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Heidel über Klopp: "Leute dachten, ich habe nicht alle Tassen im Schrank" - Leadertalk mit Mounir Zitouni

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Was Heidels Schlaganfall ihn lehrte

Christian Heidel, Vorstand Sport des 1. FSV Mainz 05, zählt zu den prägendsten, aber auch bodenständigsten Gestaltern des deutschen Profifußballs. Einer, der lieber handelt als redet – und der im SPORT1-Podcast LEADERTALK offen über das spricht, was ihn wirklich antreibt.
Christian Heidel (r.) und Jürgen Klopp waren einst zusammen in Mainz erfolgreich
Christian Heidel (r.) und Jürgen Klopp waren einst zusammen in Mainz erfolgreich
© IMAGO/Martin Hoffmann
Christian Heidel, Vorstand Sport des 1. FSV Mainz 05, zählt zu den prägendsten, aber auch bodenständigsten Gestaltern des deutschen Profifußballs. Einer, der lieber handelt als redet – und der im SPORT1-Podcast LEADERTALK offen über das spricht, was ihn wirklich antreibt.

Er hat Jürgen Klopp zum Trainer gemacht, Thomas Tuchel entdeckt, mit Schalke 04 die Vizemeisterschaft geholt – und Mainz 05 zu einem der stabilsten Klubs der Bundesliga geformt. Christian Heidel, Vorstand Sport des 1. FSV Mainz 05, zählt zu den prägendsten, aber auch bodenständigsten Gestaltern des deutschen Profifußballs. Einer, der lieber handelt als redet – und der im SPORT1-Podcast LEADERTALK offen über das spricht, was ihn wirklich antreibt.

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Heidels Einstieg in den Fußball ist unkonventionell. 1992 springt er als Sponsor und Ehrenamtler bei Mainz 05 ein – und wächst in eine Verantwortung, die er selbst nie geplant hatte. „Ich war 28, hatte nie damit gerechnet – und dann fragt dich dein Verein, ob du helfen willst, ihn mitzuentwickeln. Ich bin fast geplatzt vor Stolz.“ Er bleibt – mit Unterbrechung – über drei Jahrzehnte.

„Ich bin jetzt – mit einer kurzen Unterbrechung – 33 Jahre in der Verantwortung für diesen Klub. Da haben beide Seiten einiges richtig gemacht.“ 2001 schreibt Heidel Vereinsgeschichte: Er macht Jürgen Klopp, bis dahin Spieler, über Nacht zum Cheftrainer – ohne Erfahrung, aber mit Gefühl. „Der hat die Woche vorher noch mehr schlecht als recht gegen Fürth gespielt – und eine Woche später hab ich ihn als Trainer vorgestellt.“

Die Reaktionen? „Die Leute dachten, ich habe nicht mehr alle Tassen im Schrank.“ Doch Heidel spürt, was andere nicht sehen: „Ich wusste, der wird mal Trainer. Und ich hatte einfach ein gutes Gefühl.“ Nach der ersten Kabinenansprache im Trainingslager in Bad Kreuznach war sogar Heidel bereit: „Ich war so motiviert – hätte man mir Fußballschuhe gegeben, ich hätte mitgespielt.“

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Heidel achtet auf Intelligenz

Ob Klopp, Tuchel oder Tedesco – Heidel hat ein Händchen für Talente an der Seitenlinie. Was zählt, sind nicht Titel, sondern Charakter und Potenzial. „Ich achte schon sehr darauf, dass, wenn ich einen Trainer verpflichte, es ein intelligenter Mensch ist. Weil ich glaube, wenn man in diesem Job intelligent ist, ist das ein Riesenvorteil.“

Und er weiß: Authentizität schlägt Strategie. „Wenn man so einen Klopp hat: aus dem sprudelt’s raus – der denkt nicht nach, verschwendet null Energie an die Gedanken: Was muss ich jetzt eigentlich sagen?“

Für Christian Heidel ist Führung kein Status, sondern eine Haltung. Es geht ihm nicht darum, Macht auszuüben oder alles im Griff zu haben. Vielmehr versteht er Führung als die Verantwortung, Menschen wachsen zu lassen – mit klarer Haltung, persönlicher Nähe und echter Loyalität.

Verantwortung und Vertrauen

Wer bei ihm Verantwortung übernimmt, bekommt nicht nur eine Aufgabe – sondern auch das Vertrauen, sie eigenständig zu gestalten. Kontrolle ist für Heidel kein Führungsprinzip, sondern ein Störfaktor. „Wenn ich jemandem eine Aufgabe übertrage, dann will ich, dass derjenige das macht – und nicht ständig über seine Schulter geschaut wird.“

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Dahinter steht ein tiefes Menschenbild: Wer Vertrauen bekommt, entfaltet Eigenverantwortung. Wer Spielraum hat, entwickelt Kreativität. Wer sich nicht ständig rechtfertigen muss, übernimmt freiwillig Verantwortung.

Doch Vertrauen allein reicht nicht. Führung heißt auch: da sein, wenn es schwierig wird. Gerade in Momenten, in denen etwas schiefläuft, zeigt sich für Heidel, was gute Führung ausmacht. Und das ist für ihn vor allem: Rückendeckung.

Kritik gibt es – aber unter vier Augen

„Ich will, dass die Leute Verantwortung übernehmen – aber sie sollen auch wissen: Ich steh hinter ihnen. Wenn was schiefläuft, klär ich das intern. Nach außen trag ich das nie.“ Das ist keine Floskel, sondern gelebte Praxis. Wer mit Heidel arbeitet, weiß: Fehler werden nicht öffentlich gemacht, niemand wird vorgeführt. Kritik gibt es – aber unter vier Augen, auf Augenhöhe, mit dem Ziel, besser zu werden, nicht kleiner.

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Heidel schafft dadurch ein Klima, in dem Menschen nicht aus Angst funktionieren, sondern aus Überzeugung mitgestalten. Ein Umfeld, in dem Leistung möglich wird, weil psychologische Sicherheit da ist. Für ihn ist Zutrauen kein Risiko, sondern eine Investition.

„Ich glaube, dass du Menschen besser machen kannst, wenn du ihnen was zutraust. Und wenn sie wissen: Da ist jemand, der lässt mich machen – aber der ist auch da, wenn’s eng wird.“ Dieses Gleichgewicht aus Freiheit und Rückhalt prägt seinen Führungsstil. Er mischt sich nicht permanent ein, aber er zieht sich auch nicht zurück. Er ist da, wenn es darauf ankommt. Nicht als Entscheider von allem – sondern als verlässlicher Bezugspunkt, der Orientierung gibt, wenn es wackelt.

Heidels Führungsverständnis ist dabei zutiefst persönlich. Er sieht seine Rolle nicht als Chef, sondern als Begleiter, als jemand, der Menschen ernst nimmt – und sie in die Lage versetzt, Verantwortung zu übernehmen. Es geht ihm nicht um Kontrolle, sondern um Klarheit. Nicht um Autorität, sondern um Haltung. Nicht um Distanz, sondern um Beziehung.

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Heidel spricht offen über Fehler

Sein Führungsstil lebt von Vertrauen, Transparenz und Loyalität – und davon, dass er als Mensch sichtbar bleibt. Nicht perfekt. Aber glaubwürdig.

Heidel spricht offen über Fehler – eigene wie fremde. „Ich habe viele Fehler gemacht. Ich habe, glaub ich, auch Entscheidungen getroffen, die vielleicht andere nicht getroffen hätten. Aber ich hab sie getroffen – und wenn du sie triffst, dann musst du auch dazu stehen.“ Sein Credo: „Ich finde, eine gute Führungskraft macht sich nicht daran fest, dass sie keine Fehler macht. Sondern wie sie damit umgeht.“

Ein Beispiel für Heidels Haltung ist der Ex-Spieler Nico Bungert, heute Sportlicher Leiter bei Mainz 05. „Er war nie der Lautsprecher, aber wenn er was gesagt hat, dann hat man zugehört. Und ich hab ihm gesagt, du musst jetzt nicht versuchen, so zu sein wie andere. Bleib du selbst – aber übernimm Verantwortung.“

2016 geht Heidel als Sportvorstand zum FC Schalke 04. Er will raus aus der Komfortzone: „Ich wollte wissen, wie andere Systeme funktionieren.“ Sportlich ist er erfolgreich: Schalke wird 2018 Vizemeister. Doch dann kommt der Abgang, aufgrund ausbleibenden sportlichen Erfolgs.

„Das war gar nicht so dramatisch. Wir waren nach der Vizemeisterschaft auf Platz 8, 9. Wir hatten Verletzungspech ohne das Gleiche, aber dann geht es in Schalke einfach los.“ Heidel reagiert. „Ich bin zu Clemens Tönnies gegangen und habe gesagt, ich glaube, dass der Weg, der jetzt eingeleitet werden soll, weil der Druck von außen so groß ist, der falsche ist. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass das auf Schalke funktioniert. Deswegen bin ich im Februar 2019 gegangen.“

Diagnose: Schlaganfall

Kurze Zeit später, im Türkei-Urlaub mit seiner Familie, trifft ihn ein Schlaganfall. „Ich war im Wasser und laufe zurück zu der Liege – und auf dem Weg auf einmal habe ich gedacht, mir fährt gerade ein Lastwagen durch den Schädel.“

Der Arzt in der türkischen Klinik stellt ihn vor zwei Möglichkeiten: „Entweder haben Sie einen Schlaganfall – oder einen Gehirntumor. Dann fährst du in diese Röhre rein – und machst dir in dieser halben Stunde Gedanken um dein ganzes Leben.“

Die Diagnose: Schlaganfall. Rückflug nach Deutschland im Privatjet von Clemens Tönnies, zehn Tage Reha. Dann ist er wieder auf den Beinen – mit einer veränderten Perspektive. „Eines habe ich gelernt: Es gibt viel, viel wichtigere Dinge, als Fußballspiele zu gewinnen.“

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Mounir Zitouni (54) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Führungskräfte und Teams in punkto Leadership, Kommunikation und Teamentwicklung. Der ehemalige Profifußballer hat die Autobiographie von Dieter Müller geschrieben und im Buch „Teams erfolgreich führen“ (Metropolitan-Verlag, 2024) die Erkenntnisse aus den Gesprächen im Podcast LEADERTALK zum Thema Leadership zusammengefasst.