Fußballgeschichte in Person: Günter Netzer hat sich in München mit SPORT1 zum Exklusiv-Interview getroffen. Mit 81 Jahren strahlt die Gladbacher Legende noch immer Klarheit, Charisma und diese unverwechselbare Aura aus, die ihn schon auf dem Platz einzigartig machte.
"Ich habe gedacht, das überlebe ich nicht": Günter Netzer im exklusiven SPORT1-Interview
„Das war eine komplett andere Welt“
Eine Stunde lang spricht Netzer über seine glanzvolle Karriere, seinen Herzensverein Borussia Mönchengladbach und frühere Weggefährten wie Franz Beckenbauer – reflektiert, pointiert und mit dem Gespür für die großen Linien des Fußballs.
SPORT1: Herr Netzer, Sie sind wegen des Oktoberfests in München. Sind Sie ein Wiesn-Fan?
Günter Netzer: Das kann man wohl nicht sagen. Meine Frau und ich gehen einmal auf die Wiesn, am Eröffnungstag – dann nicht mehr. Das ist eine Tradition geworden: Wir laden Freunde aus der Umgebung ein und feiern mit ihnen den Auftakt.
SPORT1: Sie geben nur noch sehr selten Interviews. Warum?
Netzer: Viele prominente Menschen schaffen ihren Ausstieg nicht, sie verpassen den Zeitpunkt, an dem man sie nicht mehr sehen will – wenn die Karriere zu Ende geht und man nicht mehr gefragt ist. Diese Leute halten krampfhaft an etwas fest. Ich war nie besessen. Wäre ich besessen gewesen, wäre ich vielleicht Pelé geworden. (lacht) Ich bin zufrieden damit, dass ich auch ohne extremes Streben erfolgreich war, obwohl ich nicht viele Länderspiele gemacht habe. Das war mein Charakter – und damit war ich sehr glücklich.
SPORT1: Was war Ihr größter Fehler?
Netzer: Die Fehler vergesse ich meistens sehr schnell – und das tut der Seele gut, wenn man sie nicht ein Leben lang mit sich herumträgt. Das tötet die Lebensfreude. Und die habe ich mir über die Jahrzehnte erhalten.
Netzer: „Eigentlich ist mein ganzes Leben ferngesteuert“
SPORT1: Wir blicken zurück. Wann haben Sie gespürt, dass für Sie eine große Karriere beginnt?
Netzer: Ich kann da keinen genauen Zeitpunkt benennen. Vielleicht war es der Bundesliga-Aufstieg – das war schon etwas Besonderes, etwas, von dem man in Mönchengladbach träumt. Ich habe gesagt: Eigentlich ist mein ganzes Leben ferngesteuert. Ich habe Dinge gemacht, Entscheidungen getroffen, die ich selbst nicht erklären konnte. Nicht alle sind gut gegangen. Gott sei Dank habe ich aus Fehlern gelernt. Das meiste ist sehr gut gelaufen. Ich habe verschiedene Stufen in meiner Karriere durchlebt und bin demütig. „Dankbar“ ist mir nicht gut genug. Es gehört immer eine Portion Glück dazu – das hat jeder, der Karriere macht. Ich war besonders privilegiert.
SPORT1: Gab es jemanden, der Sie besonders geprägt hat, als der Sprung nach oben begann?
Netzer: Es war ein Mann fernab der Fußballszene: Michael Pfleghar, ein Filmregisseur. Er hat Geschichten mit Iris Berben und Ingrid Steeger gemacht wie unter anderem „Die himmlischen Töchter“. Eines Tages rief er mich an, er arbeitete gerade an der „Elke Sommer Show“ für den WDR. Da gab es eine kleine Fußballszene: Elke Sommer stand im Tor, und ich sollte im Feld agieren. Martin Feldmann, dieser wunderbare Komiker, war auch dabei. Ich habe zugesagt – und er hat mir eine andere Welt gezeigt, die ich bis dahin abgelehnt hatte. Diese Szene war eigentlich verrückt, einseitig und vielleicht falsch, aber sie hat mir das Leben neben dem Fußball eröffnet. Trotzdem war der Fußball immer die erste Adresse meines Lebens, an der sich alles andere ausrichtete.
SPORT1: Wie war damals die Stimmung in Gladbach – familiär oder schon hart umkämpft?
Netzer: Hennes Weisweiler hat damals eine Gruppe von jungen Leuten zusammengestellt, die ehrgeizig waren, aber auch Talent hatten. Er hat sehr viel auf Charakter gesetzt. Er hat charakterfeste Spieler ausgesucht, die ihm seine Wünsche von den Lippen abgelesen haben. Natürlich gab es manchmal Dissonanzen, aber er konnte mit uns diskutieren und hat uns hochgeschätzt.
SPORT1: Sie galten als ein Spieler mit großer Eigenständigkeit. Mussten Sie Regeln brechen, um Ihr Spiel durchzusetzen?
Netzer: Um mein Spiel durchzusetzen, nicht. Dieser wunderbare Trainer Hennes Weisweiler hat uns gemacht. Er hat auch mich gemacht. Er hat mich herangeführt an die Position des Spielmachers, die damals anders war als heute. Weisweiler hat Spieler geholt, die zu mir passten, um den Erfolg zu ermöglichen. Wir waren in Gladbach die Himmelsstürmer. Jeder lobte uns für unser Spiel, aber gewonnen haben wir nicht, denn die Bayern waren mit ihrem Fußball weit vor uns und haben die Titel geholt. Das hat uns sehr gestört.
1973: Eine legendäre Einwechselung im Pokalfinale
SPORT1: Ein prägender Moment war sicher Ihre Einwechslung im Pokalfinale mit Gladbach 1973. Wie haben Sie diesen erlebt?
Netzer: Wie in Trance. Nach dem morgendlichen Spaziergang mit der Mannschaft gab es ein Einzelgespräch mit Trainer Hennes Weisweiler. Er sagte: „Du spielst heute nicht.“ Ich packte also meinen Koffer und verabschiedete mich von den Jungs. Die waren perplex und fragten: „Was ist los?“ Ich erklärte, dass der Trainer entschieden hat, dass ich nicht spiele. Doch dann kam Bewegung ins Team. Die Jungs um Berti Vogts und Jupp Heynckes sagten: „Setz dich auf die Bank, vielleicht brauchen wir dich noch – das bist du uns schuldig.“ Dieser Satz war entscheidend: Ich bin ein zuverlässiger Freund und Kümmerer. Also habe ich mich auf die Bank gesetzt.
SPORT1: Und dann?
Netzer: In der Halbzeit merkten die Zuschauer, dass ich nicht spielte, und reagierten auf den Trainer. Weisweiler wollte mich dann einwechseln, aber ich sagte: „Nein, ich gehe da nicht rein. Das ist das beste Spiel, das unsere Mannschaft diese Saison geliefert hat. Ich wäre ein Fremdkörper.“ Ich verließ die Kabine – das wusste ich gar nicht mehr, das hat mir Berti später erzählt. Das Spiel war nach wie vor hervorragend. Dann fiel ein junger Spieler, Christian Kulik, ein hochtalentierter Junge, direkt vor meinen Füßen zu Boden. Er konnte nicht einmal aufstehen. Automatisch zog ich meine Trainingsklamotten aus, lief an der Bank vorbei zu Weisweiler und sagte: „Ich spiele dann jetzt.“ Zwei Minuten später schoss ich das entscheidende Tor. Es war wirklich filmreif – und wir haben gewonnen. Es war ein wunderbarer Moment, aber es war mein letztes Spiel für Mönchengladbach. Es waren zehn wunderschöne Jahre. Und nach 50 Jahren sind diese Bilder immer noch präsent.
Das Kapitel Real Madrid: „Der Mythos war Realität“
SPORT1: Der Wechsel zu Real Madrid war ein großer Schritt für Sie. Was war dort anders als in Deutschland?
Netzer: Das war eine komplett andere Welt. Die Spanier hatten wie die Italiener auch eine Ausländersperre, um ihre Nationalmannschaften zu schützen. Junge Spieler sollten ihre Chancen bekommen, und die Ausländer nahmen diese Plätze weg. Ich wollte eigentlich nach Italien wechseln.
SPORT1: Aha. Erzählen Sie gerne …
Netzer: Wir hatten in Mönchengladbach ein grandioses Spiel gegen Inter Mailand, wir gewannen 7:1 zu Hause – bis dieser Büchsenwurf (ein Zuschauer traf den Inter-Spieler Boninsegna mit einer Dose - das Spiel wurde annulliert, d. Red.) passierte. Das brachte mir einen gewissen Ruf in Italien. Ich wäre sicherlich dort gelandet. Doch dann kam ein Angebot von Real Madrid. Ich traf mich mit dem Vizepräsidenten, und sogar Santiago Bernabéu war anwesend. Ein Glück, diesen Mann kennengelernt zu haben – so bescheiden, so einfach, in einer normalen Wohnung lebend. Paul Breitner spricht genauso über ihn. Wir beide waren wie Kinder im Hause Bernabéu und im Hause Real Madrid. Nach der WM 1974 wurde ich von Bernabéu angerufen. Keine Handvoll Spieler durfte zu ihm nach Hause. Er war ein ganz einfacher Mann.
SPORT1: Wie viel haben Sie damals bei Real verdient?
Netzer: Sie fragten bei meinem Besuch, was ich verdienen wolle. Ich sagte: 350.000 Mark. Da meinte Bernabéu: „Hinaus! Das verdient ja meine halbe Mannschaft.“ Ich ging also zur Tür – und wurde wie in einem schlechten amerikanischen Film zurückgerufen. Man muss sich das mal vorstellen: Die wollten mich als ersten ausländischen Spieler haben und fragten mich: „Was ist es Ihnen wert, für Real zu spielen?“ Ich dachte nur: Das ist ja nicht zu fassen. Diese Herren hatten eine Selbsteinschätzung, die einzigartig war. Der Mythos war Realität. Ich sagte dann: „Okay, 300.000 Mark.“ Und Bernabéu meinte: „Das geht auch nicht.“ Ich fragte: „Was ist jetzt wieder falsch?“ – Es musste die Drei weg. Also haben wir uns bei 295.000 Mark geeinigt.
Ein wahnwitziger Trip nach Las Vegas
SPORT1: Sie sind während Ihrer Real-Zeit einmal zu Frank Sinatra nach Las Vegas geflogen.
Netzer: Wie viel Zeit haben wir? (lacht) Wir hatten damals bei Real eine Disziplinarordnung, mussten unsere Pässe abgeben und jede Reise über 30 Kilometer außerhalb von Madrid anmelden. Es war eine einzigartige Geschichte. Eines Tages bekam ich einen Anruf von Michael Pfleghar: „Wir müssen übermorgen in Las Vegas sein. Da tritt Frank Sinatra nach 15 Jahren erstmals wieder auf.“ Tina Sinatra (das jüngste Kind von Frank, d. Red.) war eine gute Freundin von mir. Ich habe Michael nur gefragt, ob er noch ganz dicht sei, ich war schließlich bei Real Madrid. Ich hatte eine Disziplinarordnung unterschrieben. Aber er hörte nicht auf, mich zu bedrängen.
SPORT1: Wie ging es weiter?
Netzer: Zwei Tage später holte er mich tatsächlich ab – und die Idee, das tatsächlich zu tun, hat mich fasziniert. Bei Real gab es zu dem Zeitpunkt keine Ligaspiele. Die Einreisebedingungen waren damals auch wesentlich einfacher als heute. Ich war aber überhaupt nicht vorbereitet, hatte keinen Smoking, nichts. Die Schuhe waren viel zu groß, und ich hatte eh schon Größe 46. Wir wurden schließlich mit einem Privatjet eines Freundes nach London geflogen. Da haben wir den Anschluss nach Los Angeles verpasst und kauften dann in einem Secondhand-Laden erstmal ein. Der Captain sagte zu uns: „Ich habe einen Freund, der kann euch nach Las Vegas fliegen.“ Doch der Flieger war Baujahr 1935, vielleicht noch älter – da wollte ich eigentlich nicht einsteigen. Dieser Freund machte es uns nicht leicht, er flog endlos Kreise, um Höhe zu gewinnen, damit er über die Berge kam. (lacht)
„Um sieben Uhr sind wir gelandet - um neun war Training“
SPORT1: Sie kamen aber schließlich wohlbehalten an …
Netzer: Ja. Und in Las Vegas habe ich abends im Hotelzimmer zum ersten Mal in meinem Leben ein Hemd gebügelt. Plötzlich gab es eine kleine Explosion – das Bügeleisen hatte auf dem Rücken des Hemdes Brandspuren hinterlassen. Gott sei Dank nur auf dem Rücken. Wäre es vorne gewesen, hätten wir alles vergessen können. Abends wurden viele Fotos gemacht, aber mich durfte ja keiner von Real entdecken. Also habe ich mich regelrecht unter dem Tisch versteckt. Tags darauf habe ich bei Sinatra den Wunsch geäußert, Elvis treffen zu dürfen – und Elvis war einer der wenigen, die Sinatra neben sich akzeptierte. Elvis trat im Hilton auf. Das Konzert war restlos ausverkauft, aber wir saßen in der ersten Reihe – dank Sinatra. Ich werde nie vergessen, wie er den Mann vom Hilton am Telefon mit barscher Stimme anherrschte: „Ich weiß nicht, wer Sie sind, hier spricht Frank Sinatra. Zwei Freunde aus Europa kriegen zwei Plätze in der ersten Reihe und eine Flasche Champagner steht auf dem Tisch.“ Und so war es. Erste Reihe, zwei Plätze, Champagner – und Elvis fing an zu singen. Ein unglaubliches Erlebnis.
SPORT1: Wie kamen Sie zurück?
Netzer: Ich kaufte mir mitten im Sommer einen Wintermantel und einen Hut, damit ich nicht erkannt werde. So bin ich durch die Zollkontrolle gegangen. Um sieben Uhr sind wir gelandet und um neun Uhr war Konditionstraining. Ich habe gedacht, das überlebe ich nicht – ich hatte zwei, drei Tage nicht geschlafen. Wäre ich erwischt worden, wäre ich wohl die längste Zeit Real-Spieler gewesen.
SPORT1: Eine andere nette Geschichte ist, dass Sepp Herberger mal mit Adidas-Klamotten in einer Disco stand, in der Sie oft in Mönchengladbach waren. Stimmt das?
Netzer: Sepp Herberger hatte keine Adidas-Klamotten an – er war ein hocheleganter, sehr beherrschter Mann. Aber er war tatsächlich in der Disco, und wir haben uns gegenseitig angeschrien, weil es so laut war. Herberger hat philosophische Aussagen getätigt, die auch heute noch ihre Gültigkeit haben. Unter anderem gibt es den berühmten Satz „Der Ball ist rund“ – über den man heute lacht. Das waren philosophische, wertvolle Aussagen.
Wirtz als neuer Netzer? „Das kann man nicht vergleichen“
SPORT1: Würde ein Spieler wie Sie heute noch die gleichen Freiheiten bekommen?
Netzer: (lacht) Unmöglich. Kein Trainer würde das riskieren. Außer ein, zwei. Der Trainer des FC Liverpool (Arne Slot, d. Red.) ist ein großer Fan von Florian Wirtz, deswegen gibt er ihm gewisse Freiheiten, gerade in der Anpassungszeit. Florian ist in Leverkusen ein bestimmender Spieler geworden. Seine Fähigkeiten sind bekannt, aber sich auf die Premier League einzustellen, ist eine andere Nummer.
SPORT1: Kommt Wirtz Ihrem Spielstil am nächsten?
Netzer: Das kann man nicht vergleichen. Der Zehner war der Spielmacher der alten Zeit – Wolfgang Overath beim 1. FC Köln, Peter Grosser bei 1860 München. Das war eine besondere Position, der man großes Vertrauen schenkte. Aber Weisweiler hat auch viel von mir verlangt. Ihm war das Gute nicht gut genug.
SPORT1: Den Spielmacher von einst gibt es also nicht mehr?
Netzer: Ja. Das riskiert keiner mehr. Ich war sicher nicht der Laufstärkste und fand in Herbert „Hacki“ Wimmer das Glück meines Lebens, der für sein Leben gerne gelaufen ist. Da habe ich zu ihm gesagt: „Dann tun wir beide uns mal zusammen.“ (lacht)
SPORT1: Oder haben Sie die riskanten Wege gerade zu dem gemacht, der Sie heute sind?
Netzer: Selbstverständlich bin ich gewisse Risiken eingegangen. Aber viele Dinge sind trotzdem gut gegangen – das war der Erfolg. Das sage ich, ohne höhere Mächte zu bemühen.
Netzer als rebellische Ikone
SPORT1: Sie waren immer ein Rebell, ein Symbol der 68er. Wie sind Sie mit dieser Projektion umgegangen?
Netzer: Ich habe es gar nicht mitgekriegt. Hinterher habe ich gehört, dass ich verehrt wurde. Es waren ja nicht alle Fußballfans. Aber diese Leute haben in mir einen von sich selbst gesehen, der gegen das Establishment opponiert und nicht so stromlinienförmig war, wie es sich oft darstellte. Nur habe ich bis heute keine politischen Dinge in den Vordergrund gestellt. Ich habe immer gewusst, was ich kann. Vor allem aber, was ich nicht kann. Diese Lebensphilosophie war für mich prägend. Ich war immer ein Teamplayer, obwohl ich als Spielmacher für viele ein Egoist war. Man muss ein Egoist sein – das hat Weisweiler von mir verlangt. Ich bin mir immer treu geblieben. Der Erfolg des Ganzen stand immer im Vordergrund.
SPORT1: Werden Spieler heute noch überhöht wie zu Ihrer Zeit?
Netzer: Die Anforderungen sind sehr groß, aber das wünscht sich ja jeder Spieler. Deswegen kann man sich nicht darüber beschweren. Jeder Profi will in diese Höhen aufsteigen, jeder profitiert von diesem Weg nach oben und hat dann für den Rest des Lebens ausgesorgt. Das war bei uns noch nicht so. Mein erster Vertrag lag bei 400 Mark. Das war damals aber auch viel Geld.
„Franz lebt weiter in mir“
SPORT1: Einer, der mit Ihnen 1974 Weltmeister wurde, war Franz Beckenbauer. Zuletzt wurde sein endgültiger Grabstein gesetzt. Wie sehr fehlt er Ihnen? Sie waren enge Freunde.
Netzer: Das ist etwas, das ich zunehmend feststelle. Dass mir Menschen aus meiner Vergangenheit fehlen, vielleicht sogar mehr als kurz nach ihrem Tod. Und es tut mir weh. Franz lebt weiter in mir, und ich rufe mir immer wieder gewisse Dinge ins Gedächtnis und überlege mir dann, was Franz wohl gesagt hätte. Gunter Sachs oder Michael Pfleghar sind ebenfalls Menschen, die mein Leben heute noch beschäftigen, obwohl sie längst nicht mehr da sind.
SPORT1: Was schätzen Sie heute besonders?
Netzer: Ich finde es schön, dass es passiert ist und ich so ein langes, aufregendes Leben geführt habe. Bei mir spielt der menschliche Bereich immer die größte Rolle. Ich konnte mir früher nicht vorstellen, eine Familie zu haben. Heute habe ich eine wunderbare Frau und eine wunderbare Tochter. 48 Jahre mit meiner Frau und 38 Jahre mit meiner Tochter – das sind Dinge, die mein Leben in einer ganz anderen Weise geprägt haben.
SPORT1: Was ist das Beste für die Tochter an ihrem Papa?
Netzer: Dass der Papa immer da war. Man hat mir damals gesagt, als meine Tochter zur Welt kam: „Pass auf, es geht so schnell, bis sie erwachsen ist.“ Da war ich hellwach und meinte nur: „Das passiert mir nicht.“ Ich bin damals überall herumgereist und war in den ersten 19 Jahren nur zweimal länger als zwei Tage weg. Ich bin selbst für zwei Stunden immer wieder zurückgekommen. Ich war also immer da. Das habe ich von meiner Tochter zurückbekommen.