Dick eingepackt in eine Winterjacke, Mütze und Handschuhe hat man Luke Humphries selten gesehen. Zwar bewahrt die Nummer eins der Welt für üblich auf der Dartsbühne eine „Cool Hand“, im hereinbrechenden Winter - 3571 Meter über dem Meeresspiegel - in den Berner Alpen würde man den Engländer jedoch kaum vermuten.
Humphries: "Schindler bester Deutscher - aber wer weiß, wie lange noch"
Humphries adelt deutschen Star
„Könntest du bitte noch ein Erinnerungsfoto für mich schießen?“, fragte Humphries den SPORT1-Reporter auf einer Aussichtsplattform. Über ihm ein Schild: „Jungfraujoch – Top of Europe“. Der einstige Weltmeister war von der PDC am vergangenen Wochenende im Rahmen der Swiss Darts Trophy auf die Gebirgsverbindung zwischen Mönch und Jungfrau eingeladen worden. Der Weg dorthin: 20 Minuten Fahrt in der VIP-Gondel des Eiger Express, anschließend 25 Minuten in der Lokführer-Kabine einer Zahnradbahn zum höchstgelegenen Bahnhof Europas.
Doch statt Alpenpanorama vom Feinsten warteten beim Ausstieg lediglich zapfige Temperaturen und ein Schneesturm. Betrübte Laune? Keineswegs. Immerhin durfte Humphries im 360-Grad-Kino der Bergstation an der Seite von Entertainerin Michelle Hunziker gegen Ex-Premier-League-Champion Jonny Clayton und Schwinger Sven Hofer das wohl höchste Darts-Match der Geschichte absolvieren.
Darts auf ungewohnten Höhen
Im Gespräch mit SPORT1 verriet Humphries, wie sich sein Spiel in einer solchen Höhe verändert, in welcher Disziplin er bei den Olympischen Winterspielen antreten würde – und was er von der Entwicklung des deutschen Darts hält.
SPORT1: Herr Humphries, ist Ihnen kalt?
Luke Humphries: Na ja, ich habe eine rote Nase. Ich bin das Red-nosed reindeer.
SPORT1: Luke, „The Red-nosed reindeer“. Ihr neuer Darts-Spitzname?
Humphries: Ahh, nein danke! Da bleibe ich lieber bei meinem (lacht).
SPORT1: „Cool Hand“ passt mindestens genauso gut. Wie erleben Sie das Jungfraujoch?
Humphries: Es ist sehr cool hier oben. Man geht ein paar Treppenstufen, die Atmung wird schwerer und man fühlt sich ein bisschen schwindelig. Eine Erfahrung, wie ich sie davor noch nie gemacht habe. Der Schnee, die Berge, mit der Bergbahn hier hochzufahren: Es ist toll, dass wir das als Dartspieler erleben dürfen. Ich werde das lange, lange in Erinnerung behalten. Und hier auch noch Darts zu spielen, ist echt etwas anderes…
Diese Sportart würde Humphries bei den Olympischen Winterspielen machen
SPORT1: Waren Sie in Ihrem Leben bisher schon einmal so hoch über dem Meeresspiegel?
Humphries: Ich war noch nie auf über 1500 Metern, glaube ich. Eine völlig neue Erfahrung.
SPORT1: Wenn wir schon im Winter angekommen sind: Im Februar 2026 finden die Olympischen Spiele in Mailand und Cortina d’Ampezzo statt. In welcher Sportart würden Sie teilnehmen?
Humphries: Gibt es eine Ziel-Sportart? Curling, das mache ich! Ich bin dann derjenige, der die Steine anschiebt (lacht).
SPORT1: Thema Zielen: Was verändert sich, wenn man Darts in einer solchen Höhe spielt?
Humphries: Es ist nicht so, dass man sich gar nicht fokussieren könnte und das Board nicht mehr sehen würde, aber das Schwindelgefühl ist schon da, weil die Luft so dünn ist. Der Körper fühlt sich schwächer an - und natürlich ist es auch noch eiskalt. Aber ich habe immerhin eine 180 geworfen, also bin ich mit meiner Leistung hier oben zufrieden.
Humphries: „Fühle mich aktuell sehr gut“
SPORT1: Lassen Sie uns über Ihre Leistung auf der Bühne sprechen: Wie sind Sie in Form?
Humphries: Ich fühle mich aktuell sehr gut. Ich hatte eine leichte Delle nach dem Gewinn der Premier League, aber jetzt trainiere ich wieder mehr und rufe Woche für Woche konstant meine Leistungen ab. In der vergangenen Woche habe ich in Budapest den höchsten European-Tour-Average in diesem Jahr gespielt mit 113,05 Punkten. Und dann habe ich gegen Niko Springer verloren, der in den letzten beiden Legs jeweils einen 11-Darter spielt...
SPORT1: Wie haben Sie das Match gegen Niko Springer erlebt?
Humphries: Es war ein aufregendes Match, ich habe den großen Fehler gemacht und die ersten beiden Legs verloren. Sonst wäre das Spiel wohl anders ausgegangen. Aber Darts ist nunmal ein Spiel der Fehler, das macht es ja gerade so interessant. Und zu Niko: Er ist ein fantastischer Spieler, ein super Scorer. Das Einzige, wobei ich ihn habe scheitern sehen, sind die Doppel in den entscheidenden Momenten. Aber Siege wie dieser werden ihm hoffentlich das Selbstvertrauen geben, in den entscheidenden Momenten mehr an sich zu glauben.
So sieht Humphries das deutsche Darts
SPORT1: Niko Springer ist der vierte Deutsche in der Geschichte, der ein European-Tour-Event gewinnen konnte. Max Hopp sagt über ihn, er sei der Spieler mit dem größten Potenzial in Deutschland. Würden Sie ihm zustimmen?
Humphries: Ja, wieso nicht? Sein Wurf ist, wie ich sagen würde, ziemlich robotisch. Sehr flüssig, der gleiche Wurf jedes Mal. Er wirft ein bisschen wie ich. Ich sehe das Potenzial in ihm, aber ich würde Martin Schindler nicht abschreiben. Er hat mehr erreicht als jeder andere Deutsche bisher. Man muss ihm den Respekt zollen, er ist der beste Deutsche. Aber wer weiß, wie lange noch.
SPORT1: Wie sehen Sie das deutsche Darts aktuell im Allgemeinen?
Humphries: Besser als jemals zuvor! Es gab einige gute deutsche Spieler über die Jahre hinweg, aber jetzt gibt es ein paar, die das nochmal übertreffen. Wenn man Martin Schindler und Niko Springer zum Beispiel als Duo beim World Cup hätte, das wäre eine echt gefährliche Begegnung, um ehrlich zu sein. Das könnte im nächsten Jahr passieren. Also definitiv ein Team, auf das man aufpassen muss.
SPORT1: Bis dahin vergeht noch ein bisschen Zeit. Welche Ziele haben Sie für den Rest des Jahres 2025? Wir haben immerhin noch vier Major-Turniere zu spielen.
Humphries: Mein Ziel ist es, so viele Majors zu gewinnen, wie ich nur kann. Ich stelle mich jetzt nicht hier hin und sage: ‚Oh, ich würde gerne eines gewinnen.‘ Ich will alle vier gewinnen! Aber das ist natürlich ein optimistisches Vorhaben. Für mein Gefühl will ich mindestens eines gewinnen - und dann natürlich die WM! Denn ich weiß: Gewinne ich die WM, bleibe ich die Nummer eins der Welt. Wenn nicht, dann werde ich das nicht mehr sein. Es ist eine einfache Voraussetzung – und eine einfache Lösung: Die WM gewinnen und Nummer eins der Welt bleiben. Viele Leute sagen, das sei eine Menge Druck, aber ich gehe das Ganze ziemlich entspannt an. Ich hatte zwei tolle Jahre als Nummer eins der Welt - und jetzt liegt es an mir, das Turnier meines Lebens zu spielen, um auch dort zu bleiben.