Finalheld Andreas Brehme lebt nicht mehr. Auch sein tragisches Gegenüber Diego Maradona, Weltmeister-Teamchef Franz Beckenbauer, Turnier-Torschützenkönig Salvatore „Toto“ Schillaci.
Vergessener Held mit tragischem Ende
Die Erinnerung an die legendäre WM 1990, die sich in diesen Tagen zum 35. Mal jährt, ist zunehmend eine bittersüße. Das gilt auch für die märchenhafte Geschichte, die genau heute vor dreieinhalb Jahrzehnten ihr Ende nahm.
Kamerun bei der WM 1990: Roger Millas legendäres Märchen
Am 1. Juli 1990 stieg neben dem deutschen Halbfinal-Einzug gegen die damalige Tschechoslowakei auch das abschließende Viertelfinale zwischen England und Kamerun.
Die „unbezähmbaren Löwen“ um den damals 38 Jahre alten Torjäger Roger Milla waren die Sensation des Turniers, Millas Tänze um die Eckfahne nach seinen Torerfolgen wurden zu einem ikonischen Bild der WM, das auch Jahrzehnte später unvergessen ist.
Unter der Regie des russischen Trainers Waleri Nepomnjaschtschi schockte der Afrikameister von 1988 Titelverteidiger Argentinien um Superstar Maradona mit einem 1:0-Erfolg und drang schließlich bis ins Viertelfinale vor – als erste afrikanische Mannschaft überhaupt.
Der viermalige Torschütze Milla stand bei der historischen Errungenschaft im Scheinwerferlicht, aber auch andere, heute eher vergessene Helden, spielten eine tragende Rolle: Francois Omam-Biyik etwa, der Siegtorschütze gegen Argentinien – oder auch Rechtsverteidiger Stephen Tataw.
Kapitän Tataw hielt Kultstürmer den Rücken frei
Tataw, geboren am 31. März 1963 in der Metropole Yaoundé, war der Kapitän und Leader des Überraschungsteams. Er organisierte auf dem Platz das Kollektiv und schuf so den Raum für Millas individuelle Geniestreiche.
Schon beim Gewinn der Afrikameisterschaft war Tataw dabei, die WM zwei Jahre später wurde zum Karrierehöhepunkt für den Abwehrmann, damals aktiv für das kamerunische Vorzeigeteam Tonnerre Yaoundé (fünfmal Landesmeister in den Achtzigern).
Getragen von der Euphorie nach dem Auftaktsieg über Maradona und Co., rang Kamerun im zweiten Gruppenspiel auch Rumänien mit Regisseur Gheorghe Hagi mit 2:1 nieder, dank eines Doppelpacks von Milla. Dass es am Ende eine 0:4-Klatsche gegen die Sowjetunion von Traineridol Walerij Lobanowskyj gab, fiel nicht mehr ins Gewicht.
Gary Lineker beendete den Sensationslauf
Im Achtelfinale gab es die nächste Begegnung mit einem legendär besetzten Team: Kolumbien mit Torhüter-Exzentriker René Higuita und den wallenden Haaren von Carlos Valderrama. Auch diesmal machte ein Doppelpack Millas den Unterschied – 2:1 in der Verlängerung.
Gegen England stand Kamerun dann an der Schwelle zur nächsten Sensation: Bis zur 83. Minute führten die Löwen im Stadio San Paolo zu Neapel – Libero Emmanuel Kundé und der eingewechselte Eugène Ekèké hatten die frühe Führung von David Platt in ein 2:1 gedreht.
Zwei verwandelte Foulelfmeter von Gary Lineker sorgten dann jedoch erst für die Verlängerung, dann für den K.o. Kameruns – es änderte nichts am denkwürdigen Charakter des vorherigen Triumphzugs.
Ruhmloses Aus bei der WM 1994
Tataw war auch vier Jahre später Kameruns Kapitän, als die Löwen bei der WM 1994 in den USA einen weiteren Coup ins Visier nahmen – der inzwischen 42 Jahre alte Milla war immer noch dabei. Diesmal jedoch ging das Team in der Vorrunde sieglos unter.
Es war der letzte Auftritt Tataws auf der Weltbühne: In Europa spielte er nie, bei einem Probetraining bei den Queens Park Rangers nach der WM 1990 überzeugte er zwar – der englische Erstligist hatte aber schon einen Rechtsverteidiger.
Tataw sorgte stattdessen fünf Jahre später für ein Novum, als er als erster Afrikaner nach Japan wechselte und seinen Klub Tosu Futures - vergeblich - in die erstklassige J-League zu führen versuchte. Als das Team wegen des Rückzug seines Hauptsponsors zerfiel, beendete Tataw seine Karriere, als er keinen neuen Klub fand.
Tragischer Tod im Jahr 2020
International war Tataw da schon längst aus dem Blickfeld verschwunden, in der Heimat Kamerun blieb er präsent: 2018 zählte er zum Bewerberkreis um den damals vakanten Job als Nationaltrainer.
Zwei Jahre später erschütterte die Nachricht vom frühen Tod Tataws die Nation: Tataw starb am 31. Juli 2020 während der Corona-Pandemie „an den Folgen einer schweren Krankheit“, wie der Verband mitteilte.
Stephen Tataw, der Anführer des Sensationsteams um Roger Milla, wurde nur 57 Jahre alt.