Thomas und Gerd Müller sind seit einigen Tagen um eine Gemeinsamkeit reicher.
Wie die Ikone des FC Bayern in Amerika gedemütigt wurde
Gerd Müllers Drama in den USA
Der Nachname, der Legenden-Status beim FC Bayern, der in beiden Fällen recht unrühmliche Abschied vom Rekordmeister: Diese Parallelen gibt es schon. Und seit Mittwoch ist offiziell, dass sich eine weitere Gemeinsamkeit auftut: der Wechsel nach Nordamerika.
Nach diversen Gerüchten hatte Thomas Müller mit einem skurrilen Video im Cowboy-Style schon einen Transfer angedeutet, wenige Tage später verkündete er dann die Vancouver Whitecaps als neuen Arbeitgeber.
Namensvetter Gerd zog es einst auch nach Nordamerika, in die USA. Und es war eine Erfahrung, die den 2021 verstorbenen „Bomber der Nation“ nachhaltig prägte - nicht nur im Positiven.
So kam es zu Gerd Müllers Flucht in die USA
Nach einer folgenschweren Auswechslung sowie einem hässlichen und öffentlichen ausgetragenen Konflikt im Nachgang hatte Gerd Müller München 1979 den Rücken zugekehrt und war zu den Fort Lauderdale Strikers nach Florida gewechselt.
Müller folgte den Spuren seines Freundes Franz Beckenbauer, der zwei Jahre zuvor zu New York Cosmos in die damalige NASL (North American Soccer League) gewechselt war.
Beckenbauers Manager Robert Schwan half durch die damals entstandenen Kontakte, auch Müllers Deal einzufädeln - und es gab eine weitere Verbindung: Beckenbauer und Müller hatten seinerzeit wegen einer Steueraffäre Ärger mit dem Finanzamt. Der Aufbruch in die zahlungskräftige NASL linderte die Geldsorgen, die infolge einer großen Nachzahlung blühten.
„Ich verdiene sicher nicht weniger als bei Bayern, sonst würde ich es ja nicht machen“, hatte Müller selbst damals keinen Hehl aus dem finanziellen Anreiz gemacht. Etwa 800.000 Dollar Jahresgehalt sollen es gewesen sein.
Müller in den USA: Anfangs lief es gut
Über die rein sportlichen Erfahrungen sprach Gerd Müller im Nachgang überwiegend positiv: „Es waren tolle Teams, in denen ich dort gespielt habe”, schwärmte er von seinen drei Jahren in Übersee und Mitspielern wie Peru-Legende Teófilo Cubillas oder dem genialen George Best.
Für Müller, der mit 33 Jahren in die nordamerikanische Liga kam, lief es zunächst gut: 19 Tore und 17 Vorlagen gelangen ihm in 25 Spielen in seiner Debüt-Saison. Er wurde zum besten Spieler der Mannschaft gewählt und erhielt als Prämie ein Mofa.
„Ich musste mich erst an das System gewöhnen. Wir hatten vorne nur lange Ochsen im Sturm, so nannten wir spaßeshalber die Briten im Team. Die ließen sich nur hoch anspielen. Da habe ich gesagt: ‚Spielt flach‘ - und fortan habe ich wieder meine Buden gemacht“, berichtete Müller später.
Sein Mitspieler Ray Hudson erinnerte sich im Interview mit der FIFA an die Zeit damals: „Das war ein Spieler, mit dem wir uns arrangieren mussten. Wir mussten ihm nur den Ball in seinen kleinen Raum spielen und schon ging von ihm eine große Gefahr aus, weil er sich so geschickt drehen und wenden konnte.“
Kritik an Müller kam trotzdem früh auf - vor allem, weil er nicht an der Überwindung der Sprachbarriere arbeitete.
„Gerd sprach überhaupt kein Englisch. Die anderen Spieler lernten Englisch, aber Gerd war in dieser Hinsicht ein einsamer Wolf“, erinnerte sich Hudson. Auch die sportlichen Leistungen Müllers ließen im Lauf der Zeit nach.
Interner Ärger spitzte sich zu
In seiner zweiten Spielzeit gelangen Müller nur noch 14 Tore und acht Vorlagen in 29 Spielen. Fort Lauderdale schaffte es dennoch bis ins Liga-Finale, das mit 0:3 gegen Beckenbauers Team verloren ging. Müller war nach 40 Minuten verletzungsbedingt ausgewechselt worden.
Pikant: Bereits zuvor hatte sich Müller, der mit Bandscheibenproblemen zu kämpfen hatte, über die unzureichende medizinische Betreuung beschwert. Unter anderem gab es keinen mannschaftseigenen Masseur.
Deutscher Coach sortierte die Legende aus
In Müllers dritter US-Saison kam es dann schließlich zu großen Knall.
Mit dem neuen Trainer Eckhard Krautzun aus Deutschland stand Müller von Beginn an auf Kriegsfuß. Später sollte er den Deutschen als den schlechtesten Trainer bezeichnen, den er je hatte. Unter anderem die harten Trainingseinheiten in der Hitze Floridas waren Müller ein Dorn im Auge.
Zu dieser Zeit hatte Müller bereits einige Auswärtspartien verpasst, weil er an Flugangst litt. Krautzun hatte das zunächst gebilligt, ihn dann aber zu einem Flug nach Vancouver gezwungen, um ihn dann 90 Minuten auf der Bank sitzen zu lassen. Müller wurde schließlich der Rang abgelaufen, nur noch fünf Treffer gelangen ihm in 15 Einsätzen.
Sein Streit mit Krautzun gipfelte im Juli 1981, als der Trainer Müller öffentlich erniedrigte: „Er bringt es einfach nicht mehr. Ich stelle ihn doch nicht auf, weil er mal Weltmeister war. Seinen Stammplatz ist er ein für alle Mal los.“
„Darum hat er auch mit dem Trinken angefangen“
Müller ließ seine Karriere in der Folge auf Amateur-Niveau ausklingen und begann den Übergang in das Leben nach dem Fußball: Er eröffnete ein Steakhouse namens „The Ambry“. Hinter dem schönen Schein des angenehmen Auswandererlebens verbargen sich allerdings Abgründe.
Für Fritz Goschenhofer, der gemeinsam mit Müller zur Schule gegangen war und seither eine enge Freundschaft mit ihm gepflegt hatte, war der Schritt in die USA und die diversen Anpassungsprobleme in der neuen Umgebung ein Grund für Müllers Alkoholprobleme, die sich in den Achtzigern verschlimmerten.
„Da hat er nicht hingepasst. Alle dachten, jetzt kommt der deutsche Bomber, ein Superstar und Weltmeister. Fußballerisch hatte er sicher noch ein paar gute Spiele und schoss anfangs auch seine Tore. Aber im Vergleich zu Beckenbauer war der Gerd eher schüchtern und zurückhaltend“, sagte Goschenhofer im Interview mit der Augsburger Allgemeinen.
„Und dann noch sein Rieser Dialekt, der immer durchkam! Das ist das genaue Gegenteil von weltmännischem Auftreten”, führte sein langjähriger Freund aus und resümierte: „All das hat ihn gekränkt und verletzt.“ Den Frust habe er in Alkohol ertränkt.
Historiker Hans Woller kam in seinem Buch „Gerd Müller, oder: Wie das große Geld in den Fußball kam“ zu einem ähnlichen Schluss: „Er trank mehr, als ihm guttat, und verkroch sich in sich selbst und seinen Kummer.“
Die Flucht zurück nach München
Zu den Alkoholproblemen kam, dass es Müller und seiner Frau Uschi auch seelisch und finanziell nicht mehr gut gegangen sein soll, nachdem das anfangs üppige Gehalt kein Faktor mehr war.
Das Paar, das zwischenzeitlich kurz vor der Scheidung stand, kehrte Mitte der 1980er nach München zurück - wo sich das Leben des „Bombers“ wieder zum Besseren wendete.
Nach seiner Rückkehr nahmen ihn seine ehemaligen Mitspieler Uli Hoeneß und Beckenbauer unter ihre Fittiche und integrierten ihn mit einem Trainerjob in der Bayern-Familie - was ihm den Halt gab, der ihm in den USA gefehlt hatte.
„Ohne die Hilfe meiner Freunde hätte ich es wohl nicht geschafft“, blickte Gerd Müller, der Anfang der Neunziger seine Alkoholsucht besiegte, später zurück.