Nicht viele Torhüter aus Südamerika schaffen es ins kollektive Gedächtnis der Fußballwelt. In der Regel sind es die Ballkünstler wie Pelé, Maradona oder Garrincha, die unvergessen bleiben.
"Für die Bayern sind wir alle nur Indianer"
„Für Bayern sind wir alle Indianer“
Aber es gibt da auch José Luis Félix Chilavert aus Paraguay, der am Sonntag seinen 60. Geburtstag feiert - und auf ein äußerst bewegtes Fußballer-Leben zurückblicken kann.
Chilavert auch für Freistöße gefürchtet
In Luque im Großraum der Hauptstadt Asuncion, wo heute der südamerikanische Fußball-Verband CONMEBOL residiert, startete José Luis Félix Chilavert eine bemerkenswerte Karriere.
Chilavert liebte Paraden, war ein exzellenter Freistoßschütze und überschritt mit polemischen Kommentaren und Aktionen bislang nicht nur die Grenze des guten Geschmacks, sondern auch des politisch Erträglichen.
Er wurde allerdings auch das Ziel von herabwürdigendem Spott wegen seiner indigenen Herkunft. „Alle guten Torhüter sind aggressiv“, sagt Chilavert einmal und dürfte damit nicht nur seinen Spielstil gemeint haben.
Fernduell mit Higuita
Zu aktiven Zeiten lieferte er sich ein Fernduell mit dem zwei Jahre jüngeren kolumbianischen Torhüter René Higuita um die Krone des torgefährlichsten Torhüters der Welt.
Wenn Chilavert und Higuita zu Freistößen oder Elfmetern antraten, dann hielten die Fans den Atem an. Beiden gelang es immer wieder, die Arenen mit sehenswerten Toren zum Kochen zu bringen.
Higuita erzielte 68 Treffer, Chilavert 60. Dafür ist der Paraguayer aber der einzige Torwart der Welt, dem im Profifußball ein Hattrick gelang.
Er stand bereits mit 15 Jahren im Tor seines Heimat Club Sportivo Luqueno in der ersten paraguayischen Liga. Auf Vereinsebene führte es ihn später – wie so viele – ins Nachbarland Argentinien.
Zu San Lorenzo und Velez Sarsfield, zwischendurch auch nach Spanien zu Real Saragossa.
Spuck-Attacke gegen Roberto Carlos
Neben seinen Paraden und Freistößen sind aber auch die Eskapaden auf und neben dem Platz unvergessen.
Nach einem Qualifikationsspiel gegen Brasilien zur WM 2002 spuckte Chilavert dem brasilianischen Superstar Roberto Carlos ins Gesicht.
Dieser habe ihn zuvor rassistisch beleidigt, verteidigte „El Buldog“ seine Aktion. Carlos habe gerufen, „Steh‘ auf, Indio“. Für viele Paraguayer, die der Ethnie der Guarani angehören, wird das tatsächlich als Herabwürdigung empfunden, weil dies die Sprache der verhassten Kolonialherren war.
„Chilavert schleppt 400 Kilo reines Fett mit sich herum“
Die Partie gegen Brasilien war auch aus anderen Gründen legendär, denn der inzwischen in die Jahre gekommene Chilavert hatte auch an Körperfülle zugenommen.
Selecao-Coach Luiz Felipe Scolari soll vor der Partie gesagt haben: „Schießt, schießt! Chilavert schleppt 400 Kilo reines Fett mit sich herum.“ Trotzdem spielte der Keeper später eine starke WM 2002 in Japan und Korea.
Erst ein spätes Tor des deutschen Stürmers Oliver Neuville (88.) beendete damals Paraguays WM-Lauf im Achtelfinale - Chilaverts auch nicht temperamentloser Torwartkollege Oliver Kahn wurde später bekanntermaßen zum tragischen Finalhelden.
Ein Streit mit Bayern verleitete Chilavert zu einem Nazi-Vergleich
Chilavert geriet auch immer wieder in Handgreiflichkeiten. Diego Maradona bekam seine „Schlagfertigkeit“ genauso zu spüren wie ein Physiotherapeut – da kannte Chilavert keine Klassenunterschiede.
Als Bayern München Paraguays Stürmer Roque Santa Cruz einmal wegen einer Zahnbehandlung nicht zu einem WM-Qualifikationsspiel schickte, holte Chilavert die Keule raus.
„Für die Bayern sind wir alle nur Indianer. Sie behandeln uns abschätzig. Diese Deutschen sind halt wie Nazis“, zitierte ihn die argentinische Tageszeitung Cronica.
Posthume Kritik an Menotti
Auch mit Argentiniens Trainerlegende César Luis Menotti lieferte er sich verbale Fernduelle.
Der Weltmeistercoach von 1978 verspottete den Torhüter einst so: „Ich denke, wir sollten Chilavert in Schulen mitnehmen, damit die Kinder erfahren, wie der Mensch vor 40.000 Jahren war“.
Als Menotti im vergangenen Jahr starb, konnte sich der Paraguayer einen posthumen und drastischen Konter nicht verkneifen. „Wir Affen leben noch und haben keine drogenabhängigen Kinder. In den 90ern haben wir sie alle mit Velez gef…t“, schrieb er bei X.
Skandale und Erfolge
All das überschattet ein wenig die sportliche Leistung des torgefährlichen Schlussmannes, der mit Velez Sarsfield aus Buenos Aires 1994 die Copa Libertadores und im gleichen Jahr auch die Klub-WM gegen den starken AC Mailand gewann.
Chilavert schrieb auch immer wieder mit scharfen Attacken auf Politiker und Sportfunktionäre in seiner Heimat Schlagzeilen - seine eigenen politische Ambitionen waren derweil weniger von Erfolg gekrönt.
Eine Präsidentschaftskandidatur scheiterte krachend, dafür erfreut oder erschreckt - je nach Sichtweise – der Mann aus Luque heute die lateinamerikanische Fußballgemeinde als polemischer Kommentator.