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"Wenn es da läuft wie beim FC Bayern, möchte ich nicht in Leroys Haut stecken"

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Ex-Schalke-Star warnt Sané

Im großen SPORT1-Interview spricht der einstige Schalker Publikumsliebling Dietmar „Didi“ Schacht über den Umbruch bei S04 - und schickt eine Warnung an Leroy Sané.
Der ehemalige Schalke-Profi Dietmar Schacht spricht im Interview über Leroy Sané und seinen Wechsel in die Türkei.
Im großen SPORT1-Interview spricht der einstige Schalker Publikumsliebling Dietmar „Didi“ Schacht über den Umbruch bei S04 - und schickt eine Warnung an Leroy Sané.

Wenn Dietmar „Didi“ Schacht über Schalke 04 spricht, beginnt es in seinen Augen zu leuchten. Der frühere Defensivspieler und Publikumsliebling trug von 1989 bis 1992 das königsblaue Trikot – und wurde 1991 von den Fans zum „beliebtesten Spieler der Saison“ gewählt, nachdem dem Team unter Coach Aleksandar Ristic der Aufstieg in die Bundesliga gelungen war.

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Im Exklusiv-Interview mit SPORT1 spricht der heute 62-Jährige über die Gegenwart seiner Königsblauen nach dem personellen Umbruch im Sommer - und warnt den einst bei Schalke durchgestarteten Leroy Sané nach dessen Wechsel vom FC Bayern zu Galatasaray Istanbul.

Schalke 04: „Es musste etwas passieren“

SPORT1: Herr Schacht, wie blicken Sie auf die aktuelle Situation bei Schalke 04?

Schacht: Zum Glück sind wir nicht abgestiegen - dabei haben wir eine der schlechtesten Saisons gespielt, die man sich vorstellen kann. Es musste etwas passieren, und ich finde: Das, was bislang passiert ist, ist sehr positiv. Mit Frank Baumann haben wir einen absoluten Fußballfachmann verpflichtet, der viel Erfahrung mitbringt. Er hat in Bremen auch unter schwierigen Bedingungen gute Arbeit geleistet. Klar, Schalke ist nochmal eine andere Hausnummer. Aber bislang macht er das hervorragend. Manche haben die Stirn gerunzelt, dass er den hier eher unbekannten Miron Muslic als Trainer geholt hat - aber Baumann hat ihn zwei Jahre lang beobachtet und wusste genau, wen er da verpflichtet. Eins ist aber klar: Der Schuss muss sitzen.

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SPORT1: Warum passt Baumann zu Schalke?

Schacht: Weil er Ruhe ausstrahlt - und die brauchen wir dringend auf Schalke. Er weiß genau, wie man einen Verein führt. Wenn Baumann in Ruhe arbeiten lässt, kann er unseren Klub wieder nach oben bringen.

SPORT1: Sie haben den neuen Coach Muslic schon erwähnt. Welchen Eindruck haben Sie von ihm gewonnen?

Schacht: Ich habe mir ein Training angesehen und muss sagen: Er bringt frischen Wind rein. Muslic lebt den Fußball, er ist voller Energie. Er fordert genau das, wofür Schalke steht: Dass die Spieler stolz darauf sind, für diesen Verein zu spielen und das Trikot zu tragen. Frank Baumann wusste, wir brauchen einen Trainer, der auch emotional vorangeht - und den haben wir jetzt. Dazu kommt: Muslic bezieht die Fans mit ein. Eine kleine Sache, die ich gleich zu Beginn des Trainings beobachtet habe, hat mir besonders gefallen.

Muslic „gefällt mir sehr gut“

SPORT1: Welche?

Schacht: Ich war rechtzeitig am Trainingsplatz - und habe gesehen, dass die komplette Mannschaft gemeinsam aus der Kabine kam. Geschlossen, als Einheit. Bei den vorherigen Trainern war das oft nicht so – da gab es Grüppchenbildung. Jetzt scheint es Pflicht zu sein, dass alle gemeinsam zum Platz gehen. Das ist „Auf Schalke“ neu. Und es mag nur ein kleines Zeichen sein - aber eines, das man nicht unterschätzen sollte. Es steht für Gemeinschaft und Disziplin. Und genau das hat uns in der letzten Saison gefehlt - auf und neben dem Platz.

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SPORT1: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, denen sich Muslic stellen muss?

Schacht: Muslic hat zwei wesentliche Dinge schon mal sehr schnell geschafft: Er hat den Zugang zum FC Schalke und zu den Fans gefunden – durch seine Interviews und durch seine Arbeit auf dem Platz. Genau das wollen die Schalker sehen. Wir wünschen uns einen Trainer, der arbeitet, der Emotionen zeigt und Schalke lebt. Genauso sollen auch die Spieler vorleben, was es bedeutet, für den Verein und die Stadt Gelsenkirchen zu spielen und das königsblaue Trikot zu tragen. Muslic ist da auf einem guten Weg. Er betont immer wieder, dass die Spieler alles für den Verein geben sollen, sobald sie den Platz betreten. Er scheut sich auch nicht davor, eine Übung zu unterbrechen, mal schroff zu werden oder einen Spieler deutlich zu kritisieren.

SPORT1: Muslic ist Bosnier, wie ihr früherer Coach Aleks Ristic. Haben die beiden auch andere Gemeinsamkeiten?

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Schacht: Man kann sie schon miteinander vergleichen. Beide wissen genau, was zu tun ist. Muslic hat eine klare Linie wie Ristic, kann aber auch sehr humorvoll sein - was bei der Führung der Spieler sehr hilfreich sein kann.

Auftakt in Liga zwei? „Das ist schon Wahnsinn“

SPORT1: Das Auftaktprogramm hat es in sich.

Schacht: Oh ja. Das ist ein Hammerprogramm: Hertha, dann in Kaiserslautern, danach gegen Bochum, in Dresden, gegen Kiel und in Magdeburg. Das ist schon Wahnsinn.

SPORT1: Wie sehen Sie die Rolle von Sportdirektor Youri Mulder?

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Schacht: Als er kam, war er sehr wichtig für die Mannschaft. Youri war das Bindeglied zwischen Team, Trainer und Vorstand. Er spricht die Sprache der Spieler und hat sich auch in schwierigen Phasen immer vor die Mannschaft gestellt - das kam sehr gut an. Jetzt hat er mit Frank Baumann einen starken Partner an seiner Seite. Das passt gut zusammen. Youri ist ein Stück Schalke - mit ihm stimmt die Chemie einfach.

„Leider haben einige Transfers nicht funktioniert“

SPORT1: Ihre Meinung zu Kaderplaner Ben Manga?

Schacht: Ben Manga hat seinen Job in Frankfurt und England hervorragend gemacht. Leider haben in der vergangenen Saison einige Transfers nicht funktioniert - aber klar ist auch: Nicht jeder Transfer kann ein Volltreffer sein. Die Crux ist: Wir haben kaum finanzielle Mittel, also muss er Spieler finden, die wenig kosten und viel leisten. Eine Sache, die ich beim Thema Transfers empfehlen würde: Ich finde, man sollte jedem potenziellen neuen Spieler zeigen, was Schalke bedeutet. Sie sollten sich ein Spiel im Stadion ansehen, über die Schalker Meile fahren und die Stadt kennenlernen. Vielleicht bin ich da etwas konservativ und königsblauäugig.

SPORT1: Wie war es damals bei Ihnen?

Schacht: Ich erinnere mich: Bevor ich verpflichtet wurde, saß ich im Stadion, als Schalke vor 70.000 Zuschauern 4:1 gegen Blau-Weiß 90 Berlin gewann. Danach sagte ich zu meiner Frau: „Für diesen Klub will ich spielen. Für diese Farben will ich alles geben.“ Diese Einstellung vermisse ich heute manchmal. Denn Schalke 04 ist einfach etwas Besonderes.

SPORT1: Warum? Nur wegen der Fans? Die haben andere Klubs auch.

Schacht: Nein, das allein ist es nicht. Selbst wenn wir schlecht spielen, ist die Bude voll. Ich besuche als Repräsentant viele Fanklubs - und da herrscht immer pure Euphorie. Die Fans lieben Schalke oft mehr als die Spieler. Es fehlt da heute an echter Identifikation mit dem Verein. Man kommt auch kaum noch an die Spieler ran. Deshalb haben Typen wie Rüdiger Abramczik, Klaus Fischer, Olaf Thon oder ich noch dieses Standing - wir sind für unsere Fans greifbar geblieben. Und wir haben die besten Fans der Welt.

„BVB ist gar nicht erwähnenswert“

SPORT1: Das wird der Rivale aus Dortmund nicht gerne hören.

Schacht: Hör mir auf, der BVB ist gar nicht erwähnenswert. Den MSV Duisburg erwähne ich gern. Wenn es dem Verein schlecht geht, kommen alle aus den Löchern. Es ist anders als bei uns - auf Schalke sind sie immer da. In guten wie in schlechten Zeiten. Egal, wo du hinkommst: Es gibt immer irgendwo einen Schalker. Auch auf Mallorca sehe ich Handtücher mit dem S04-Logo. Oder einer kommt dir mit einem Schalke-Trikot am Strand entgegen. Das beste Beispiel ist die Schalke-Kneipe auf Gran Canaria. Schalke ist und bleibt ein Mythos.

SPORT1: Gibt es eine besondere Schalke-Anekdote von Ihnen?

Schacht: Das war vor meinem letzten Spiel. Wir haben gegen Dortmund gespielt, und ich konnte mich morgens im Hotel nicht mehr bewegen. Es war schlimm. Ich sagte zu Trainer Ristic: „Trainer, ich kann nicht spielen.“ Er meinte nur in seinem bosnischen Slang: „Junge, bleib ruhig. Du gehst gleich zum Physiotherapeuten, dann zum Doktor wegen Spritze, dann machen wir Besprechung und fahren zum Stadion. Dann fährst du Rolltreppe runter (die Rolltreppe im alten Parkstadion, d. Red.), und 70.000 Menschen schreien ‚Didi‘ – danach spielst du ohne Schmerzen.“ Nach dem Spiel musste ich leider meine Karriere beenden. Aber es war ein unvergessliches Erlebnis, als Kapitän auf dem Platz zu stehen.

SPORT1: Sie sind danach Trainer geworden, allerdings nicht auf Schalke ...

Schacht: Ja, das tut schon weh, ich wäre es gerne geworden - wie viele andere ja auch. Damals hat mir Herr Eichberg (Günter Eichberg, ehemaliger Präsident Schalkes, d. Red.) zugesagt, dass ich Co-Trainer werden soll. Klaus Fischer war Cheftrainer, doch er entschied sich für Jürgen Gede, weil er ihn länger kannte. Da war ich erstmal raus. Ristic sagte, dass er mich irgendwann holen wird – und so bin ich dann bei Fortuna Düsseldorf gelandet. In Remscheid war ich Trainer in der 2. Liga. „Auf Schalke“ hat es leider nie geklappt. Ich war auch eine Zeit lang weg, Olaf Thon hat mich dann wieder in die Traditionsmannschaft geholt. Ich werde dieses Jahr 63, und die Zeit ist vorbei.

Sané? „In der Türkei bist du schnell König, aber ...“

SPORT1: Ein früherer Schalker, der zuletzt stark im Blickpunkt stand, ist der vom FC Bayern zu Galatasaray Istanbul gewechselte Leroy Sané. Wie sehen Sie seinen Werdegang?

Schacht: Leider ruft Leroy seine Leistung nicht konstant ab. Manchmal wirkt er phlegmatisch und lustlos. Wenn er mal Lust hat, ist er der Wahnsinn. Manchmal ist er aber auch ein Chancentod. Gala spielt in der Champions League, aber da ist oft nach der Gruppenphase Schluss. Es ist zwar schön, dass Sané bei seiner Ankunft gefeiert wurde. Aber ob das am Ende die Erfüllung ist, wird man sehen. Wenn es in der Türkei läuft wie beim FC Bayern, dass er drei, vier Spiele so spielt wie dort oft, dann möchte ich nicht in seiner Haut stecken. Manche sagen, er sei ein ganz lieber Mensch, aber er ist nicht in der Lage, über längere Zeit eine gute Leistung zu zeigen. Und genau das macht einen richtig guten Spieler aus. Das war Sané bei Bayern nicht. Bei uns war er klasse, bei ManCity, Bayern und in der Nationalmannschaft war er wechselhaft. In der Türkei sieht das etwas anders aus. Da bist du schnell König - aber genauso schnell auch wieder der Bademeister.

SPORT1: Letzte Frage: Steigt Schalke auf?

Schacht: In der neuen Saison noch nicht. Ein einstelliger Tabellenplatz wäre toll, aber mit dem Abstieg sollten wir hoffentlich nichts zu tun haben. Und ich hoffe, dass Muslic eine Ära prägen kann.