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Beleidigungen aller Art im Männerfußball? "Teil der Folklore"

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Beleidigungen? „Teil der Folklore“

Im Podcast „Flutlicht an!“ mit Mara Pfeiffer spricht die Ethnologin Rachel Etse über die Beleidigungsstruktur im deutschen Männerfußball - und warum Beleidigungen offenbar stark akzeptiert werden.
Rachel Etse ist Ethnologin und beschäftigt sich mit der "Beleidigungskultur im deutschen Männerfußball"
Rachel Etse ist Ethnologin und beschäftigt sich mit der "Beleidigungskultur im deutschen Männerfußball"
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Im Podcast „Flutlicht an!“ mit Mara Pfeiffer spricht die Ethnologin Rachel Etse über die Beleidigungsstruktur im deutschen Männerfußball - und warum Beleidigungen offenbar stark akzeptiert werden.

„Ich hatte mit Fußball vorher nichts am Hut“, sagt Rachel Etse im Rückblick auf das Jahr 2021. Da beschloss die Ethnologin, sich im Rahmen ihrer Masterarbeit mit der „Beleidigungskultur im deutschen Männerfußball“ auseinanderzusetzen.

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Drei Ereignisse waren seinerzeit binnen weniger Monate zusammengekommen: Etse sah den Film „Schwarzer Adler“, der sich mit Rassismuserfahrungen Schwarzer Nationalspieler*innen auseinandersetzt. Bukayo Saka, Marcus Rashford und Jadon Sancho vergaben ihre Elfmeter im Endspiel der Fußball-EM und wurden anschließend rassistisch massiv angefeindet.

Rassismus im Fußball weit verbreitet

Und in der 3. Liga war mit der Partie des MSV Duisburg gegen den VfL Osnabrück erstmals ein Spiel aufgrund rassistischer Beleidigungen (gegen Duisburgs Aaron Opoku) abgebrochen worden. Der Spielabbruch ist die letzte Stufe des so genannten Drei-Stufen-Plans.

Etse, deren Themen im Studium bis da unter anderem Rassismus, Kolonialismus und westliche Afrikabilder waren, wollte mehr darüber erfahren, wie diese Strukturen auch in den Fußball wirken und warum Beleidigungen hier offenbar stark akzeptiert sind.

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„Es gehört einfach dazu“ ist denn auch eine Aussage, die sie häufig zu hören bekommt bei ihren ethnographischen Feldstudien. Beleidigungen aller Art würden bei vielen Fans von der Kreisklasse bis in die Bundesliga als „Teil der Folklore“ betrachtet. Auch dann, wenn sie dem Bereich Diskriminierung zuzuordnen seien. Die Ethnologin bleibt daraufhin thematisch am Ball, sprichwörtlich.

Eine Auseinandersetzung damit, was die selbstverständlichen Diskriminierungen bedeuten für die Lebensrealität der Betroffenen, fehle oftmals, erläutert sie. Für Etse ist die Verknüpfung zu ihrem Studienthema Kolonialismus eine offensichtliche: Weil der in Deutschland mangelhaft aufgearbeitet sei, lebten Zerrbilder daraus weiter. Eine „Aufarbeitung der Schmerzerfahrung“ sowie die „Übernahme der Verantwortung“ fehlten bis heute.

Im Fußball hat sich zuletzt Autor Ronny Blaschke mit „Spielfeld der Herrenmenschen“ diesem Thema gewidmet. „Ich fand es so wichtig, dass dieses Buch veröffentlicht wird“, sagt Etse, die mit dem Autor auch einige Veranstaltungen bestritten hat. Natürlich könne man kritisch dazu diskutieren, dass ein Weißer das Buch geschrieben hat. Wertvoll werde es aber gerade durch die vielen Gespräche, die Blaschke mit Betroffenen geführt hat, um ihre Sicht aufzuzeigen.

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„Da gibt es bestimmte Narrative, was weiblich ist und was nicht“

Ein aus der Kolonialzeit erhaltener Aspekt, der im Sport eine Rolle spielt, sei die Reduzierung Schwarzer Personen aufs Körperliche, sagt die Ethnologin. „Wenn es um Körperbilder geht, gibt es auch eurozentristische Bilder, wie Körper von Frauen sein sollen. Da gibt es bestimmte Narrative, was weiblich ist und was nicht.“ Darin stecke ebenfalls eindeutiger Rassismus.

Ohne eine Aufarbeitung dieser Themen könne Sport nie wirklich inklusiv sein, betont Etse: „Aus meiner Perspektive müssen wir aufhören, uns selbst zu erzählen was für eine tolle, verbindende Kraft der Sport hat.“ Die Frage, die gestellt werden müsse, sei: Wen möchte der Sport eigentlich verbinden? Und wen womöglich auch nicht. So lange noch viele Menschen Diskriminierungserfahrungen machten und innerhalb der Strukturen des Sports ignoriert und abgewertet werden, gelte für seine vermeintlich verbindende Kraft: „Es ist ein Mythos, weil es auch das perfekte Werkzeug ist, um auszugrenzen und Trennung herzustellen.“