2. Bundesliga>

Der "vermeintliche Schritt zurück" eines BVB-Juwels

„Bei mir ging das alles zu schnell“

Der VfL Bochum hinkt in der 2. Bundesliga den Erwartungen hinterher. Hoffnungsträger und BVB-Leihgabe Kjell Wätjen spricht im exklusiven SPORT1-Interview über den holprigen Start, die neue Ausrichtung – und warum der Hype in Dortmund nicht nur hilfreich war.
Einst brillierte Kjell Wätjen beim Debüt für Borussia Dortmund, im Sommer machte er einen kleinen Schritt zurück in die 2. Bundesliga. Im SPORT1-Interview erklärt er seine Entscheidung.
Der VfL Bochum hinkt in der 2. Bundesliga den Erwartungen hinterher. Hoffnungsträger und BVB-Leihgabe Kjell Wätjen spricht im exklusiven SPORT1-Interview über den holprigen Start, die neue Ausrichtung – und warum der Hype in Dortmund nicht nur hilfreich war.

Besser hätte sein Profidebüt nicht laufen können: Am 4. Mai 2024 stand Kjell Wätjen erstmals für Borussia Dortmund in einem Pflichtspiel auf dem Platz – mit gerade einmal 18 Jahren. Beim 5:1 gegen Augsburg, dem höchsten BVB-Sieg der Saison, überzeugte er in der ersten Elf auf ganzer Linie. Besonders emotional: Sein Assist zum 4:1 für Marco Reus – für den Spieler, mit dem er einst als Zwölfjähriger Hand in Hand ins Stadion einlief.

Der Hype um den Youngster, der seit der U10 die Jugendmannschaften des BVB durchlief, war riesengroß, der Durchbruch schien greifbar. Doch dauerhaft konnte sich Wätjen in Dortmund nicht durchsetzen und wechselte deshalb für eine Saison auf Leihbasis zum Nachbarn.

Nun will er beim VfL Bochum durchstarten – trotz schwierigem Saisonauftakt und Abstiegsangst. Warum er den Schritt in die 2. Liga trotzdem für richtig hält, was sich unter dem neuen Trainer verändert und weshalb die Erwartungen an ihn manchmal auch eine Last waren – das erklärt der Youngster im exklusiven Gespräch mit SPORT1.

Außerdem spricht der deutsche U20-Nationalspieler über seine Zukunft, die nicht zwingend beim BVB liegt.

BVB-Leihgabe Wätjen: „Ich bin startklar“

SPORT1: Herr Wätjen, Sie mussten gerade in der Länderspielpause der deutschen U20 verletzungsbedingt absagen. Wie geht es Ihnen? Was macht der Fuß?

Kjell Wätjen: Ich habe die Woche genutzt, um die Verletzung auszukurieren und mich ausgiebig behandeln zu lassen. Die Entzündung ist abgeklungen und aktuell fühlt es sich wieder sehr gut an. Ich bin startklar.

SPORT1: Sie haben mal davon berichtet, dass Sie in Dortmund auf der Straße hin und wieder, aber nicht oft, erkannt werden. Wie ergeht es Ihnen hier in Bochum?

Wätjen: Ähnlich. Obwohl ich noch gar nicht so oft in der Stadt unterwegs war. Aber es kommt immer mal wieder vor, dass ich erkannt werde.

SPORT1: Im Sommer sind Sie für ein Jahr auf Leihbasis nach Bochum gewechselt. Was zeichnet den VfL aus?

Wätjen: Die Fans, die Leidenschaft und vor allem die Menschen hier im Verein. Jeder, den ich hier kennenlernen durfte, war supernett zu mir und zuvorkommend.

„Meine Familie bedeutet mir unglaublich viel“

SPORT1: Sie sind nur wenige Autominuten von hier, in Gevelsberg, geboren. Wie wichtig war Ihnen die Nähe nach Hause?

Wätjen: Das ist mir sehr wichtig. Meine Familie gibt und bedeutet mir unglaublich viel.

SPORT1: … Trotzdem sind Sie zu Monatsbeginn zuhause ausgezogen – in Ihre erste eigene Wohnung. Wie groß ist die Umstellung?

Wätjen: Die ist schon groß. Ich muss mich jetzt selbst um alles kümmern, was meine Eltern davor für mich gemacht haben. Kochen und Putzen zum Beispiel. Aber: Ich richte gerade die Bude ein, das macht auch viel Spaß. Trotzdem ist mein Kontakt zu meiner Familie immer noch sehr eng.

SPORT1: Was nervt am meisten an der eigenen Wohnung?

Wätjen: Noch finde ich gar nichts nervig, sondern genieße das alles. Aber das kommt bestimmt noch. (lacht)

SPORT1: Mit nur drei Punkten aus acht Ligaspielen steht der VfL auf dem vorletzten Tabellenplatz. Trainer Dieter Hecking und Dirk Dufner (ehemaliger Sport-Geschäftsführer; Anm. d. Red.) mussten vor der Länderspielpause gehen. Was sind die Gründe für diesen schlechten Start?

Wätjen: Es wollte uns einfach nicht viel gelingen. Vor allem spielerisch war das zu wenig. Neben dem Platz verstehen wir uns alle sehr gut. Bislang haben wir es aber nicht geschafft, das auch auf dem Platz zu zeigen. Uns fehlten zuletzt Aggressivität und Widerstandskraft. Ich bin aber guter Dinge, dass wir das mehr und mehr hinbekommen.

„Wenn man auf die Tabelle guckt, denkt man ‚ach du Sch****‘“

SPORT1: Aktuell steckt ihr als Bundesliga-Absteiger erneut im Abstiegskampf - in Liga zwei …

Wätjen: Wenn man auf die Tabelle guckt, denkt man sich schon „ach du Sch****“. Natürlich stecken wir unten drin, aber Abstiegskampf war und ist auch weiterhin nicht unser Anspruch. Wir alle müssen uns jetzt zusammenreißen, um schnellstmöglich da rauszukommen.

SPORT1: Sie sind bislang in jedem Spiel zum Einsatz gekommen, viermal von Beginn, viermal von der Bank. Wie bewerten Sie Ihren persönlichen Start?

Wätjen: Durchaus positiv. Trotzdem glaube ich, dass ich noch viel mehr kann, als ich bislang gezeigt habe. Ich muss noch an vielen Dingen arbeiten. Aber ich komme immer besser rein, auch in der neuen Liga. In der Defensivarbeit habe ich schon einen Schritt nach vorne gemacht. Der Anfang ist getan. Jetzt muss deutlich mehr Leistung kommen. In erster Linie von mir, aber auch von allen.

SPORT1: Was gibt Ihnen Ihr neuer Trainer Uwe Rösler? Was macht er anders als sein Vorgänger?

Wätjen: Er führt viele Eins-zu-eins-Gespräche. Er gibt uns mit, wo er sowohl unsere Potenziale, aber auch Schwächen sieht. Er erklärt, was er gut findet, und fordert Feedback ein. Er vermittelt uns Aggressivität und Mentalität. Aber auch die Lust an der Offensive und am Toreschießen. Das sorgt für gute Laune im Training.

SPORT1: Sie sind zuletzt nicht nur im Zentrum, sondern auch auf der rechten Seite zum Einsatz gekommen. Wo fühlen Sie sich wohler?

Wätjen: Ich fühle mich auf beiden Positionen wohl. Auf der Acht noch ein bisschen mehr. Wo der Trainer mich genau sieht, haben wir noch nicht besprochen. Die Hauptsache für mich ist, dass ich auf dem Platz stehen kann.

SPORT1: Trotz Abstiegskampf: War der Wechsel dennoch der richtige Schritt für Ihre Entwicklung?

Wätjen: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass der VfL als Pott-Verein dasselbe vermittelt wie Borussia Dortmund: viel Aggressivität und Leidenschaft auf dem Platz. Auch hier gibt es überragende Fans. Für mich ist es schön, dass ich weiterhin in einem gewohnten Umfeld und nicht zu weit weg von zuhause bin. Mir tut das gut, weil ich ein sehr familiärer Mensch bin. Trotzdem glaube ich, dass es nicht schadet, mal rauszukommen, neue Sachen zu sehen und Verantwortung zu übernehmen. Das bringt mich auch menschlich weiter.

„Manchmal wünsche ich mir, dass es nicht so gut gelaufen wäre“

SPORT1: Anfang Mai 2024 haben Sie beim BVB Ihr Profidebüt gegen Augsburg (5:1) gefeiert. Besser hätte es nicht laufen können: Mit Ihrem Assist hatten Sie maßgeblichen Anteil am höchsten Saisonsieg. Wie blicken Sie rückblickend auf diesen furiosen Start?

Wätjen: Manchmal wünsche ich mir, dass es nicht so gut gelaufen wäre. Auch um mich selbst und die Erwartungen, die ich hatte und habe, zu bremsen. Aber ich bin trotzdem sehr glücklich darüber. Das war mit der schönste Tag in meinem Leben. Das hat riesig Spaß gemacht. Von der Nervosität vor dem Spiel über die Vorlage bis hin zum Abendessen – alles war perfekt. Jetzt gilt: viel Arbeiten, um irgendwann wieder dahinzukommen.

SPORT1: Nach Ihrem Debüt kamen nur noch drei Profieinsätze dazu. Und das, obwohl viele Fans in Ihnen schon den zweiten Nuri Sahin gesehen haben. Konnten Sie dieser Erwartungshaltung gar nicht gerecht werden?

Wätjen: Ich bin ein Mensch, der sich über viele Dinge Gedanken macht. Bei mir ging das aber alles zu schnell. Der vermeintliche Schritt zurück in die 2. Liga ist für mich einer nach vorne. Ich hoffe, dass ich mich hier gut entwickeln kann. Das ist mein Ziel.

SPORT1: Der Hype um Sie war, vor allem zu Beginn beim BVB, groß. Trotzdem wirken Sie wahnsinnig bodenständig. Wie gelingt Ihnen das?

Wätjen: Das habe ich ständig von zuhause eingetrichtert bekommen. Vor allem meine Mama, aber auch mein Papa, meine Freundin und mein Bruder haben mich geerdet und sagen mir immer wieder: Heb nicht ab und lebe im Hier und jetzt. Ich glaube, das gelingt mir ganz gut.

„Vielleicht hatte ich zu hohe Ansprüche an mich“

SPORT1: Nuri Sahin war ein großer Fan von Ihnen, betonte aber: „Ich sehe bei Kjell das gleiche Problem, das ich in meinem zweiten Profijahr hatte. Im ersten Jahr kennt dich keiner und du bist der Shootingstar und alle schwärmen und alle lieben dich. Und im zweiten Jahr musst du dann leisten.“ Hatte er Recht? Und welche Rolle hat er in Ihrer Entwicklung gespielt?

Wätjen: Da ist etwas Wahres dran. Er hat mich auf jeden Fall weitergebracht und geprägt. Gerade im Passspiel und als Typ. Ich war aber oft unzufrieden. Da sind wir wieder bei Erwartungshaltung (lacht). Vielleicht hatte ich zu hohe Ansprüche an mich.

SPORT1: Anderen hoffnungsvollen BVB-Talenten geht oder ging es ähnlich wie Ihnen. Wieso schafft es aktuell keiner der Jungen, sich in Dortmund durchzusetzen?

Wätjen: Der Kader ist brutal stark. Die Mannschaft ist auf jeder einzelnen Position sehr gut besetzt. Im Kader stehen so viele Nationalspieler. Es ist wahnsinnig schwer, sich nach der A-Jugend dort zu etablieren. Das braucht Zeit.

SPORT1: Wie ist Ihr Kontakt aktuell zum BVB?

Wätjen: Wir stehen häufig in Kontakt. Immer wieder erkundigen sich Verantwortliche aus dem Verein bei mir. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

Rückkehr zum BVB? „Final ist noch nichts“

SPORT1: Kehren Sie im Sommer sicher zum BVB zurück?

Wätjen: Ich warte jetzt erstmal ab, was hier und in Dortmund passiert. Final ist noch nichts.

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SPORT1: Vor gut einem Jahr pendelten Sie zwischen Abiturprüfungen und Champions-League-Halbfinale in Paris – eine turbulente Zeit. Wo sehen Sie sich in einem Jahr?

Wätjen: Ich würde mich gerne bei einem Verein sehen, der meine Qualitäten schätzt und bei dem ich spielen kann. Dort, wo ich meine Stärken auf den Platz bringen kann. Ob das jetzt in Dortmund ist, hier in Bochum oder woanders, kann ich nicht sagen. Das kann keiner sagen. Das Wichtigste für mich ist: Ich will spielen.

„Diese Träume treiben mich an“

SPORT1: Haben Sie einen großen Traum? Königsklasse? Nationalmannschaft?

Wätjen: Davon träumt natürlich jeder Spieler, der am Beginn seiner Karriere steht. Ich würde gerne alles erleben. Stand jetzt bin ich davon noch weit entfernt. Aber diese Träume treiben mich an. Auf jeden Fall würde ich gerne in der Bundesliga spielen. Das wäre schön.

SPORT1: Für Sie und auch für den BVB stehen am Wochenende schwierige Spiele an. Bochum gegen Hertha (Samstag, 20.30 Uhr im LIVETICKER), der BVB in München. Wie viele Punkte sind drin?

Wätjen: Sechs. Der BVB hat eine gute Phase und wir sind auch bereit. Deshalb ganz klar: Sechs Punkte sind drin!