Lothar Matthäus zeigte sich fassungslos, Oliver Kahn enttäuscht und Lionel Messi wirkte in seiner Rede fast schon entschuldigend.
Experten: Deshalb war Lewandowski chancenlos
Die Auszeichnung des Ballon d‘Or für den besten Fußballer der Welt ging nicht an Robert Lewandowski, sondern an Messi, der diese schon zum siebten Mal gewann. Ein Rekord, was aber auch schon für sechs solcher Preise galt.
Gerechtfertigt oder nicht - oder sogar ein Skandal? Diese Frage spaltet einen Tag nach der Preisverleihung, bei der Lewandowski nur der zweite Rang blieb, die Fußball-Welt. (KOMMENTAR: Lewandowskis Trostpreis ist der eigentliche Skandal)
Lewandowski hatte sich mit den meisten Toren aller Spieler im Kalenderjahr beworben - und mit dem Überbieten der vermeintlich ewigen Saisonrekordmarke von Gerd Müller in der Bundesliga. Mit der Meisterschaft in der Bundesliga hatte er zudem einen Mannschaftstitel zu bieten. Derzeit kommt der Goalgetter auf 53 Pflichtspiel-Treffer im Jahr 2021. Messi liegt bei 32.
Es stellen sich die Fragen: Kann Lewandowski den Ballon d‘Or nie gewinnen, wenn es ihm jetzt nicht gelungen ist? Und fehlt der Bundesliga womöglich die internationale Strahlkraft? War der Bayern-Stürmer also eigentlich von vornherein chancenlos?
2020 hätte Lewandowski wohl gewonnen
Zunächst einmal muss man einordnen: Es ist gut möglich, dass Lewandowski die anerkannte Auszeichnung zum besten Fußballer der Welt nie bekommen wird. Der Pole ist nun 33 Jahre alt, viele Möglichkeiten wird er nicht mehr bekommen. Und solch eine Saison muss er erst nochmal hinlegen.
Klar ist aber auch, dass Lewandowski eine Menge Pech rund um die Vergabe hatte. Im Jahr 2020 wurde nämlich kein Ballon d‘Or vergeben, was mit der Corona-Pandemie zu tun hatte. Enorm bitter, denn in diesem Jahr hätte an dem Mittelstürmer des Champions-League-Siegers kein Weg vorbeigeführt. Auch 2020 erzielte er die meisten Tore aller Spieler großer Ligen und schoss die Bayern zudem zum Triple.
„Jeder weiß, dass du letztes Jahr der Gewinner warst. Ich finde, France Football sollte dir den Preis für 2020 noch geben. Du hast ihn verdient und solltest ihn auch zu Hause haben“, sagte Messi bei seiner Rede am Montag. Er ist der zweite Grund dafür, dass es für Lewandowski unglücklich gelaufen ist.
Messis Titel mit Argentinien als entscheidender Faktor
Der Superstar gewann mit dem FC Barcelona zwar keinen einzigen Titel und schoss deutlich weniger Tore - er zeigte sich im Vergleich zum Jahr 2020 aber deutlich verbessert. Er bereitete doppelt so viele Tore vor wie Lewandowski, kreierte mehr Chancen und erzielte außerdem mehr spielentscheidende Treffer. Der Knackpunkt ist aber ein anderer: Messis Titel mit Argentinien.
Der 34-Jährige holte mit der Auswahl seines Heimatlandes die Copa América, sein erster großer Titel mit den Argentiniern. Daher fühlt sich der neuerliche Ballon d‘Or auch ein wenig wie der Lohn für seine Lebensleistung mit der Nationalmannschaft an. Lewandowski konnte in seiner Karriere mit Polen kaum Schlagzeilen schreiben, zu wenig Starspieler laufen neben ihm in der polnischen Nationalmannschaft auf.
„Im Fußball-Business stellen auch die Nationalmannschaften sowie WM, EM und Copa América Aufmerksamkeits-Plattformen dar. Argentinien und Portugal sind da immer prominent vertreten, Polen dagegen eine unterdurchschnittlich erfolgreiche Nationalmannschaft. Insofern stellt dies einen weiteren Vermarktungsvorteil von Messi und (Cristiano) Ronaldo dar“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Christoph Breuer vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln im September bei SPORT1. Ronaldo hat den Ballon d‘Or bislang fünfmal gewinnen können.
Doch neben der internationalen Fußball-Bühne stellen auch die nationalen Ligen einen wichtigen Faktor dar - immerhin sind die Stars dort fast jede Woche zu sehen. Und auch hier hat Lewandowski ein Problem.
Strahlkraft der Bundesliga wird Lewandowski zum Verhängnis
Es geht um die Strahlkraft der großen Ligen, die sehr unterschiedlich ausfällt. Die Bundesliga ist im Ranking der Top-5-Ligen weit unten angesiedelt, wenn es um das weltweite Interesse geht.
„Das ist ganz sicher ein wesentlicher Grund, warum Lewandowski den Ballon d‘Or nicht gewonnen hat. Ich merke das ja bei L‘Équipe: Da interessiert beim internationalen Fußball in erster Linie die Premier League, dann La Liga aus Spanien. Dann kommt lange nichts, dann ein bisschen Serie A und erst dann die Bundesliga“, erklärt Alexis Menuge, Deutschland-Korrespondent für unter anderem L‘Équipe und France Football, bei SPORT1. Der Journalist muss es wissen, immerhin richtet France Football den Preis jährlich aus.
Menuge glaubt, dass die geringe Strahlkraft der Bundesliga auch schon anderen Spielern beim Ballon d‘Or zum Verhängnis wurde: „Das war schon das Hauptproblem, warum Franck Ribéry 2013 und Manuel Neuer 2014 den Ballon d‘Or nicht geholt haben.“
Durch die ungleich verteilte Aufmerksamkeit für die Ligen rückt die Champions League für alle die noch mehr in den Fokus, die nicht in der englischen Premier League oder in der spanischen La Liga spielen. Und in der lief es für Lewandowski 2021 nicht optimal.
Verletzung gegen PSG als Grund?
„Lewandowski hätte im Champions-League-Viertelfinale gegen PSG nicht verletzt fehlen dürfen. Mit ihm hätte Bayern gewonnen. Ich bin mir sicher, dass die Münchner dann auch wieder den Titel geholt hätten. Und dann hätte an Lewandowski auch beim Ballon d‘Or kein Weg vorbeigeführt“, meint Menuge.
Tatsächlich dürfte es für Lewandowski schwierig sein, den Ballon d‘Or ohne einen Triumph in der Champions League zu erreichen. Ansonsten ist das Standing der Bundesliga nicht gut genug und ein Titel mit Polen zu unwahrscheinlich.
Die Auszeichnung für Lewandowski zum besten Stürmer des Jahres ist eher als Trostpreis zu verstehen. Doch der Pole wird sich nicht damit zufriedengeben, auch wenn er trotz Enttäuschung einen souveränen Auftritt bei der Entgegennahme des Preises lieferte.
In der aktuellen Spielzeit wird er einen neuen Anlauf des FC Bayern auf den Henkelpott anführen. Und das Toreschießen hat er schließlich nicht verlernt.
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