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Flutlicht an! Die Strukturen im Sport sind für Privilegierte

Gemeinsam gegen Rassismus

Younis Kamil will aktiv gegen Rassismus vorgehen, nicht nur innerhalb des Sports - ein wahrer Balanceakt.
Nach dem Rassismus-Eklat bei der Frauen-EM bezieht die englische Nationalspielerin Jessica Carter zu einem von ihr veröffentlichten Statement Stellung. Die Verlobte von Ann-Katrin Berger bedankt sich für die Solidaritätswelle.
Younis Kamil will aktiv gegen Rassismus vorgehen, nicht nur innerhalb des Sports - ein wahrer Balanceakt.

Manchmal fügen sich die Dinge einfach. Davon ist Younis Kamil überzeugt. So, wie bei der Entstehung von ROOTS – AGAINST RACISM IN SPORTS. Im Verein kommen Menschen in Verantwortung zusammen, die Rassismus selbst erlebt haben – und im Sport aktiv dagegen angehen wollen. Ihr Engagement ruht auf drei Säulen: Empowerment, Awareness, Change.

Zum Thema Empowerment gehört, sich einer inneren Kraft des Vereins bewusst zu machen. Denn über Rassismus zu sprechen als Betroffene*r ist ein Balanceakt. Kamil erklärt, wie sie im Team gegenseitig füreinander in die Verantwortung treten: Wer antimuslimischen Rassismus erlebt hat, spricht auf Podien über den gegen Schwarze Personen und so weiter. Nah dran und doch den so wichtigen Selbstschutz mitgedacht. Das, betont er, sei Teil ihrer Stärke.

Verständnis auf dem Weg zu Verbesserungen

Awareness ist der Part, der sich nach außen richtet, durchaus auch als Angebot: In Keynotes, Seminaren und Workshops möchten die ROOTS-Mitglieder im Fußball sensibilisieren für die Erfahrungen von Menschen, die Rassismus erleben – nicht nur, aber auch innerhalb des Sports. Denn Verständnis sei ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zu Verbesserungen.

Change, der Wandel, müsse unbedingt auch in den Strukturen passieren, erklärt Kamil, also bei den Vereinen und Verbänden. Denn dort sind viele Menschen nicht vertreten, zumindest nicht, wenn man die Hierarchie nach oben abläuft: Gleiche unter Gleichen.

Der Frage, woran das liegt, hat sich der Sportwissenschaftler in der Vergangenheit auch mit einem Kooperationsprojekt zwischen dem DOSB und der Türkischen Gemeinde Deutschland gewidmet: Unter dem Claim „Bewegte Zukunft“ beschäftigte es sich damit, wieso Menschen mit Migrationsgeschichte unterrepräsentiert sind in Entscheidungspositionen im Sport.

Die fehlende Awarenesss

Kamil spricht von einer „Henne-Ei“-Problematik und sieht Verantwortungen auf beiden Seiten. Die Strukturen im Sport seien eher für privilegierte und in Deutschland sozialisierte Menschen gemacht, sagt der Wissenschaftler, der zudem betont: „Ehrenamt muss man sich leisten können.“ Zwar werde heute mehr getan, um Menschen neu zu gewinnen, oft aber in Unkenntnis von deren Lebensrealitäten. Auch hier fehlt also Awareness.

Gleichzeitig gebe es durchaus in einigen migrantischen Communities eine Art Unverständnis für ehrenamtliches Engagement, wichtig: außerhalb der Familie. Im familiären Kontext oder beispielsweise in der Moschee finde das definitiv statt, darüber hinaus gebe es aber eher eine Leerstelle. Beide Seiten müssten sich aufeinander zubewegen. Dabei könnten Quoten eine positive Rolle spielen.

Die begründet der Vater von drei Kindern sehr simpel: Menschen hätten keine Lust, immer der oder die Erste zu sein in einer bestimmten Struktur. Mit Quoten könnte das verändert werden, was zu einer erhöhten Bereitschaft für diese Art von Engagement führe.

Das Ziel sei am Ende hehrer: ein gerechterer Sport für alle. Der Weg dorthin? Weit, noch weiter geworden in den gesellschaftlichen Zuspitzungen der letzten Monate. Aber Ziele, findet Kamil, müsse man am besten ein bisschen unrealistisch ansetzen – um dann das bestmögliche Ergebnis für alle zu erreichen.