Nur „widerwillig“ gab Plymouth Argyle seinen Coach Miron Muslic für die Gespräche mit dem FC Schalke 04 frei. „Frustriert“ sei man, dass Muslic den soeben aus der englischen Championship abgestiegenen Klub verlassen wolle, wie es am Mittwoch in einem bemerkenswerten offiziellen Statement hieß.
Wer ist der neue Schalke-Coach?
„Auch wenn ich überrascht war, als es bekannt wurde, war ich in gewisser Weise nicht überrascht, dass er geht. Er steht seiner Familie sehr nahe und er hat sie während seiner Zeit in Plymouth nur selten gesehen“, sagte Journalist Brent Pilnick im Gespräch mit SPORT1. Er verfolgt Plymouth Argyle für die BBC.
Der anstehende Trainerjob auf Schalke - noch ist der Deal nicht offiziell verkündet - würde für Muslic, der als neunjähriger Junge vor dem Bosnien-Krieg nach Österreich floh, auch die Möglichkeit bieten, wieder etwas näher bei seiner Familie zu sein.
Muslic beerbte Rooney bei Plymouth
Obwohl der 42-Jährige mit Argyle den Klassenerhalt nicht geschafft hat, hätte man es im Südwesten Englands gern gesehen, wenn er das Projekt Wiederaufstieg angeführt und möglichst seinen bis 2028 laufenden Vertrag erfüllt hätte.
Muslic hatte erst im Januar beim damaligen Tabellenletzten unterschrieben, nachdem er zuvor Cercle Brügge überraschend in die Conference League geführt hatte. Doch nach misslungenem Saisonstart musste er in Belgien im Dezember 2024 gehen.
„Er hat in Plymouth eine Mannschaft übernommen, die sehr schlecht gespielt hat“, sagte Pilnick und verwies auf die unter Vorgänger Wayne Rooney sehr anfällige Defensive. „Wayne Rooney war ein berühmter Fußballer, wir haben alle von ihm gehört. Als Trainer hat er in Plymouth nie funktioniert.“
Muslic stellte auf eine Dreierkette mit drei Innenverteidigern und zwei Außenverteidigern um. So stabilisierte er die Defensive, seine Mannschaft war schwer zu knacken. Gerade gegen die Topteams der Liga konnte Plymouth mit dieser Herangehensweise punkten. Doch trotz vier Siegen in den letzten sieben Spielen verpasste Muslic mit Plymouth den Klassenerhalt.
„Sie hatten Probleme gegen die schwächeren Mannschaften“, erklärte Pilnick. Gerade wenn es darauf ankam, selbst das Spiel zu gestalten, stieß Muslics Mannschaft an ihre Grenzen. „Er musste das ein Stück weit so machen in Plymouth. Er hat Angriffsfußball ausprobiert, aber es hat nicht funktioniert. Denn sie hatten nicht die Spieler dafür.“
Muslic von Klopps „Idee schon immer fasziniert“
Womöglich hätte Muslic ein Neustart in der League One, der dritten englischen Liga, geholfen, seinen favorisierten Spielstil umsetzen zu können. Denn eigentlich ließ er sich von Jürgen Klopp inspirieren.
„Ich wollte immer schon aktiv, intensiv und hoch spielen“, schwärmte Muslic vor einiger Zeit im Podcast „DAB|Der Audiobeweis“ von Sky Sport Austria über Klopps Pressingfußball beim BVB. „Ich dachte mir immer, wie das geht, dass jedes Mal vier Dortmund-Spieler in Ballnähe sind. Diese Idee hat mich immer schon fasziniert.“
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Auch Pilnick sieht durchaus Parallelen – gerade auch in Bezug auf Klopps spätere Arbeit beim FC Liverpool. „Liverpool ist in gewisser Weise eine ähnliche Stadt wie Plymouth. Sie haben einen ausgeprägten Akzent. Sie haben eine von Seehäfen geprägte Kultur. Sie pflegen eine ähnliche Leidenschaft für ihre Teams.“
Plymouth ist wie Liverpool eine Arbeiterstadt. Der Marinestützpunkt Devonport ist der größte Marinehafen Westeuropas und hat als wichtigster Arbeitgeber eine ähnliche Bedeutung für die Stadt wie früher der Bergbau in Gelsenkirchen.
Neuer Schalke-Trainer setzt auf Malocher-Fußball
„In England gibt es auch den Begriff des Malochers, für jemanden, der sehr hart arbeitet“, sagte Pilnick. Bezogen auf den Fußball orientierte sich Muslic daran. „Kreativspieler bekamen nicht so viel Spielzeit, weil er Spieler brauchte, die die Drecksarbeit machen.“
Bei Schalke habe Muslic nun mehr Möglichkeiten, kreativere Spieler einzubringen, glaubt Pilnick.
Dennoch gibt es beim strauchelnden Zweitligisten nach dem gerade so gesicherten Klassenerhalt auch gewisse Vorbehalte gegenüber des hierzulande relativ unbekannten neuen Trainers.
„Wir wussten auch nichts über ihn, als er nach England kam“, gestand Pilnick. Doch mit seiner Art hat Muslic sowohl die Fans als auch die Spieler schnell für sich gewonnen.
Emotionale Ansprache geht viral
„Wenn er in den Pressesaal kommt, dann beherrscht er den Raum. Sein Lächeln und seine Art sorgen dafür, dass alle Augen auf ihn gerichtet sind“, sagte der Journalist und beschrieb Muslic als sehr charismatisch und ehrlich.
Er übernahm Argyle unmittelbar nach einem überraschenden 1:0-Sieg im FA Cup gegen Premier-League-Klub FC Brentford. In seiner ersten emotionalen Ansprache ans Team appellierte er an die Leidenschaft und die Zusammengehörigkeit trotz der anstehenden Herausforderungen. Ein Video davon ging viral. „Das gab den Ton vor“, sagte Pilnick.
Zugleich habe er ihn als sehr bescheiden erlebt – und mit einem feinen Sinn für Humor. Selbst nach dem größten Coup seiner Amtszeit, dem 1:0-Sieg gegen den großen FC Liverpool im FA Cup, blieb Muslic sich treu.
„Ich habe ihn gefragt, wie er jetzt feiern werde“, erinnerte sich Pilnick, „und er meinte: Ich gehe nach Hause, esse ein paar Nachos und trinke eine Fanta.“