Ein Turniersieg im ersten Jahr auf der Profi-Tour der PDC gelingt beileibe nicht vielen. Der „Meenzer Bub“ Niko Springer hat das am vergangenen Wochenende sogar vor TV-Kameras bei der Hungarian Darts Trophy in Budapest geschafft – als erst vierter Deutscher auf der European Tour überhaupt.
Major-Champion aus Deutschland? Springer macht Ansage
So erlebte Springer seinen Coup
Vor dem 25-Jährigen gelang das in Darts-Deutschland lediglich SPORT1-Experte Max Hopp, der deutschen Nummer eins Martin Schindler und Ricardo Pietreczko.
Auf dem Weg dorthin räumte Springer gleich sechs Spieler aus den Top 20 der Welt aus dem Weg. Der Siefersheimer besiegte Gian van Veen, Damon Heta und Rob Cross, überstand gegen Josh Rock einen Matchdart und holte sich erst im Decider des Finals gegen Danny Noppert den Titel.
Im exklusiven Gespräch mit SPORT1 erklärt Springer, welcher Augenblick ihm von seinem Turniersieg besonders im Gedächtnis geblieben ist, weshalb selbst Luke Humphries, die Nummer eins der Welt, kein Stolperstein war – und weshalb Darts-Deutschland sich schon bald über einen Major-Sieger freuen darf.
Springer und „der Horror“ seiner Eltern
SPORT1: Niko Springer, Sie sind seit dem vergangenen Wochenende European-Tour-Sieger. Was ist Ihnen von Ihrem Turniersieg besonders im Kopf geblieben?
Niko Springer: Es gibt einen Moment, an den ich direkt denken muss: der Decider im Finale. Ein Leg, alles oder nichts. Das war ein Moment, in dem ich gedacht habe: Für meine Eltern muss das zum Zuschauen der Horror gewesen sein. Dass ich da cool geblieben bin, macht mich stolz.
SPORT1: Woher nehmen Sie diese Nervenstärke in dem entscheidenden Moment? Ein Finale auf der European Tour ist noch keine Gewohnheit für Sie.
Springer: Wenn ich einmal im Tunnel bin, ist es schwer, da wieder herauszukommen. Ich habe mir nur gesagt: „Komm, spiel es zu Ende.“ Ich war völlig im Fokus drin und habe einfach geworfen. Zumal ich in diesem Jahr in Rosmalen (in den Niederlanden, Anm. d. Red.) schon einmal ein Finale bestreiten durfte, es war also nicht komplett neu. So ein bisschen habe ich mich daran gewöhnt.
SPORT1: Die Siegerpose danach war dafür eher ungewöhnlich: Statt Freudensprüngen gab es ungläubige Blicke zum Anhang und ein ständiges Zeigen auf sich selbst. Was ging in diesem Moment in Ihnen vor?
Springer: Ich konnte es nicht wirklich realisieren. Ich habe vor dem Turnier die Auslosung gesehen und wusste, dass es extrem schwer werden würde. In dem gleichen Augenblick musste ich an die Worte meines Bruders denken, der mir mal gesagt hatte: „Schwere Auslosungen kannst du.“ Gerade zu Beginn des Jahres war das häufiger so – und ich habe trotzdem performt.
Glückwünsche aus Mainz und Elversberg
SPORT1: Gab es nach dem Turniergewinn besondere Glückwünsche? Sie sind immerhin als „Meenzer Bub“ in Mainz durchaus bekannt…
Springer: Der Vorstand und der offizielle Instagram-Account von Mainz 05 haben mir gratuliert, ich habe auch Kontakt zu einigen Spielern von der SV Elversberg, die haben mir auch gratuliert. Es waren extrem viele Nachrichten, und mich hat es ehrlich gesagt auch ein bisschen überfordert, weil ich damit nicht gerechnet habe.
SPORT1: Sie haben sechs Spieler aus den Top 20 am Stück geschlagen, darunter Rob Cross, Josh Rock und auch die Nummer eins der Welt, Luke Humphries – und das als ungesetzter Spieler. Einige meinten gar, es sei einer der härtesten European-Tour-Runs überhaupt gewesen.
Springer: Wenn man sich die Gegner und die Order of Merit anschaut, kann man dem auf jeden Fall zustimmen. Als Qualifikant habe ich es natürlich schwieriger – und zudem noch ein Spiel mehr als die Gesetzten. Es war auf jeden Fall nicht die einfachste Auslosung (schmunzelt).
SPORT1: Macht es also keinen Unterschied mehr, ob Sie gegen die Nr. 100 der Welt oder gegen Luke Humphries spielen?
Springer: Da ändert sich gar nichts für mich. Ich nehme jeden Gegner gleich an, das hat auch ein bisschen was mit Respekt zu tun. Ich gehe mit dem gleichen Mindset ran und versuche, mein Spiel zu spielen. Ich weiß, wenn ich das hinkriege, wird es schwer sein, mich zu schlagen, egal wer da kommt.
Springer: „Ich habe es nicht erwartet“
SPORT1: Sie sind noch für einige Majors in diesem Jahr qualifiziert, darunter die WM in London, die EM in Dortmund, auch der Grand Prix ist Ihnen eigentlich nicht mehr zu nehmen. Hätten Sie sich selbst in Ihrem ersten Jahr auf der Tour einen solch großen Sprung zugetraut?
Springer: Ich habe es nicht erwartet, definitiv nicht! Aber ich habe es mir zugetraut. Dass es jetzt schon so gut läuft, hätten wir dennoch alle nicht erwartet. Vielleicht ein wenig später, wenn ich so richtig auf der Tour angekommen bin. Ich bin darüber aber natürlich sehr glücklich, dass ich das schon in den ersten Monaten geschafft habe.
SPORT1: Sie stehen bereits auf Platz 66 der Order of Merit, haben zudem noch fast 15 Monate, in denen Sie für die Rangliste kein Preisgeld verteidigen müssen. Kann man da befreiter aufspielen?
Springer: Ich habe die andere Seite noch nicht erlebt, wie es ist, wenn ich dann Preisgeld verteidigen muss. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass ich mental so stark bin, dass mich das nicht beeinflussen würde.
Niveau von Darts-Deutschland „nimmt stetig zu“
SPORT1: Max Hopp hat im SPORT1-Interview über Sie gesagt, Sie seien aktuell der deutsche Spieler mit dem größten Potenzial. Er traut Ihnen gar zu, dass Sie zusammen mit Martin Schindler den Dartsport in Deutschland in den kommenden Jahren prägen werden. Wie nehmen Sie diese Komplimente auf?
Springer: Relativ nüchtern. Ich habe schon viel über mich gelesen und gehört, viel Positives aber auch Negatives. Ich versuche das nicht so nah an mich heranzulassen, weil das auch viel Druck erzeugen kann. Das Drumherum ist schön zu hören, das freut mich. Aber es gibt Wichtigeres: gut Darts zu spielen.
SPORT1: Das gelingt derzeit einigen Deutschen außerordentlich gut, Martin Schindler kratzt gar an den Top 16 der Welt. Wie steht es aus Ihrer Sicht aktuell um Darts-Deutschland?
Springer: Das Niveau nimmt stetig zu, wir haben mittlerweile zwölf deutsche Tourcard-Holder – Tendenz steigend. Martin wird ziemlich sicher nach der WM in den Top 16 stehen, da geht die Entwicklung klar nach oben. Es wird aus meiner Sicht auch nicht mehr lange dauern, bis wir in Deutschland einen Major-Champion haben. Dafür ist die Qualität zu gut.
Springer will auf die WM-Bühne zurück
SPORT1: Haben Sie sich denn selbst für das restliche Jahr 2025 noch konkrete Ziele am Board gesetzt?
Springer: Das größte Ziel ist, dass ich nach den zwei Jahren auf der Tour innerhalb der Top 64 bleiben will, was die automatische Tourcard zur Folge hätte. Sonst versuche ich bei der WM gut zu spielen und möglichst mindestens eine Runde zu gewinnen. Das Ziel sollte immer sein, sich für die WM zu qualifizieren.
SPORT1: Ihr Debüt im vergangenen Jahr haben Sie noch mit 1:3 gegen Scott Williams verloren. Verspüren Sie dennoch schon jetzt Vorfreude, im Dezember wieder auf der Bühne des Ally Pally spielen zu dürfen?
Springer: Auf jeden Fall! Es war eine absolut tolle Atmosphäre dort vor Ort, es hat richtig Spaß gemacht. Ich will wieder hoch auf diese Bühne ...
SPORT1: Dann mit Elversberg- und Mainz-Profis im Anhang?
Springer: In erster Linie nehme ich Freunde und Familie mit. Wenn dann noch irgendein Ticket übrig ist, kann man nochmal darüber reden (lacht).