Timmo Hardung ist bei Eintracht Frankfurt zu Saisonbeginn vom Lizenzspielerleiter zum neuen Sportdirektor aufgestiegen. Auf dem Heimweg vom Trainingslager in Windischgarsten nahm er sich im Stadion von Grödig, wo die Hessen gegen Vitesse Arnheim (1:1) testeten, die nötige Zeit und erklärte am vergangenen Freitag im exklusiven SPORT1-Interview seine neue Rolle.
„Nagelsmann hat sich gemeldet“
Hardung verriet zudem, wie es Ex-Bayern-Trainer und Kumpel Julian Nagelsmann geht, welche Rolle Mario Götze einnehmen soll und wie es mit Randal Kolo Muani weitergeht.
„Ich habe mich in meiner Rolle als Sportdirektor gut eingelebt“
SPORT1: Timmo Hardung, Sie sind seit 1. Juli Sportdirektor von Eintracht Frankfurt. Wie haben Sie sich inzwischen in der neuen Position eingelebt?
Timmo Hardung: Ich habe mich in meiner Rolle als Sportdirektor gut eingelebt. Dadurch, dass ich ja seit zwei Jahren bei der Eintracht bin, musste ich mich nicht erst akklimatisieren. Es war in den ersten Wochen sehr viel los. Von daher ist das eine sehr arbeitsreiche Zeit mit interessanten Themen, die es zu bearbeiten gilt.
SPORT1: Wie sieht Ihre Arbeitsteilung mit Sportvorstand Markus Krösche genau aus?
Hardung: Ich bin hauptsächlich für das operative Geschäft verantwortlich. Das bedeutet, dass die Themen Kaderplanung und Transferabwicklung hauptsächlich bei mir liegen. Natürlich passiert das alles in sehr enger Abstimmung mit Markus Krösche, der darüber hinaus noch viele Vorstandsthemen strategischer Natur zu verantworten hat.
SPORT1: Zuvor waren Sie Lizenzspielerleiter. Bleiben Sie als Sportdirektor auch weiterhin nah der Mannschaft?
Hardung: Wir haben ein großes Funktionsteam. Ich gebe auch Themen ab, vor allem an Christoph Preuß, der meine Rolle als Lizenzspielerleiter übernommen hat. Ich bin aber nach wie vor sehr nah an der Mannschaft, bin bei allen Spielen dabei und wenn es zeitlich möglich ist, auch bei vielen Trainingseinheiten.
„Nagelsmann hat sich sehr für mich gefreut“
SPORT1: Der „Nagelsmann-Kumpel“ schwimmt sich somit mehr und mehr frei im Profi-Business. Hat er sich bei Ihnen gemeldet nach Ihrer Beförderung?
Hardung: Julian Nagelsmann hat sich gemeldet und sich sehr für mich gefreut. Das war eine sehr nette Nachricht.
SPORT1: Julian Nagelsmann hat früh viel Potenzial in Ihnen erkannt, nicht umsonst wollte er Sie mit zum FC Bayern München lotsen. Warum hat das vor zwei Jahren nicht geklappt?
Hardung: Das lag einerseits am angedachten Aufgabenprofil beim FC Bayern München und andererseits daran, dass ich bei Eintracht Frankfurt sehr spannende Aufgaben und Verantwortung in Aussicht gestellt bekommen habe, die ich hier in den vergangenen zwei Saisons übernehmen durfte. Die Aufgabe bei der Eintracht hat mich sehr gereizt und ich habe die Entscheidung keinesfalls bereut.
SPORT1: Die Entlassung von Nagelsmann im Frühjahr hat für große Wellen gesorgt. Haben Sie jemals mit ihm über dieses Bayern-Aus gesprochen?
Hardung: Zu dem Zeitpunkt war es wohl für alle überraschend, für Julian selbst, wie auch für mich. Wir hatten kurz Kontakt, aber man weiß, dass es eine turbulente Zeit war, in der es viele Themen zu klären gab. Im Nachgang haben wir dementsprechend ein paarmal telefoniert.
Conference League: „Ein spannender Wettbewerb“
SPORT1: Seit Sie in Frankfurt sind, ist enorm viel passiert. Wie haben Sie ihre ersten zwei Jahre bei der Eintracht erlebt?
Hardung: Ich habe Eintracht Frankfurt offenherzig und mit sehr vielen Facetten kennengelernt. Das ist auch das, was diesen Klub meiner Meinung nach auszeichnet. Es waren im positiven wie im negativen Sinne zwei turbulente Jahre. Es ging in diesem Zeitraum nicht nur bergauf. Wir hatten einige schwierige Phasen, die wir durchleben mussten.
Von daher war es emotional und leidenschaftlich - vor allem, wenn man an die sportlichen Höhenpunkte denkt. In der Europa League hat es mit dem sensationellen Titelgewinn geklappt, das DFB-Pokal-Finale haben wir leider verloren. Das gehört im Fußball auch dazu. Das heißt aber nicht, dass wir nicht wieder angreifen können.
SPORT1: Im ersten Jahr Europa League, im zweiten Jahr Champions League und nun Conference League. Freuen Sie sich auf die neue Herausforderung in diesem Wettbewerb?
Hardung: Selbstverständlich. Natürlich war die Champions League ein herausragendes Highlight. Dennoch ist auch die Conference League ein spannender Wettbewerb, bei dem wir neue Gegner und neue Destinationen kennenlernen. Fußballerisch ist die Conference League sehr ambitioniert.
SPORT1: Ist Eintracht Frankfurt sogar ein Favorit, wenn die Playoffs zur Conference League überstanden werden?
Hardung: Wir müssen zunächst die Playoffs überstehen, bevor wir konkrete Ziele für diesen Wettbewerb ausgeben. Das ist unser erstes großes Ziel. Wie in all unseren Wettbewerben, wollen wir uns jedenfalls bestmöglich präsentieren.
„Dino bringt viele Facetten mit“
SPORT1: Diese Ziele soll mit Dino Toppmöller ein neuer Trainer erreichen. Was zeichnet ihn aus?
Hardung: Dino hat uns als Mensch, Trainer und Typ überzeugt. Es ist seine Art und Weise, wie er Fußball sieht, sich akribisch auf die Aufgaben vorbereitet und seine Ansprachen ans Team hält. Dazu hat er die Qualität, Spieler auch in mehreren Fremdsprachen anzusprechen und anzuleiten. Dino bringt viele Facetten mit.
SPORT1: Es gibt auch Zweifler, die der Meinung sind, dass Eintracht als erste Cheftrainer-Station in der Bundesliga zu groß sein könnte und der Klub damit ein Risiko eingeht. Was entgegnen Sie den Kritikern?
Hardung: Am Ende ist es eine Frage der Qualität. Ein Trainer kann nur mit den Faktoren Qualität, Knowhow und Expertise überzeugen und die Spieler erreichen. Wir müssen als Gruppe unseren Weg gehen. Dieser Weg hört weder heute noch morgen noch am Ende der Vorbereitung auf, sondern zieht sich durch die ganze Saison. Wir sind überzeugt davon, dass Dino mit dem Team diesen Weg erfolgreich gehen kann.
„Randal fühlt sich sehr wohl“
SPORT1: Optimal verlief die Vorbereitung aber nicht. Vor allem die schon letzte Saison nicht so sattelfeste Defensive konnte sich durch die Ausfälle von Tuta und Robin Koch nicht einspielen. Haben Sie Bedenken, dass die Eintracht deshalb nicht gut aus den Startlöchern kommt?
Hardung: Tendenziell sind Ausfälle nie gut. Aber das Thema haben wir nicht exklusiv. Wir sind nicht der einzige Bundesligist, der im Trainingslager vereinzelte Ausfälle zu verzeichnen hat. Glücklicherweise sind es keine schwerwiegenden Verletzungen, weshalb wir sprichwörtlich Glück im Unglück hatten. Tuta hat gegen Arnheim mitgespielt, Robin Koch wird nach seinen Adduktorenproblemen zeitnah wieder zur Mannschaft stoßen. Es ist nicht ideal für uns, aber sicher keine Ausrede.
SPORT1: Freude bereitet Ihnen hingegen Randal Kolo Muani. Trotz aller Gerüchte wirkt er total befreit, mannschaftsdienlich, er lacht viel. Wie nehmen Sie ihn als Typ wahr?
Hardung: Randal ist ein sehr demütiger junger Mann, der ganz viel Spaß und Freude am Leben und am Fußball hat. Er ist stets gut gelaunt und trotzdem fokussiert. Er ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse, der sich bei uns im Team, im Klub und in der Stadt sehr wohlfühlt.
SPORT1: Auch wenn der Transfermarkt noch immer nicht so richtig angelaufen ist: Wie groß ist Ihre Sorge, dass Kolo Muani doch noch weggeschnappt wird?
Hardung: Der Status quo hat sich nicht verändert. Wie wir bereits mehrfach betont haben, gibt es kein konkretes Angebot. Randal fühlt sich sehr wohl bei uns. Deshalb gibt es momentan nichts, was uns an einem Verbleib zweifeln lässt.
Götze: Ein Typ für die Kapitänsbinde?
SPORT1: Wer sicher bei Ihnen bleibt, ist Mario Götze. Er hatte kurz vor dem Pokalfinale seinen Vertrag verlängert. Wie konnte ihn die Eintracht auch ohne Champions League davon überzeugen?
Hardung: Wir konnten Mario mit dem, wie wir als ganzer Verein in Verbindung mit Stadt, Region, Fans und Mitspielern sind, überzeugen. Er weiß das sehr zu schätzen. Aber auch unsere gemeinsamen sportlichen Ambitionen waren ein wichtiger Grund.
SPORT1: Ist Mario Götze ein Typ für die Kapitänsbinde?
Hardung: Sicherlich ist Mario ein Kandidat. Wir haben aber mit Sebastian Rode derzeit einen großartigen Kapitän. Mario braucht keine Kapitänsbinde, um Führungsspieler zu sein. Das war er schon letztes Jahr und das wird er auch dieses Jahr sein – auf dem Platz und in der Kabine. Mario ist ein Leader.
SPORT1: Die Eintracht hat seit 2018 zwei Titel gewonnen und stand beinahe jährlich in einem Halbfinale eines Wettbewerbs. Wann wäre die Saison 2023/24 für Timmo Hardung eine erfolgreiche?
Hardung: Das mache ich nicht nur an Platzierungen fest. Es ist wichtig, dass wir in der Entwicklung voranschreiten. Wir wollen uns sportlich weiterentwickeln und an unserem Fußball arbeiten.