Vom Bundesliga-Abenteuer des SSV Ulm hat sich vor allem ein legendärer Moment in die audiovisuellen Geschichtsbücher eingebrannt. Oder besser ein Wort: „Skandal!“
25 Jahre Odyssee
Ein wütender Janusz Gora echauffierte sich auf diese Weise im September 1999 beim Gang in die Kabine über die vier Platzverweise gegen sein Team beim Auswärtsspiel in Rostock. Mit dem Aufstieg ins Oberhaus war den Ulmern 1999 der sensationelle Durchmarsch von der damals drittklassigen Regionalliga bis in die Bundesliga gelungen. Doch die Spatzen blieben ein One-Hit-Wonder.
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Dem Abstieg folgte der Absturz samt Insolvenz und der Neustart in der Oberliga. Unter Thomas Wörle, der 2015 und 2016 die Bayern-Frauen zur Meisterschaft coachte, gelang seit 2021 ein kontinuierlicher Aufschwung. Und nach dem Aufstieg aus der Regionalliga Südwest in die 3. Liga klopfen die Ulmer jetzt sogar als Tabellenerster ans Tor zur 2. Bundesliga.
Ulm-Boss bescheiden: „Alles andere nehmen wir gerne mit“
„Letztendlich sind wir froh, dass wir auf jeden Fall schonmal nächstes Jahr für die 3. Liga planen können. Und alles andere, was jetzt noch dazukommt, ist Bonus und nehmen wir gerne mit“, gab sich Geschäftsführer Markus Thiele im Gespräch mit SPORT1 bescheiden.
Nach einem 2:0-Sieg gegen den SV Sandhausen eroberte Ulm am 29. Spieltag erstmals die Tabellenführung und verteidigte diese mit einem 0:0 bei Aufstiegsfavorit Dynamo Dresden unmittelbar vor der Länderspielpause. Im Kalenderjahr 2024 sind die Schwarz-Weißen noch ungeschlagen.
Erfolgsgarant ist neben Toptorjäger Dennis Chessa (8 Tore) der beste Vorbereiter Léo Scienza (zehn Assists), der laut Sky bereits beim 1. FC Heidenheim auf dem Zettel stehen soll. Doch solche Spekulationen blendet das Team bislang erfolgreich aus.
„Man muss sich manchmal schon schütteln“
„Unser Star hier ist ganz klar die Mannschaft. Da ist jeder Spieler wichtig, jeder Trainer wichtig - aber keiner wichtiger als der andere“, sagte Trainer Wörle dem SWR. „Wir wussten, dass wir eine Mannschaft haben, die eng zusammenhält, das trägt uns auch. Aber man muss sich manchmal schon schütteln, dass wir nach 30 Spielen so weit oben dabei sind.“
Sollte dies auch am Saisonende der Fall sein und tatsächlich der Aufstieg gelingen, kämen große Herausforderungen auf den Klub zu. Der aktuelle Drittliga-Etat von 7,5 Millionen Euro müsste voraussichtlich verdoppelt werden. „Da können wir erst Mitte, Ende April verbindliche Aussagen machen“, meinte Thiele.
Der Geschäftsführer befindet sich schon jetzt im Austausch mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL), vor allem wegen der Stadion-Problematik. Das Donaustadion ist alles andere als zweitligatauglich. Schon in der aktuellen Drittliga-Saison musste man in den Wintermonaten wegen fehlender Rasenheizung für die Heimspiele nach Aalen ausweichen.
Ulm braucht Ausnahmegenehmigung fürs Donaustadion
Kurzfristig muss vor allem in die Infrastruktur investiert werden, damit man überhaupt an Zweitliga-Spiele im Donaustadion denken kann. Das fängt beim Flutlicht an, geht über die Stromversorgung und Anschlüsse für Glasfaser bis hin zu Parkplätzen für die Medienübertragung. „Da kommen wir nicht um eine Ausnahmegenehmigung herum. Das sind einfach die Basics, um die Spiele vernünftig darstellen zu können“, erklärte Thiele.
Eines ist jedenfalls sicher: Aus der Vergangenheit und dem sensationellen Bundesliga-Abenteuer hat man an der Donau mit Blick auf die späteren Turbulenzen entsprechende Lehren gezogen.
2. Liga „nur mit Sinn und Verstand“
„Ähnliche Szenarien wird es nicht geben, weil wir jetzt wirtschaftlich schon stabil und seriös aufgebaut sind und wir auch nicht All-in gegangen sind, um dieses Jahr um den Aufstieg mitzuspielen“, betonte Thiele. Die Budgetplanung entspreche immer noch Platz 13 oder 14 in der 3. Liga.
Einen möglichen Zweitliga-Aufstieg werde man „mit Sinn und Verstand und ohne ein erhöhtes Risiko“ angehen, ergänzte der 42-Jährige.
Thiele sieht den Klub nach den diversen Insolvenzen und Neustarts aktuell als ein Start-up. „Weil wir eben relativ frisch im Profifußball sind und schlanke Strukturen haben. Aber eben ein Start-up mit Tradition dahinter, weil wir spüren, welche Wucht so ein Traditionsverein entwickeln kann.“