Der 1. FC Nürnberg steckt schon früh in der Saison in einer handfesten Krise.
"Ich höre, dass Klose im Training mehr läuft als die Spieler"
Klose in undankbarer Lage
Die Auftaktniederlagen bei der SV Elversberg (0:1) und zu Hause gegen Darmstadt 98 (0:1) bedeuten den schwächsten Start, den der Club in der eingleisigen 2. Bundesliga je hingelegt hat. Am vergangenen Wochenende kam das Aus im DFB-Pokal beim Regionalligisten FV Illertissen hinzu. Es war ein weiterer Tiefschlag, der die Zweifel am eingeschlagenen Weg verstärkt - und auch eine Legende des Klubs in Sorge versetzt.
Köpke: „Der Druck ist groß“
Der langjährige FCN-Torhüter Andreas Köpke, Europameister von 1996 und DFB-Torwarttrainer, als die Nationalelf 2014 mit Stürmer Klose Weltmeister wurde, sagt bei SPORT1: „Natürlich ist der Saisonstart enttäuschend, und der Druck vor dem Spiel gegen Münster ist groß. Jeder hofft, dass die Wende kommt – verlieren ist verboten.“
Vor allem die späten Gegentore seien ein Hauptproblem, findet Köpke, ohne dass dadurch die grundsätzliche Spielidee infrage stünde: „Die Gegentreffer in der Nachspielzeit oder auch das 3:3 in Illertissen haben ja nichts mit der Spielidee zu tun, sondern damit, wie man bis zur letzten Minute konsequent verteidigt. Für eine Entwicklung braucht es Erfolgserlebnisse – und da hofft wohl jeder Club-Fan, dass es am Freitag losgeht.“ Anstoß ist heute um 18:30 Uhr (im LIVETICKER) im Preußenstadion.
Torwart-Legende sieht Grundproblem
Die entscheidende Frage lautet nun: Wie viel Zeit bekommt Cheftrainer Miro Klose, der im Sommer 2024 an den Valznerweiher kam? Schon in der Vorsaison tat sich der Club schwer, fand jedoch rechtzeitig in die Spur und beendete die Saison schließlich auf Platz zehn.
Köpke stärkt dem Trainer den Rücken: „Miro identifiziert sich total mit dem Club. Aber wenn einem die wichtigsten Spieler weggekauft werden, ist es schwer, Konstanz reinzubekommen.“ Nürnberg verlor im Sommer unter anderem Mittelfeldspieler Jens Castrop (Gladbach) und seine zwei besten Torjäger Stefanos Tzimas (Brighton) und Mahir Emreli (Lautern).
Weggefährte Köpke - Klose war beim DFB-Team zwischenzeitlich wie er Teil von Joachim Löws Trainerstab - hebt allerdings auch hervor, dass Klose inmitten des Umbruchs die richtige Einstellung an den Tag lege: „Miro jammert nicht, sondern packt es an. Ich wünsche ihm, dass Caspar Jander bleibt, noch der eine oder andere Spieler dazukommt und man wieder den mutigen, begeisternden Fußball wie in der Hinrunde der vergangenen Saison sieht.“
Der zentrale Mittelfeldspieler Jander war mit seiner Dynamik zuletzt einer der wenigen Lichtblicke.
Der Anspruch in Nürnberg ist traditionell hoch, die Realität aber komplizierter. „Nach den Abgängen wichtiger Spieler war klar, dass die neue Saison nicht reibungslos anlaufen wird“, meint Köpke: „Der Anspruch ist das obere Tabellendrittel, die Wirklichkeit ist ein erneuter Umbruch mit vielen jungen Spielern.“
Dass der Club seit Jahren um sportliche Stabilität ringt, hat für Köpke eine klare Ursache: „Weil er immer wieder die wichtigsten Spieler verkauft und dann wieder von vorn anfangen muss. Neuzugänge - gerade junge - brauchen Zeit.“
Dittwar vermisst Torjäger
Ähnliche Probleme wie Köpke sieht dessen früherer Nürnberger Teamkollege Jörg Dittwar, der von 1987 bis 1994 für den FCN verteidigte - und Teil der Mannschaft war, die 1988 unter Trainer Heinz Höher Platz 5 in der Bundesliga erreichte und in den UEFA-Cup einzog. (HINTERGRUND: Das tragische Drama von Club-Rekordcoach Heinz Höher)
„Die Mannschaft ist noch nicht eingespielt. Es sind viele Neuzugänge da. Früher sind wir viel über den Kampf gekommen. Hermann Gerland (ein Jahr lang Köpkes und Dittwars Trainer in Nürnberg) hat immer gesagt: ‚Der Funke muss hoch zum Publikum springen und wieder zurück.‘ Das fehlt mir“, sagt der 62-Jährige zu SPORT1.
„Es gibt auch keine zwei, drei Spieler, die die Mannschaft führen. Keiner will Verantwortung übernehmen. Ich hoffe, die Fans haben Geduld. Ich höre, dass Klose im Training mehr läuft als die Spieler. Die neuen Spieler sind jeder für sich eine Wundertüte. Da ist keiner dabei, der zehn bis fünfzehn Tore macht.“
Tatsächlich wirkt die Mannschaft offensiv ideenlos, Tore sind Mangelware - ein altes Problem beim Club. Dittwar vermisst im Angriff vor allem Emrelis Qualitäten: „Leider fehlt er jetzt vorne drin, das merkt man deutlich. So ein Spieler ist schwer zu ersetzen. Wenn vorne einer ist, der die Dinger reinmacht, dann wächst auch das Selbstvertrauen der ganzen Mannschaft. Aber im Moment sehe ich niemanden, der diese Rolle übernehmen kann.“
Auch Dittwar macht das Problem nicht am prominenten Trainer fest - sieht ihn aber dennoch unter Druck: „Für mich ist Klose ein Glücksfall für den Club. Aber es zählen halt Siege."