Bei Sampdoria Genua würde man wohl am liebsten die Zeit um etwa 35 Jahre zurückdrehen wollen. Denn die späten 80er- und frühen 90er-Jahre gehören zur wohl besten Zeit des Traditionsklubs aus dem Nordwesten Italiens. Doch heute sieht die Realität ganz anders aus.
Der Absturz eines einstigen Giganten
Während damals das kongeniale Stürmerduo aus den Vereinslegenden Roberto Mancini und Gianluca Vialli über den Platz wirbelte, wirbelt in der aktuellen Saison nicht einmal ein kleines Lüftchen - und der Abstieg in die Serie C rückt immer näher.
Denn: Sampdoria steht mit 32 Punkten aus 31 Spielen nur auf Rang 17 der Serie B, dem ersten Nichtabstiegsplatz und punktgleich mit Platz 18. Dennoch müssten sie Stand jetzt in die Abstiegs-Playoffs. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Die wenigsten Siege der Liga
Aktuell ist die Erklärung einfach, Genua gewinnt schlichtweg zu wenig Spiele. Lediglich sechs Siege haben sie auf dem Konto, zusammen mit dem Tabellenletzten Cosenza Calcio die wenigsten der gesamten Liga. Kurios: Mit elf Niederlagen haben sie nicht mehr Spiele verloren als der Palermo FC, der auf Rang sieben liegt.
Eine Statistik, die die Krise untermauert: Seit Ende Oktober holte die Mannschaft unter zwei verschiedenen Trainern gerade einmal zwei Siege, blieb zwischenzeitlich gar 13 Spiele ohne einen Dreier, diese Serie steht aktuell wieder bei sechs Partien. Die Konsequenz: Mitte Dezember musste Trainer Andrea Sottil seinen Platz räumen, für ihn übernahm Leonardo Semplici.
Doch auch unter dem neuen Trainer gelingt der Mannschaft wenig, nach der letzten Niederlage gegen Frosinone Calcio (0:3) am Samstag hatten die Fans genug und gingen auf die Barrikaden. Wie die Gazzetta dello Sport berichtete, haben einige Unruhestifter den Mannschaftsbus überfallen und Rauchbomben sowie Steine geworfen.
Schon im September waren die Fans von Sampdoria negativ aufgefallen. Vor dem Derby gegen den FC Genua kam es zu Krawallen, als Konsequenz gab es ein Geisterspiel.
Die aktuelle sportliche Lage ist der Tiefpunkt eines Teams, das tief in der Krise steckt. Von einer Mannschaft „ohne Seele, ohne Anführer und ohne eine auf Augenhöhe befindlichen Unternehmensstruktur“ schrieb die Gazzetta.
„Ein Abstieg in die Serie C ist nach all den Bemühungen, den Verein zu erhalten, undenkbar“, zitierte die BBC den italienischen Journalisten David Ferrini. Nach dem Abstieg kaufte der italienische Unternehmer Matteo Manfredi den Verein und wurde im März 2024 zum Präsidenten des Vereins gewählt.
„Manfredi wird nicht als der Besitzer in die Geschichte eingehen wollen, der den Verein in die dritte Liga geführt hat“, so Ferrini zur prekären Situation des Vereins.
Pirlo als „wichtiges Teil des Projekts“
Dabei lief die Vorsaison nicht schlecht, mit Andrea Pirlo stand eine Legende am Seitenrand und führte die Blucerchiati (Blauumrahmten) nach dem krachenden Abstieg aus der Serie A im Jahr zuvor (Letzter Platz, nur drei Siege in der gesamten Saison) zu einem siebten Platz inklusive Aufstiegs-Playoffs.
Diese gingen allerdings verloren und Pirlo wurde schlussendlich blitzartig gefeuert, nachdem er aus den ersten drei Ligaspielen nur einen Punkt geholt hatte.
Einen Monat vor dem Ausscheiden von Sampdoria in den Playoffs hatte Manfredi Pirlo noch als „einen wichtigen Teil des Projekts“ bezeichnet.
Sampdoria: Goldene Zeiten in den 80er- und 90er-Jahren
Besonders den langjährigen Fans dürfte ein Abstieg schmerzen, schließlich haben diese schon deutlich bessere Zeiten erlebt.
Unweigerlich mit den früheren Erfolgen verbunden sind vor allem die „Tor-Zwillinge“ Roberto Mancini und Gianluca Vialli. Acht Jahre spielten die beiden gemeinsam in Genua, prägten dort die erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte und liegen bis heute auf Platz eins (Mancini) und zwei (Vialli) der besten Torschützen.
Genua wurde viermal italienischer Pokalsieger (1985, -88, -89 und 94) und 1991 zum ersten und bislang einzigen Mal italienischer Meister. Torschützenkönig wurde damals Vialli.
Ein Jahr zuvor gewann Genua den Europapokal der Pokalsieger, stand 1992 beim 0:1 gegen Barcelona im letzten Finale des Europapokals der Landesmeister (Vorgänger der Champions League).
Stars wie Klinsmann und Seedorf spielten für Genua
Auch in den Jahren danach spielten prominente Namen wie David Platt (1993 - 95), Clarence Seedorf (95/96), Christian Karembeu (95 - 97), Juan Sebastian Veron (96 - 98) oder auch Jürgen Klinsmann (97/98) im Nordwesten Italiens.
Doch die mit Stars bespickten Teams konnten nicht an die Erfolge der vergangenen Jahre anknüpfen. Nach und nach verließen die großen Namen den Verein und noch vor der Jahrtausendwende folgte der Abstieg in die Serie B.
Nach dem Wiederaufstieg 2003 hielt sich Sampdoria, mit einem Ausrutscher 2011/2012, zunächst konstant im italienischen Oberhaus. Dann folgte 2023 der Abstieg in die Serie B, wo der Klub aktuell noch spielt.
Die Frage ist womöglich, wie lange noch. Denn langsam aber sicher taumelt der einstige Traditionsverein einem historischen Abstieg entgegen.