Roboter als Platzanweiser. Drohnen, die den Fußballfans das Essen an ihren Platz liefern. Und ein Stadion, das sich auf einem hunderte Meter hohen künstlichen Plateau befindet.
Gruselige Utopie könnte wahr werden
Was sich anhört wie Szenarien aus einem Science-Fiction-Film, könnte eines Tages Realität werden. Willkommen zur besonderen Vision des Vereins Neom SC: geprägt von unfassbaren Plänen und befleckt von dunklen Kapiteln. Doch dazu später mehr.
Für diejenigen, denen das Projekt nichts sagt: Neom - eine Wortschöpfung aus „Neo“ (neu) und dem Anfangsbuchstaben des arabischen Worts „mustaqbal“ (Zukunft) - ist ein gigantisches Siedlungsprojekt in Saudi-Arabien, finanziert vom im Weltsport auch sonst sehr aktiven Staatsfonds der Golfmonarchie.
Ein Horrorszenario für Fußballromantiker
Auf einer Fläche, die in etwa so groß ist wie Belgien, soll ein in vielerlei Hinsicht revolutionäres Gebiet entstehen, genannt „The Line“. 170 Kilometer lang, 200 Meter breit, 500 Meter hoch. Inklusive eines neuen Stadions. So zumindest die ursprüngliche Überlegung.
Noch ist das weitgehend Zukunftsmusik. Denn Neom SC ist wie „The Line“ eine künstlich aus dem Boden gestampfte Idee. Aktuell wird in der Provinz Tabuk gespielt, meist vor rund 10.000 Zuschauern. Die neue Arena, die mehr als fünf Mal so groß sein soll, wird derweil 150 Kilometer entfernt geplant.
Ursprünglich war Neom SC ein Traditionsklub, die „Falken“ gab es unter dem Namen Al-Suqoor schon seit 1965. Doch als ein Team für das saudische Siedlungsprojekt benötigt wurde, schlug der Staatsfond PIF zu. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde aus einer Mannschaft, die sich zwischen der dritten und vierten Liga bewegte, ein Erstligaklub.
Ein Horrorszenario für alle Fußballromantiker, das aber erst ganz am Anfang stehen soll.
Ein Superstar von Real Madrid zu Neom?
Denn jetzt könnte ein Großangriff auf dem Transfermarkt folgen. So soll unter anderem Alexandre Lacazette auf dem Zettel stehen. Sogar Real Madrids Superstar Rodrygo wird mit dem Klub in Verbindung gebracht.
Neuer Cheftrainer des Klubs wird der ehemalige PSG-Trainer Christophe Galtier, der einen Vertrag bis 2027 unterschrieb.
Mit Leon Bailey könnte ein ehemaliger Bundesliga-Spieler in die Wüste gehen. Auch Stuttgarts derzeitiger Verteidiger Jeff Chabot wird bei Neom SC gehandelt. Und in Amadou Koné, einem 20 Jahre alten Talent von Stade Reims, steht ein Wechsel sogar seit kurzem fest.
Spektakuläre Transfergerüchte sind allerdings nur ein kleiner Teil einer insgesamt höchst fragwürdigen Entwicklung. Denn Neom, sein Sportklub und „The Line“ sorgen an diversen Stellen für Ablehnung.
Das Trillionen-Team treibt Sportswashing auf die Spitze
Unter anderem der britische Journalist und Experte James Montague spart nicht mit Kritik. Er verglich den Neom SC mit einem „künstlichen Organ, das in einem Inkubator gezüchtet wird“. Sobald es funktioniere, werde es umgepflanzt, so Montague.
Der Brite befasst sich schon länger mit Neom. Er war mehrfach in Saudi-Arabien zu Besuch, um sich ein Bild zu machen und behandelte die Thematik in seinem Buch „Engulfed“. Montague bezeichnet Neom SC nicht nur als den „reichsten Klub in der Geschichte des Fußballs“, sondern auch als „Trillion-Dollar-Team“.
Das Vereinsprojekt sieht er als vorläufigen Höhepunkt des saudischen „Sportswashings“. Angesichts knapper werdender Ölvorkommen und schwacher Ölpreise will Saudi-Arabien unter anderem im Sport neue finanzielle Möglichkeiten erschließen.
Teil dieser Bemühungen ist die finanzielle Unterstützung der derzeit stattfindenden Klub-WM, an deren nächster Auflage in vier Jahren der Neom SC selbstredend auch teilnehmen möchte. Glaubt man den Ausführungen von Montague, ist das auch realistisch.
Schreckliche Tragödien überschatten Mega-Projekt
So weit die sportlichen Aspekte, wenn man sie denn so nennen kann. Noch deutlich erschreckender sind Berichte zu menschlichen Tragödien, die sich rund um den Erbau von Neom abspielen.
Das Wall Street Journal berichtete im Dezember 2024 von Massenvergewaltigungen, Selbstmorden und tödlichen Verkehrsunfällen, die die Bauarbeiten begleiten.
Verstörende Nachrichten gab es auch zur Vertreibung von rund 20.000 Beduinen, nomadische Wüstenbewohner, die Neom weichen mussten.
Für große Aufmerksamkeit sorgte der Tod von Abdulrahim al-Huwaiti, der im April 2020 von saudischen Sicherheitskräften getötet worden war. In Video-Botschaften hatte dieser zuvor von den „Zwangsumsiedlungen“ und dem „Staatsterror“ des saudischen Herrschers Mohammed bin Salmans gesprochen.
Al-Huwaiti hatte einen Umzug aus seiner Heimat trotz Entschädigungszahlungen verweigert - und sagte gar seinen eigenen Tod durch Agenten der Regierung voraus. Saudische Behörden räumten den Tod später ein, sprachen allerdings von einem Gefecht mit dem Mann, der auf X zum „Märtyrer von Neom“ ernannt wurde.
Menschenrechtsorganisationen prangerten den Vorfall an, doch stoppen konnten sie Neom nicht.
Die Kosten steigen ins Unfassbare
In Stein gemeißelt ist die Konstruktion von „The Line“ allerdings trotzdem nicht. Die Arbeiten laufen zwar, doch die zu Beginn geplanten Ausmaße wird das Projekt womöglich nie haben.
Die Eckdaten zur höchst umstrittenen „Saudi Vision 2030″ waren ursprünglich kaum zu glauben: ein gigantisches und klimaneutrales Zukunftsprojekt, das vom Staat finanziert wird. Gesteuert von Künstlicher Intelligenz und Robotern. Eine futuristische Stadt, wie man sie bislang nur aus Science-Fiction-Filmen kennt.
Das Problem: Die Kosten wurden vor rund einem Jahr laut Wall Street Journal auf 8,8 Billionen US-Dollar (8.800.000.000.000!) geschätzt. Mittlerweile, so berichtet unter anderem die Nachrichtenagentur Bloomberg, soll nur noch eine Strecke von 2,4 Kilometern geplant sein. Zur Erinnerung: Zunächst war von 170 Kilometern die Rede.
Private Investoren zeigten sich zu zurückhaltend, schrieb die Wirtschaftswoche im Juni 2024 - und verwies dabei auf zahlreiche Satellitenbilder, die einen nur schleppenden Fortschritt dokumentierten.
Was wird also aus Neom SC? Zur Weltmeisterschaft 2034 ist die Arena des Klubs fest als Spielort vorgesehen. Das geht aus einem Werbevideo der Macher von Neom hervor. Anschließend soll es der schwerreichen Mannschaft als Heimspielstätte zur Verfügung stehen.
Spätestens dann könnte Science Fiction zur Realität werden.