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Sportvereine zwischen 1933 und 1945: Die Lücke im System

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Die Lücke im System

Historikerin Franziska Kaiser erzählt über die Sportkultur zwischen der Weimarer Republik und der NS-Diktatur. Die „Flutlicht an!“-Porträt-Kolumne #94.
Franziska Kaiser beschäftigte sich mit der Sportvereinskultur in der NS-Zeit
Franziska Kaiser beschäftigte sich mit der Sportvereinskultur in der NS-Zeit
© Mara Pfeiffer
Historikerin Franziska Kaiser erzählt über die Sportkultur zwischen der Weimarer Republik und der NS-Diktatur. Die „Flutlicht an!“-Porträt-Kolumne #94.

Manchmal muss man zweimal hinschauen, um eine Quelle zu verstehen. So ging es auch Historikerin Franziska Kaiser, als sie für ihre Masterarbeit recherchierte. Darin widmet sie sich der „Sportvereinskultur zwischen Weimarer Republik und NS-Diktatur“ am Beispiel der Region Mainz und Rheinhessen. Und da kam es schon mal vor, dass sie beim Betrachten einer Fotoabfolge von Turner*innen kurz stutzte.

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Um schließlich zu erkennen, auf der großen Flagge im Bildhintergrund wurde nachträglich das Hakenkreuz mit dem Kugelschreiber ausgemalt, um es so gut wie möglich unsichtbar zu machen. Nur eines von vielen Beispielen, erzählt Kaiser, das zeige, warum es so wichtig ist, bei einer historischen Arbeit quellenkritisch zu sein. Denn wer Zugang hatte zu Daten, hat womöglich auch ein Interesse daran, das eine oder andere verschwinden zu lassen.

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Kaiser promoviert derzeit an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zu Zeitgeschichte. Hier hat sie Sport und Geschichte studiert und sich im Master den Themen in Kombination gewidmet. Es habe sie interessiert, erzählt die Sportwissenschaftlerin, wie sich Milieus und Haltungen im Sport entwickelt haben. Um beispielsweise zu verstehen, was Sport womöglich besonders anschlussfähig gemacht hat für die Ideologie der Nazis, müsse man weiter in die Vergangenheit zurückgehen. Nur so ließen sich – auch lokale – Entwicklungen verstehen.

Vereinssport: Lücken zwischen 1933 und 1945

Die Frage, warum der Vereinssport, einerseits ein Treffpunkt, Ort der Gemeinschaft, an dem persönliche Beziehungen zentral sind, mit dem Machtbeginn Hitlers bereits in vorauseilendem Gehorsam Jüd*innen ausgeschlossen hat, war eine, die Kaiser umtrieb. Chroniken lieferten da nicht groß Aufschluss, erzählt sie von lückenhafter und verfälschter Geschichtsschreibung in den Jahren zwischen 1933 und 1945: „Da ist manchmal einfach eine Lücke.“ Zusätzlich würden in späteren Registern ehemalige jüdische Mitglieder nachträglich getilgt.

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Ansonsten sei, wenn überhaupt, die Rede vom Krieg, der Verein werde dargestellt als Opfer – unter anderem, weil man so viele Mitglieder verloren habe. Gemeint sind damit in der Zeit ab 1933 zunächst die ausgeschlossenen Jüd*innen, oft auch Geldgeber*innen, die mit saloppen Abschiedsnotizen bedankt und vor die Tür gesetzt werden. Historisch wird von einer Selbst-Gleichschaltung gesprochen, die natürlich nicht nur in Vereinen stattgefunden hat.

Verbindung zwischen den Menschen durch den Sport

Zwar habe, sagt Kaiser, der Sportboom nach dem Erste Weltkrieg Menschen über verschiedene Milieus hinweg verbunden. An sich seien diese aber sehr stark ausgeprägt gewesen mit einem bürgerlichen Sportmilieu, in sich sehr heterogen mit Einstellungen von nationalkonservativ bis liberal hin zu christlich, den jüdischen Vereinen sowie dem Arbeiter*innensport.

Speziell im bürgerlichen Milieu sei Antisemitismus historisch verankert gewesen, sagt Kaiser und betont, wie wichtig es ist, zu erkennen, dass die Ideologie der Nazis nicht aus dem Nichts gekommen sei. Nach dem Ausschluss der Jüd*innen, die zu einem großen Anteil vor 1933 nicht in den jüdischen Vereinen gewesen war, und dem Verbot des Arbeiter*innensports, konnte diese Einstellung sich im Sport dann ungehindert Bahn brechen.

Ist heute davon die Rede, ob oder dass Vereine ihre Geschichte aufgearbeitet haben, meint das auch bei den Profifußballklubs der Bundesliga vor allem Gedenken an die Opfer, sprich: Erinnerungskultur. So wichtig die fraglos ist, fehlt auf der anderen Seite noch viel zu sehr die Auseinandersetzung mit Täter*innenschaft auch in den Sportklubs. Die aber wäre nötig, um aus der Geschichte überhaupt lernen zu können. Denn Demokratie war, ist und bleibt fragil – und muss immer wieder verteidigt werden, wie auch die neuere Geschichte beweist.