Thomas Brdaric gehört zu den Menschen, die behaupten können, im Fußball so ziemlich alles gesehen zu haben.
Die filmreife Reise eines Ex-DFB-Stars
In seiner aktiven Zeit spielte der ehemalige deutsche Nationalspieler ausschließlich in Deutschland unter anderem für Bayer Leverkusen, Hannover 96 und den VfL Wolfsburg. Als Trainer entschied er sich dafür das Abenteuer zu suchen.
Seit dem Januar 2017 war er bei Shkendija Tetovo, einem Verein in Nordmazedonien, unterwegs. Dort wurde er mit der Mannschaft Vizemeister und erreichte das Pokalfinale. Doch kurz vor dem Finale musste der 48-jährige das Land verlassen. Es war nicht die erste ungewöhnliche Auslandsstation für den gebürtigen Nürtinger.
Nach ersten Trainerstationen bei Union Solingen und der U19 des KFC Uerdingen wechselte Brdaric als Sportdirektor in die Ukraine zu Dinamo Minsk. Nach nur vier Monaten zog es ihn in gleicher Position weiter nach Usbekistan zu Bunyodkor Tashkent. Auch dort war es mit rund sieben Monaten nur eine kurze Amtszeit.
Rückkehr nach Deutschland und Flucht aus Nordmazedonien
Nach diesen turbulenten Monaten zog es ihn wieder zurück nach Deutschland, wo er als Trainer bei der TSG Neustrelitz, dem VfL Wolfsburg II und TSV Steinbach weiter Erfahrung sammelte. Doch nach knapp drei Jahren in Deutschland richtete der ehemalige Mittelstürmer seinen Blick wieder in die Ferne. Diesmal eben nach Nordmazedonien, wo er einmal mehr nach vier Monaten - trotz sportlicher Erfolge - schon wieder die Zelte abbrechen musste.
„Aufgrund der politischen Situation wurde es zu gefährlich, eine Eskalation stand kurz bevor. An meinem letzten Tag bin ich durch Tetovo gelaufen und habe zugeschaut, wie die Ladenbesitzer ihre Geschäfte verbarrikadiert haben. Es war sehr traurig, dass ich das Finale nicht mehr spielen konnte“, sagte Brdaric im Gespräch mit SPOX.
Nach zwei weiteren Stationen in Deutschland bei Tennis Borussia Berlin und Rot-Weiß Erfurt in der Regionalliga ging es für den achtfachen Nationalspieler nach Albanien. Dort übernahm der 48-jährige den Traditionsverein KS Vllaznia Shkodra, den er von 2020 bis 2022 trainierte. Auch hier konnte er abermals einen großen Erfolg feiern, den albanischen Pokal-Sieg.
„Das war eine tolle Erfahrung und hat meinen Horizont unfassbar erweitert“
Für Brdaric hat sich in dieser Zeit eine besondere Beziehung zu dem Verein entwickelt: „Die Fans sind komplett abgegangen. Wenn wir auch noch Meister geworden wären, dann wäre Shkodra explodiert. Dann hätten sich alle Fans bis Ultimo abgeschossen. Ich weiß nicht, ob die dann nochmal wach geworden wären. Es hat mir dort sehr gut gefallen. Ich liebe Shkodra.“
Die verrückte Reise endete aber nicht in Albanien, sondern ging im Juni 2022 noch weiter in die Ferne. Der achtmalige deutsche Nationalspieler landete beim Chennaiyin FC in der ersten indischen Liga.
Die Erfahrung in Indien wurde für Brdaric unglaublich lehrreich: „Ich musste mit Widrigkeiten umgehen, die man aus Europa nicht kennt. Außerdem habe ich gelernt, geduldiger zu sein. (...) Indien ist ein Land der krassen Gegensätze. Ich habe in einem Fünf-Sterne-Hotel gelebt, während draußen vor der Türe unglaublich viele Menschen auf der Straße leben. Es ist schwer, das auszublenden. Aber das muss man schaffen.“
Die Trainingsbedingungen sind nicht mal ansatzweise mit dem europäischen Standard zu vergleichen: „Das Wetter ist immer warm und schwül. Weil wir kein Flutlicht am Trainingsgelände hatten, mussten wir am späten Nachmittag noch vor Einbruch der Dämmerung trainieren. Da stand ich teilweise bei 40 Grad auf dem Platz. Dann der Verkehr, kürzeste Distanzen dauern sehr lange. Wegen des permanenten Stop and Go kommt man durchgeschüttelt beim Training an.“
Durchwachsener sportlicher Erfolg und auslaufender Vertrag
An die Erfolge in Nordmazedonien und Albanien konnte er mit dem Chennaiyin FC nicht ganz anschließen. Die Indian Super League beendete der zweimalige Meister auf Rang acht. Im indischen Pokal-Wettbewerb Durand Cup war im Viertelfinale nach einer Niederlage im Elfmeterschießen gegen Mumbay City Schluss. Im indischen Hero Super Cup scheiterte man bereits in der Gruppenphase.
Der Vertrag des deutschen Trainers in Chennaiyin, bis 1996 noch als Madras bekannt im Südosten des indischen Subkontinents liegend, läuft Ende Mai 2023 aus.
Ob die verrückte Reise des Thomas Brdaric in Indien weitergeht oder vielleicht eine Rückkehr nach Deutschland ansteht, ist unklar. Doch so wie der ehemalige Nationalspieler seine bisherigen Stationen gewählt hat, ist es höchst unwahrscheinlich, dass man den 48-jährigen in absehbarer Zeit in der Bundesliga sehen wird.