„Wir beweisen, dass Sportvereine den Kampf gegen den Klimawandel anführen können.“ So selbstbewusst spricht der Präsident der Forest Green Rovers, Dale Vince, über die Erfolgsgeschichte seines Vereins.
Ein Fußballzwerg revolutioniert den Profisport
Die hat nun ein neues Kapitel geschrieben, denn sie sind in die dritte englische Liga aufgestiegen. Noch nie hat so ein kleiner Verein in England in der sogenannten Football League One gespielt.
Das 0:0 gegen die Bristol Rovers am vergangenen Spieltag reichte, um den Aufstieg perfekt zu machen. Im Anschluss daran folgte eine wilde Party. Trainer Rob Edwards sagte dazu: „Lasst uns diesen Moment genießen.“
Meisterschaft noch in Reichweite
45 der 46 Spieltage sind absolviert und die Rovers kämpfen noch um die Meisterschaft in der League Two. Es wäre die Kirsche auf der Sahne. Am Samstag verloren sie die Tabellenführung an Exeter City.
Forest Green kassierte in Spiel eins nach dem gesicherten Aufstieg eine 1:3-Niederlage gegen Harrogate Town. Hingegen fuhr Exeter einen Zähler ein, dank dem sie nun auf Rang eins verweilen.
Damit entscheidet sich am kommenden Wochenende, wer die Meisterschale in die Höhe reißen darf. Aber egal wer, das Forest-Green-Rovers-Märchen ist bereits geschrieben.
Erster klimaneutraler Verein der Welt
Der noch Viertligist wurde von den Vereinten Nationen als erster klimaneutraler Fußballverein der Welt zertifiziert und hat eine ganze Reihe von Maßnahmen umgesetzt, um seinen CO2-Abdruck so gering wie möglich zu halten.
Die Verwendung von hundert Prozent Ökostrom oder ausschließlich veganen Gerichten für Spieler und Fans sind da nur der Anfang. Denn Einwegplastik finden die Zuschauer im New Lawn, dem Stadion der Forest Green Rovers, ebenso wenig wie tierische Produkte.
Zu seinen Auswärtsspielen fährt der Klub in einem emissionsfreien Elektrobus, gespielt wird seit neuestem in Trikots aus recyceltem Plastik und Kaffeesatz.
Klimaschutz steht bei Forest Green an erster Stelle
Sogar der Rasen bekommt eine Sonderbehandlung, wird von solarbetriebenen Rasenmähern gepflegt, mit eingefangenem Regenwasser bewässert und kommt ohne Unkrautvernichtungsmittel aus.
Fast alles wird bei Forest Green dem Klimaschutz untergeordnet.
Das nächste Projekt könnte dem Ganzen noch die Krone aufsetzen und steht bereits in den Startlöchern: Ein neues Stadion soll gebaut werden, genauer gesagt der ‚Eco-Park‘. Komplett aus Holz, umgeben von einer Parklandschaft mit 500 Bäumen und gut 1,8 Kilometer Hecke soll der Fußballtempel etwa 5.000 Besuchern Platz bieten.
Maßgeblich für all diese Entwicklungen verantwortlich ist vor allem ein Mann: Dale Vince.
Der Mann hinter dem Erfolg: Dale Vince
Die Geschichte des Selfmade-Milliardärs liest sich wie die eines verrückten Genies: Mit 15 Jahren verließ der Brite die Schule, verbrachte seine Zeit mit Gelegenheitsjobs und der Arbeit an Umweltkampagnen, um schließlich mit ‚Ecotricity‘ sein eigenes Unternehmen zu gründen, das sein Geld mit Ökostrom aus Windkraft verdient.
Vom Guardian als ‚Großbritanniens reichster Hippie‘ bezeichnet, brachte der überzeugte Veganer seine Werte mit in den Verein aus Nailsworth und rettete den Klub aus dem Südwesten Englands vor gut elf Jahren vor dem Bankrott.
Seither hat er den Verein einem radikalen Kurswechsel unterzogen: Weg vom kommerziellen Einheitsbrei, hin zum Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz, ganz nach seiner eigenen Philosophie.
„Wir wussten, dass wir ein Publikum ansprechen würden, das von dieser Art von Botschaften nahezu unberührt ist. Doch genau das war die Chance“, erzählte der 60-Jährige in ABC Sporty über seine Ankunft in Nailsworth. „Gleich am ersten Tag, als ich für den Verein verantwortlich war, wurde mir klar, dass es eine Menge Dinge gab, die mir nicht gefielen.“
Vieles wollte der Geschäftsmann bei Forest Green verändern, das meiste konnte er umsetzen.
Radikale Maßnahme bei Heimspielen
Zum Beispiel unkonventionelle Bandenwerbung: Seit Neuestem erscheinen auf den Werbebanden des Klubs nämlich keine herkömmlichen Reklamebotschaften, sondern Fakten und Zahlen zum Verbrauch von fossilen Brennstoffen, Plastik und anderen Themen.
Gezeigt wird unter anderem, wie viele Tiere seit dem Anpfiff für Lebensmittel geschlachtet oder wie viele Plastikflaschen Wasser verkauft wurden. Das Publikum wird diesen Informationen in gleichem Maße ausgesetzt wie sonst normaler Werbung in anderen Stadien.
Dass dieses Konzept bei einigen Zuschauern auf Ablehnung stoßen könnte, nimmt Dale Vince dabei in Kauf: „Einigen Leuten gefällt vielleicht nicht, was sie sehen, aber das ist keine Werbung, sondern es sind nur Fakten. Und wenn es Ihnen wirklich nicht gefällt, ändern Sie Ihren Lebensstil - ärgern Sie sich nicht über die Realität“, erklärte er im Guardian.
Ex-Arsenal-Star Hector Bellerin mischt mit
Für manchen Betrachter ein radikaler Weg, der jedoch zunehmend Unterstützung erfährt. So auch von Hector Bellerin, der seit einem Jahr zweitgrößter Anteilseigner des Vereins ist. „Forest Green zeigt anderen, wie es gehen kann. Viele Menschen haben das Gefühl, dass es keine Lösungen für die Probleme der Welt gibt, aber Forest Green tut bereits einiges“, äußerte sich der Ex-Arsenal-Profi - nun aktiv für Real Betis in Sevilla - zu den Beweggründen seiner Entscheidung bei These Football Times.
Gleichzeitig weiß der Außenverteidiger auch, dass es für einen Fußballverein am Ende vor allem darauf ankommt, Erfolge zu erzielen.
Doch sportlichen Erfolg und Nachhaltigkeit sieht Dale Vince nicht als Widerspruch. Stattdessen appelliert der Brite an die gesellschaftliche Verantwortung des Fußballs: „Der Fußball hat mit Rassismus, Sexismus und all diesen gesellschaftlichen Themen zu tun, und das völlig zu Recht. Die Umwelt ist wohl das größte Problem, mit dem wir konfrontiert sind, und es ist richtig, dass wir dazu Stellung beziehen.“
Eine Philosophie, die auch auf die Kicker auf dem Platz ausstrahlt. Wie auf Mittelfeldspieler Nicky Cadden: Der Mittelfeldspieler wechselte Anfang 2020 aus Schottland zu Forest Green und hatte zuvor wenig Ambitionen, sich mit seiner Ernährung und dem Klimawandel zu beschäftigen.
Das änderte sich jedoch mit seinem Transfer zum englischen Viertligisten, wie er der BBC sagte: „Es hat mich zum Nachdenken gebracht, was ich esse und was ich meinem Körper zuführe. Ich habe mich seit meiner Ankunft intensiv mit dem Thema Ernährung und Klima auseinandergesetzt und hätte nie gedacht, dass der Klimawandel so eine große Sache ist.“
Premier League will klimaneutral werden
Wann andere Vereine dem Beispiel der Forest Green Rovers folgen, ist indes nur noch eine Frage der Zeit. Erst Mitte Oktober gab die English Football League (EFL) bekannt, sich mit dem Umweltzertifizierungssystem GreenCode zusammen zu schließen, um ihre Ligen, nämlich die Spielklassen zwei bis vier in England, nachhaltiger zu gestalten.
Dabei sollen die Vereine bewusst auf das Know-How von Forest Green zurückgreifen und finanzielle Mittel bereitgestellt bekommen, um an dem Programm „EFL Green Clubs“ teilnehmen zu können. Ziel des Projekts ist, die Vereine dabei zu unterstützen, sich nachhaltiger aufzustellen und konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Abdrucks umzusetzen.
Daneben hat sich auch die große Premier League gemeinsam mit der Fifa jüngst dazu verpflichtet, bis 2040 klimaneutral zu werden.
Das Spiel Tottenham Hotspurs gegen den FC Chelsea am 19. September wurde von der Premier League als erstes „klimaneutrales Fußballspiel im Profibereich“ bezeichnet. Die Organisatoren versuchten durch umweltfreundliche Verpflegungsmöglichkeiten der Fans, Stadionstrom mit erneuerbaren Energien und klimaneutraler Anreise der Mannschaften, Emissionen zu minimieren.
Ein Anfang, den Vorreiter Vince als positives Zeichen wertet: „Die Idee ist, die gesamte Welt des Sports einzubeziehen und über sie die gesamte Welt der Sportfans, Milliarden von Menschen, zu erreichen und sie in den Kampf gegen die Klimakrise einzubeziehen.“
Ob Forest Green eines Tages selbst in einer klimaneutralen Premier League spielen wird, steht derzeit noch in den Sternen. Sportlich jedenfalls läuft es beim Klub aus der englischen Provinz. Der Viertligist führt nach 15 Spieltagen die Tabelle der League Two an und stellt mit 27 Toren die beste Offensive der Liga.
Mit etwas Glück und viel Leidenschaft könnte der Sprung zu den Größen des englischen Fußballs also nur noch eine Frage von wenigen Jahren sein. Neben dem Platz sind sie ihnen jedenfalls schon weit voraus.