Seit 2020 ist Christian Eichner Cheftrainer des Karlsruher SC. Der gebürtige Sinsheimer spielte 13 Jahre lang für den Verein. Kürzlich verlängerte er seinen Vertrag bis 2027.
„Das wäre eine unglückliche Aussage“
Vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln (ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) hat der 42-Jährige SPORT1 ein Exklusiv-Interview gegeben.
SPORT1: Herr Eichner, Sie sind seit 2020 Cheftrainer beim KSC. Längst ist es kein normales Trainer-Verein-Verhältnis mehr, oder?
Christian Eichner: Grundsätzlich hat nahezu jeder „den einen“ Verein im Leben. Ich war 13 Jahre Spieler hier, da war das Verhältnis schon sehr eng. Ich bin damals mehr oder weniger aus dem Nichts in den Cheftrainer-Job hineingeschlittert, wenn man so will. (lacht) Und ich bin immer noch beim KSC. Es ist nicht selbstverständlich, so lange an einem Standort zu sein.
SPORT1: Was macht es so besonders? Die Mannschaft ändert sich von Jahr zu Jahr.
Eichner: Das stimmt. Es ist einer dieser Gründe, warum ich mich nicht ganz so abnutze, wie es woanders passiert. Marvin Wanitzek (seit 2017 beim KSC, d. Red.) kennt wahrscheinlich jede Besprechung mit mir in- und auswendig. Diese Fluktuation im Team ist Fluch und Segen. Zu vielen Personen im Verein habe ich ein ganz enges Verhältnis. Und Zlatan Bajramovic (Co-Trainer, Anm. d. Red.) ist vom ersten Tag, seit ich hier Cheftrainer bin, an meiner Seite. Das birgt eine gewisse Verantwortung den Leuten gegenüber.
SPORT1: Ganz ehrlich: Gab es nie die Gefahr der Abnutzung?
Eichner: Nein. Ich will mich immer wieder neu erfinden. Es gibt kleine Bausteine, die nach außen vielleicht gar nicht so groß wirken. Als wir angefangen haben, war Philipp Hofmann vorne der alleinige Stürmer, um ihn herum haben wir alles gebaut. Als „Hoffi“ ging, haben wir dann mit zwei Stürmern gespielt. Das ist ein gutes Beispiel für einen guten Impuls. So etwas hat uns immer begleitet. Wir hätten uns zum Beispiel gewünscht, dass Paul Nebel oder Igor Matanovic länger bei uns geblieben wären. Ich selbst habe mich da nicht verändert - und die Jungs wissen es zu schätzen, dass auch nach einem 0:3 bei mir die Sonne nicht untergeht. Und es spricht nichts dagegen, dass ich am nächsten Tag mit einem Lächeln zur Arbeit komme.
Eichner: „Der Klub war über der ‚Leistungs-Latte'"
SPORT1: Wie sehen Sie die Entwicklung des KSC unter Ihrer Leitung?
Eichner: Der Klub war in den vergangenen vier, fünf Jahren schon über der „Leistungs-Latte“, also über dem, was von den Rahmenbedingungen her möglich gewesen ist. Das erlaubt auch die Zweite Liga. Es gibt aber auch andere Beispiele, denn gerade die Absteiger haben in den zurückliegenden Jahren immer lange gebraucht, um in der Liga Fuß zu fassen. Das ist der Charme der Liga. Trotzdem habe ich mir nach einer Saison oft gedacht „Mensch, jetzt fangen wir gefühlt wieder von vorne an“, weil uns wichtige Spieler verlassen. Das braucht schon immer einige Zeit, bis wir in der Spur sind.
SPORT1: Nachdem der KSC im Winter auf Platz 2 stand, konnten die ersten fünf Spiele nicht gewonnen werden. Gegen Magdeburg haben Sie dann auf eine Dreierkette umgestellt und haben damit etwas Besonderes gewagt – die Belohnung war ein Sieg. Sie haben das als „Gemeinschaftserfolg“ bezeichnet. Spricht das nicht aber absolut für Christian Eichner?
Eichner: Ich bin ein Freund von „Stärke deine Stärken“ und wurschtel nicht irgendwo herum, wo es Bessere um dich herum gibt. Das mit der Umstellung hat sich im Trainerteam Schritt für Schritt entwickelt. Dazu habe ich meine Stärken ausgespielt, nämlich die Mannschaftsführung. Ich schaue, dass alle gut miteinander harmonieren. Ich vertraue meinen Jungs im Trainerteam. Diese Idee ist gemeinschaftlich entstanden. Jeder hat einen großen Teil dazu beigetragen. Es ist legitim, auch mal etwas zurückzutreten und die Personen scheinen zu lassen, die nicht so sehr im Vordergrund stehen.
Eichner: „Ich stehe beim KSC für etwas“
SPORT1: Wie sehr haben Sie Ihr Profil beim KSC in den vergangenen Jahren geschärft?
Eichner: Ich stehe beim KSC für etwas. Wenn man sich mit meiner Person beschäftigt, dann kriegt man ein gutes Gefühl, was ich will und was für ein Typ ich bin. Wir haben uns in den vergangenen fünf Jahren hier etwas aufgebaut und sind nie müde geworden, weiter Dinge voranzutreiben. Wir können aber nicht mit anderen Klubs mithalten, die regelmäßig oben stehen.
SPORT1: Sie kommen sympathisch rüber …
Eichner: Ich kann auch sehr unangenehm sein.
SPORT1: Wie sind Sie dann?
Eichner: Ich erlebe die Leute dann schon sehr überrascht. Zlatan ist in der Kommunikation schon direkter und schärfer. Wenn man bei mir die rote Linie erreicht, wird es gefährlich. Das wissen die Spieler auch. Dann ist es bei mir fünf vor zwölf und ich kann für meine Sachen auch einstehen, da muss ich gar nicht laut werden. Man darf das aber nicht zu oft machen, sondern muss das gezielt einsetzen.
Zivzivadze? „Das hat richtig weh getan“
SPORT1: Ihr Toptorjäger Budu Zivzivadze wechselte im Winter nach Heidenheim. War das ein Schlag in die Magengrube?
Eichner: Das hat richtig weh getan. Und da müssen wir aus meinem Herz kein Geheimnis machen. Wir waren im Winter Tabellenzweiter und einiges ist optimal gelaufen. Wir hatten intern den Wunsch gehegt, die Großen weiter zu ärgern. Das hat mit uns allen etwas gemacht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Verein Transfererlöse benötigt und der Vertrag des Spielers im Sommer ausgelaufen wäre.
SPORT1: Sie sind studierter Mathematiker. Vor dem Spieltag hatte der KSC sechs Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz, den der 1. FC Kaiserslautern belegte. Sie können sehr gut rechnen - in dieser engen Liga ist noch alles möglich. Wie sehr glauben Sie noch an den Aufstieg?
Eichner: Natürlich wäre es toll mit dem KSC aufsteigen, aber die ersten vier, fünf Wochen in diesem Jahr haben gezeigt, dass es für uns eng wird, wenn sich die personellen Voraussetzungen bei uns verändern. Ich hoffe, dass wir mit dem Magdeburg-Spiel ein wichtiges Zeichen gesetzt haben. Am Samstagabend steht ein unfassbar tolles Spiel gegen den 1. FC Köln an. Wir wollen den Kölnern einen heißen Tanz bieten, und zwar keinen karnevalistischen. (schmunzelt) Wenn wir vorne noch ein Wörtchen mitreden wollen, müssen wir in den nächsten Wochen mehr Spiele gewinnen als verlieren oder Remis spielen. Das Ziel muss es am Ende sein, in der oberen Hälfte zu landen.
Eichner: „Dann will ich mit offenen Karten spielen“
SPORT1: Sie haben zuletzt Ihren Vertrag bis 2027 verlängert, ohne Ausstiegsklausel. Das ist inzwischen bei einem Trainer bemerkenswert.
Eichner: Es ist so, dass wenn es mal eine Möglichkeit geben würde, persönlich einen Schritt weiterzukommen, dann will ich mit offenen Karten spielen. Dann gehe ich auf die Geschäftsstelle und klopfe anständig und hinterlege meinen Wechselwunsch. Das war auch bei der Vertragsverlängerung ein Thema. Dann würde der Verein mit einem Trainer mal etwas verdienen, wie es auch bei einer Ausstiegsklausel der Fall wäre. Jetzt ist es offener und klarer. Und in der heutigen Zeit ist es eine ganz smarte Geschichte, die zu mir passt.
SPORT1: Inzwischen gibt es bei vielen Trainern Ausstiegsklauseln. Was sagen Sie dazu?
Eichner: Man muss hier aber sagen, dass wir für die Trainer von einer optimalen Situation sprechen, wenn es super läuft mit dem umworbenen Trainer. Dann verdient der Verein ja auch etwas daran. Wir reden aber auch über negative Seiten, wenn ein Trainer freigestellt wird. Dann ist es heutzutage normal, dass Verträge eine Regelung für eine vorzeitige Trennung enthalten. Wichtig ist am Ende, dass man vernünftig miteinander redet.
KSC-Trainer äußert Bundesliga-Wunsch
SPORT1: Sie sind voll und ganz beim KSC, auch in der nächsten Saison? Manchmal kann es sehr schnell gehen trotz eines Vertrags.
Eichner: Da bin ich auch ehrlich, denn dazu kenne ich den Fußball zu gut. Das wäre eine sehr unglückliche Aussage, zu sagen, ich bin zu diesem oder jenem Zeitpunkt definitiv noch beim KSC. Aber nicht, weil ich mich mit einem anderen Klub beschäftige, sondern weil ich es im Fußball nicht weiß. Wer mich kennt, der weiß eines: Ich möchte auch mal um 15.30 Uhr an der Seite zu stehen. Das ist mein großes Ziel als Trainer. Das durfte ich als Spieler erleben und das ist einfach die Primetime des deutschen Fußballs.
SPORT1: Von welchem Trainer schauen Sie sich gerne etwas ab?
Eichner: Ich schaue natürlich gerne nach Freiburg und Heidenheim, weil ich es toll finde, wie Christian Streich und Frank Schmidt es geschafft haben, so lange an einem Standort zu sein. Ich habe kein Trainer-Vorbild. Wenn ich daran zurückdenke, wie Holger Stanislawski uns beim FC menschlich gepackt hat, das war schon klasse. Wenn er mich anrufen würde für ein Training mit ihm, würde ich sofort als Spieler kommen. Obwohl ich bei ihm nicht immer gespielt habe. Er hat etwas geschaffen, damit wir gerne zum Training kamen. Das will ich auch jeden Tag hinbekommen.
Köln? „Es gab zu keiner Zeit Kontakt“
SPORT1: Im vergangenen Jahr gab es Interesse vom 1. FC Köln. Können Sie mal verraten, wie ernst es war?
Eichner: Da war gar nichts dran. Das war ein Thema, das nach der alten Saison schnell aufkam, weil der FC einen Trainer suchte und ich mal dort gespielt habe. Mehr war es nicht. Es gab zu keiner Zeit Kontakt.
SPORT1: Am Samstag kommt der FC nach Karlsruhe. Am Donnerstag hat im Rheinland der Straßenkarneval begonnen – wie groß ist die Hoffnung, dass die Kölner verkatert anreisen?
Eichner: (lacht) Leider wird das nicht passieren. Durch meine Zeit beim FC schaue ich mir jedes Jahr an, wie die Spieler und der Trainer zur Karnevalsveranstaltung des Klubs gehen. Ich kann Gerhard Struber nur ein großes Kompliment machen, er sah in seinem Style richtig cool aus. Ich glaube aber nicht, dass er am Samstagabend so bei uns erscheinen wird. Und die Spieler werden auch keine Probleme haben. Es wird ein unfassbar tolles Spiel, auf und neben dem Platz. Viele Zuschauer werden aus Köln verkleidet kommen.
SPORT1: Sind Sie ein Karnevalsjeck?
Eichner: Ich bin ein großer Karnevalsjeck, aber eher wegen der Musik. Ich höre mir das auch mal unter dem Jahr gerne an. Meine Tochter ist da auch sehr von der Musik infiziert.
SPORT1: Was ist drin gegen den FC?
Eichner: Wir wollen es den Kölnern richtig schwer machen. Ich glaube aber, es wird kein 4:4 wie im Hinspiel. Es wird aber eine richtungsweisende Partie. Alles ist drin. Das Hinspiel war eines der Feuerwerke in dieser Saison.
SPORT1: Apropos Feuerwerk. Zuletzt gab es immer öfter wilde Pyro-Darbietungen in den Stadien, leider auch negative Momente wie in Rostock. Wie ist Ihre Meinung zu Pyro?
Eichner: Ich glaube, es gab mal Überlegungen, dass Pyro in einem gewissen Rahmen geduldet wird. Am Ende habe ich ein großes Problem, wenn Pyro in Blöcke reinfliegt, wo Kinder und normale Zuschauer sitzen. Das darf nicht sein.
Bananen? „Es ist zum Aberglauben geworden“
SPORT1: Zum Schluss noch eine etwas andere Frage: Sie essen gerne Bananen. Wie viele verdrücken Sie so während eines Spiels?
Eichner: Es ist schon etwas zum Aberglauben geworden, der Zeugwart legt mir vor dem Spiel eine hin und zur zweiten Halbzeit legt er mir wieder eine hin. Ich bin einfach hungrig rund um den Spieltag. So komme ich auch gut runter.