Die Rückkehr von Kevin Volland und Florian Niederlechner hat bei 1860 München für Aufsehen gesorgt – nicht nur in der Münchener Fanszene. Zwei ehemalige Bundesliga-Stürmer, beide mit Wurzeln an der Grünwalder Straße, tragen wieder das Trikot mit dem Löwen auf der Brust und entfachen neue Hoffnung bei Fans und Verein.
Hype um 1860-Transfers: "Die meinen das ernst"
1860-Coups: „Die meinen‘s ernst“
Die Stimmung ist so positiv wie lange nicht mehr – und mit ihr wachsen auch die Erwartungen. Plötzlich gilt Sechzig als Top-Favorit im Aufstiegsrennen. Mittendrin: Trainer Patrick Glöckner, der den Hype in Erfolg ummünzen soll.
SPORT1 traf den 48-Jährigen vor dem Auftaktspiel bei Rot-Weiss Essen am Freitagabend (ab 19 Uhr im LIVETICKER).
SPORT1: Herr Glöckner, wie haben Sie sich in München eingelebt?
Patrick Glöckner: Sehr gut. Ich wurde hier direkt offen empfangen, das hat vieles erleichtert. Sportlich haben wir recht schnell gesehen, wo wir ansetzen müssen, und das hat uns in der Rückrunde in einen richtig guten Flow gebracht. Wir konnten frühzeitig den Klassenerhalt sichern. Die Jungs haben von Anfang an mitgezogen – genau diese Löwen-Mentalität, die man hier spüren will. Ich fühle mich sehr wohl.
„Für Außenstehende mag das überraschend sein“
SPORT1: Mit Kevin Volland und Florian Niederlechner haben zwei echte Hochkaräter den Weg zurück zu 1860 gefunden. Wie verändert sich die Dynamik in der Mannschaft?
Glöckner: Kevin und Flo bringen natürlich reichlich Qualität und Erfahrung mit. Beide verhalten sich absolut vorbildlich, geben Impulse, helfen den Jüngeren - stellen sich voll in den Dienst der Mannschaft und gehen als Vorbilder voraus.
SPORT1: Wie überraschend ist es denn, dass ein Volland und ein Niederlechner überhaupt gekommen sind?
Glöckner: Für Außenstehende mag das überraschend sein. Aber wer die Gespräche geführt hat, merkt schnell: Dass ihr Herz am Verein und der Region hängt. Sie identifizieren sich zu 100 Prozent mit Sechzig und wir sind sehr froh, dass sie da sind.
SPORT1: Wie haben Sie den Hype um Volland und Niederlechner miterlebt?
Glöckner: Sehr positiv. Es ist doch schön, wenn die beiden diese Euphorie bei den Fans auslösen können. Für mich war schnell klar: Die Jungs meinen das ernst. Die Motivation war bei beiden vom ersten Gespräch an spürbar. Das hat mich sofort begeistert.
„Wir funktionieren nur als Team“
SPORT1: Volland wäre sogar in die Regionalliga gegangen. Das ist schon beachtlich, oder?
Glöckner: Dass er zu seiner Jugendliebe zurückkehrt, ist großartig. Er kommt aus diesem Stall – und man nimmt ihm die Liebe für Sechzig total ab. Er lebt das. Das ist bei Flo übrigens genauso.
SPORT1: Ist es eine Herausforderung, Spieler mit Bundesliga-Erfahrung in ein Team zu integrieren, das bisher andere Hierarchien hatte?
Glöckner: Nicht wenn man den Menschen sieht und nicht nur den Namen. Beide sind absolut bodenständig und sie helfen mit ihrem Charakter und ihrer Einstellung dem Team und somit der leistungsorientierten Hierarchie.
SPORT1: Wie gehen Sie damit um, dass diese Spieler automatisch besondere Erwartungen mitbringen – von Fans, Medien und vielleicht auch aus dem eigenen Selbstverständnis?
Glöckner: Natürlich sind die Erwartungen von außen da – aber wir machen hier keinen Einzelsport. Am Ende sind die beiden Spieler einer ganzen Mannschaft. Die 3. Liga ist eine Profiliga, die unglaublich viel abverlangt. Die Laufdaten sind nicht viel anders als in der Bundesliga oder der 2. Liga. Aber durch ihre Qualität und ihre Erfahrungen können sie das Team sehr beflügeln. Sie brauchen sich keinen Druck aufbauen, denn wir funktionieren nur als Team und jeder von uns steht in der Verantwortung.
„Nur dann, wenn sie sich wie Diven verhalten würden“
SPORT1: Kann ihre Prominenz auch zu Spannungen im Team führen – etwa bei Einsatzzeiten oder Rollenverteilung? Wie beugen Sie dem vor?
Glöckner: Nur dann, wenn sie sich wie Diven verhalten würden. Und genau das tun sie nicht. Im Gegenteil: Sie zeigen auf dem Trainingsplatz Leistung und in der Kabine eine klare Haltung. Sie müssen, übertrieben gesagt, nicht in jedem Spiel fünf Tore schießen, aber ihre Mentalität und Aufopferung sind wie bei allen Spielern ein Muss.
SPORT1: Würden Sie einen der beiden auch auf die Bank setzen, wenn es mal einen Hänger gibt?
Glöckner: Wenn es die Situation erfordert – ja, selbstverständlich. Am Ende geht es um den Verein und oftmals kann es einem Spieler auch mal guttun.
SPORT1: Jesper Verlaat bleibt Kapitän. Warum haben Sie sich dafür entschieden – trotz der Rückkehr von Volland und Niederlechner?
Glöckner: Ich habe mit Jessi schon zwei Jahre bei Waldhof Mannheim zusammengearbeitet und seit meiner Übernahme bei 1860 füllt er seine Aufgaben sehr gut aus. Da ist Vertrauen entstanden. Selbst in der Zeit, in der ich keinen Verein hatte, blieben wir weiter in Kontakt. Mir ist es wichtig, im Mannschaftsrat und bei der Kapitänsfrage verschiedene Typen zu haben. Jessi hat das Amt bereits gelebt, und ich war damit total zufrieden. Kevin ist auch ohne Kapitänsamt eine Führungsperson – genauso wie Flo. Bei Jessi ist es ebenfalls so, aber für ihn ist es noch mal eine besondere Bestätigung.
„Es ist eine alte Floskel, die keiner mehr hören kann“
SPORT1: Wie war die Team-Dynamik im Trainingslager?
Glöckner: Wahnsinn! Das Ganze wurde mit einer Intensität mitgetragen, wie man sie selten sieht. Nur ein Gegentor in allen Testspielen – die Jungs verstehen sich super als Gruppe. Wenn einer für den anderen brennt, ist das das Beste. Und genau dieses Gefühl habe ich.
SPORT1: Viele sehen 1860 in dieser Saison als heißen Aufstiegskandidaten. Wie gehen Sie persönlich mit diesem Erwartungsdruck um? Können Sie selbstbewusst sagen: „Ja, wir wollen aufsteigen“?
Glöckner: Ich kann keine realistische Einschätzung geben, weil wir noch nicht wissen, wie sich andere Klubs noch verstärken. Ich habe zudem riesigen Respekt vor den anderen Teams. Ich kenne, so gut es geht, die anderen Kader in der Liga und weiß: Nicht nur wir haben eine gute Mannschaft. Ich messe mein Team immer an der Leistung. Es sind 38 unglaublich schwere Spieltage und es gibt keinen Grund, größenwahnsinnig zu werden, sondern wir wollen unsere Demut bewahren.
SPORT1: Ist diese Favoritenrolle eher Ansporn oder Belastung für das Team?
Glöckner: Weder noch. Es ist eine alte Floskel, die keiner mehr hören kann, aber wir schauen von Spiel zu Spiel. Es ist schon mal gut, dass wir von der Bank mehr Optionen haben als in der vergangenen Saison. Wir können also besser nachlegen – das ist ein Vorteil.
„Es ist positiv verrückt“
SPORT1: Ist das die bisher schönste Phase Ihrer Trainerkarriere?
Glöckner: Es ist auf jeden Fall eine überragende Station, da Sechzig eine ganz besondere Anziehung hat. Mein Trainerteam und ich investieren alles, um am Ende erfolgreichen Fußball spielen zu lassen.
SPORT1: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für die Saison – welcher wäre das?
Glöckner: Ich wünsche mir, dass wir so oft wie möglich das auf dem Platz umsetzen, was wir uns vorgenommen haben, und somit unsere Ergebnisse positiv beeinflussen. Denn am Ende zählen dann leider doch nur Ergebnisse.
SPORT1: Spüren Sie diese gesteigerte Euphorie?
Glöckner: Es ist positiv verrückt. Es waren so viele Fans in Regensburg und im Trainingslager dabei. Auch beim täglichen Training sind viele Fans vor Ort. Das ist schon beeindruckend. Dieses positive Umfeld hat sich die Mannschaft erarbeitet. Jeder bei 1860 ist nahbar, und die Leute merken, dass wir total authentisch sind.