Der frühere Nationaltorwart Timo Hildebrand hat den Umgang mancher Topvereine mit ihren langjährigen Ausnahmetorhütern scharf kritisiert. Anlass sind die jüngsten Entwicklungen um Gianluigi Donnarumma (Paris Saint-Germain) und Marc-André ter Stegen (FC Barcelona). Beide Keeper sind nicht mehr die Nummer eins bei ihren Klubs.
"Dass man einen Spieler so demontiert, ist unbegreiflich"
Keeper-Beben „krass und eklatant“
„Das sind zwei Beispiele, die sehr krass und eklatant sind. Es gab wenig Respekt. Das ist fast nicht zu begreifen. Es sind zwei Torhüter, die über viele Jahre bei zwei Topklubs Topleistungen gebracht haben“, betont Hildebrand, der 2007 mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister wurde und von 2004 bis 2007 im Kader der deutschen Nationalmannschaft stand, im Gespräch mit SPORT1.
Am Dienstag hatte PSG seinen Kader für das UEFA-Supercup-Finale am Mittwochabend gegen Tottenham Hotspur (ab 21 Uhr im LIVETICKER) bekannt gegeben – ohne den bisherigen Stammkeeper Donnarumma. Der 26-Jährige, der im Sommer die Champions League gewann, steht offenbar vor einem Abschied.
Donnarumma ist „enttäuscht“
Er äußerte sich bei Instagram zu seiner Degradierung: „Leider hat jemand entschieden, dass ich nicht länger Teil der Mannschaft sein und zum Erfolg des Teams beitragen kann. Ich bin enttäuscht und niedergeschlagen.“
Hildebrand zeigt sich ob der Entwicklung erstaunt. „Donnarumma ist schon früh ins Profigeschäft eingestiegen und befindet sich noch im besten Alter. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass sie die Champions League gewonnen haben. Von daher wundert es mich“, meinte der 46-Jährige.
„Er hat einen auslaufenden Vertrag und wollte vielleicht nicht verlängern – oder nicht zu den neuen Konditionen", gibt der siebenmalige Nationalspieler aber auch zu bedenken: „In so einem Fall ist es üblich, dass man auf den Spieler verzichtet und ihn verkaufen will. Vielleicht will er auch eine neue Erfahrung machen oder er fühlt sich nicht ausreichend wertgeschätzt.“
Luis Enrique, Erfolgstrainer von Paris Saint-Germain, hat sein hartes Vorgehen gegen Donnarumma verteidigt.
„Diese Entscheidungen sind immer schwierig zu treffen. Ich kann nur positiv über Donnarumma sprechen. Gigio ist zweifellos einer der besten Spieler auf dieser Position. Er ist sogar ein noch besserer Mensch, aber wir suchten nach einem anderen Typen von Torhüter“, erklärte der Spanier vor dem Finale in Udine.
Enrique würdigte zwar Donnarummas Leistung und Charakter, bevorzugt jedoch einen anderen Torwarttyp und wird nun voll und ganz auf den kürzlich verpflichteten Lucas Chevalier setzen.
Verhandlungsposition ist festgefahren
Die Vertragsgespräche stocken seit Monaten: Donnarumma strebt angeblich ein deutlich höheres festes Gehalt an, während PSG eher ein geringeres Salär mit leistungsbezogenen Boni bieten will. Die Verhandlungsposition ist festgefahren, was PSG dem Vernehmen nach zu der Entscheidung brachte, ihn lieber jetzt zu verkaufen als 2026 ablösefrei gehen zu lassen.
Noch deutlicher wird Hildebrand bei ter Stegen, dessen Zeit in Barcelona offenbar abläuft: „Bei ter Stegen finde ich es noch einmal eine Stufe krasser. Klar, er hatte viel Verletzungspech, aber dass man einen Spieler so demontiert, ist unbegreiflich. Er war Kapitän von Barca. Das mit ter Stegen ist so extrem – ich mochte Barca immer. Man muss sehen, dass er über zehn Jahre als Stammtorwart in Barcelona gespielt hat. So lange und auf diesem Niveau im Ausland zu bestehen, schaffen nur wenige. Aus dem deutschen Fußball fallen mir sonst nur Spieler wie Toni Kroos oder Sami Khedira ein, die ebenfalls über viele Jahre hinweg eine Top-Karriere im Ausland hatten.“
Der 46-Jährige führt weiter aus: „Ich finde es so traurig, wie ter Stegen behandelt wurde.“ Es sei aber gut, „wie er sich die ganze Zeit verhalten hat – er blieb immer ruhig, kein Nachtreten oder sonst etwas“.
Bayern und Neuer als Gegenbeispiel
Dies demonstrierte der 33-Jährige auch bei der Teampräsentation am vergangenen Sonntag vor dem Testspiel gegen den italienischen Klub Como, als er sich versöhnlich zeigte.
Vor der Partie schnappte er sich - wie in diesem Rahmen vor dem Saisonauftakt in seiner Rolle als Kapitän üblich - das Mikrofon und wandte sich nach wochenlangem Kleinkrieg zwischen ihm und dem Verein persönlich an die Fans. Zuvor hatte ter Stegen den Weg für mögliche Einsätze des neu verpflichteten Joan Garcia bereitet, dessen Registrierung weiterhin aussteht. Dessen medizinische Unterlagen durfte Barca erst mit dem Einverständnis ter Stegens der Liga zukommen lassen.
Als positives Gegenbeispiel zu den Fällen Donnarumma und ter Stegen nennt Hildebrand den FC Bayern und Manuel Neuer: „Das ist typisch bayern-like, ähnlich wie bei Thomas Müller oder Philipp Lahm. Alle waren lange beim Klub, so wie auch Neuer. Vielleicht ist es auch ein deutsches Phänomen, dass ein verdienter Spieler bei Bayern einfach anders behandelt wird. Das mit Neuer hat entweder mit Bayern oder mit Deutschland zu tun. Da bekommt ein Spieler einfach die volle Unterstützung.“