief in die Verantwortung und stellte die alles entscheidende Frage: „Wie will man dieses Thema lösen?“
Hilfe aus der Halle? „Wenn es so einfach wäre...“
Ein schneller Weg aus der Krise mittels neuer Namen aus der Halle sieht der 39-Jährige dabei nicht als den Schlüssel zum Erfolg. „Es reicht nicht, sich einfach die Schuhe auszuziehen und in den Sand zu gehen“, weiß er um die Problematik. Den besten Beweis für diese These hat der DVV in den eigenen Reihen. Schließlich habe man bei den Frauen mit Margareta Kozuch gesehen, wie lange es selbst für eine Weltklasse-Hallenspielerin dauerte, ihr Spiel - trotz einer Olympiasiegerin wie Laura Ludwig an ihrer Seite - umzustellen.
Auch Thomas Ranner, Co-Trainer der Volleyball-Nationalmannschaft, ist sich dieser Problematik bewusst. „Es gibt wenige gute Spieler in der Halle, die direkt auch im Sand gut sind. Wenn es so einfach wäre zu wechseln, würde es wahrscheinlich häufiger passieren“, erklärte er auf SPORT1-Nachfrage.
Man würde jedoch niemandem im Wege stehen, wenn er sein Glück im Sand versuchen wolle. „Grundsätzlich verbieten wir niemandem, von der Halle in den Sand zu wechseln. Es geht darum, Volleyball-Deutschland voranzubringen. Die Aufgabe betrifft uns alle.“
Bis zu einer wie auch immer aussehenden Lösung müssen sich die deutschen Beachvolleyball-Fans aber wohl damit abfinden, dass auf absehbare Zeit keine deutschen Olympiasieger im Sand mehr hinzukommen könnten.