Natürlich sollte bei den Klub-Bossen und Fans von Borussia Dortmund, vielleicht auch in den Köpfen der Spieler und Trainer, mit dem Abstand von einer guten Woche noch immer vor allem das Positive überwiegen.
Wie viel Trauma verträgt der BVB?
Die bittere wie tragische Niederlage im Finale der Champions League gegen Real Madrid (0:2), so der Tenor der meisten Protagonisten, ist schwer zu verdauen - sie wird aber auch Mut machen, beschwor allen voran Edin Terzic noch im Moment der Leere von Wembley.
„Wenn wir alle den Glauben an uns hochhalten, dann werden wir zurückkommen, dann werden wir zurückschlagen“, sagte der Chefcoach - und fügte noch an: „Auch wenn es jetzt immer wieder Rückschläge zu Beginn der nächsten Saison geben wird: Lasst nie den Zweifel siegen.“
Es klang wie ein trotziges Dagegen - niemand solle dem BVB bitteschön einreden, es gebe ein Psycho-Problem oder gar ein Trauma.
Schlotterbecks ehrliches Geständnis
So wie von vielen Beobachtern und Experten diagnostiziert nach der verspielten und bereits sicher geglaubten Deutschen Meisterschaft am letzten Spieltag des Vorjahres.
„Diese Champions-League-Saison zeigt, dass wir jeder Mannschaft der Welt Probleme bereiten können“, betonte auch Nico Schlotterbeck in der ersten Reaktion.
Genau jener Innenverteidiger erinnerte vor wenigen Tagen dann aber auch daran: „Ich glaube, dass uns letztes Jahr das Meisterdrama am Anfang der Saison etwas gekillt hat.“
Darf also ausgeschlossen werden, dass die Dortmunder an der frischen Tragödie in der Königsklasse - die zweite wohlgemerkt nach dem 1:2 vor elf Jahren gegen den FC Bayern - weniger zu knabbern haben werden als an diesem 27. Mai 2023, als die Borussen durch das 2:2 gegen Mainz in der nachfolgenden Spielzeit mächtig aus dem Tritt gekommen waren?
Das Gegenteil könnte vielmehr der Fall sein - und mentale Stärke am Ende nur ein Begriff, den man sich immer wieder einzureden vermag, aber keineswegs wirklich mit Leben füllt.
Auch BVB-Star Sabitzer lässt tief blicken
„Wir sind Profisportler, aber auch Menschen. Gefühle kann man nicht verbergen oder unterdrücken“, sagte am Freitag Marcel Sabitzer.
Der Mittelfeld-Motor und Nationalspieler Österreichs ließ dabei tief blicken, indem er mit eindringlichen Worten erklärte, warum er wenige Tage vor dem Start der Europameisterschaft eine Pause benötige und daher auf die Länderspiel-Generalprobe seiner Nation gegen die Schweiz (1:1) verzichte.
Der Stachel der Enttäuschung nach der Pleite gegen Real sitzt tief und wirkt nach: „Jeder, der mich nach dem Spiel gesehen hat, weiß, was das mit mir gemacht hat. Deshalb macht es noch nicht Sinn, dabei zu sein“, so Sabitzer weiter.
Auch Schlotterbeck, aktuell mit dem DFB-Team in der heißen Turnier-Vorbereitung, hatte schon zuvor eingestanden, er hoffe nicht, dass er „in so ein kleines Loch falle“.
Watzke glaubt Trauma schon überwunden
Es ist spekulativ, daraus abzuleiten, auch die Wunde gegen Real mag nun lange nicht oder schlimmstenfalls gar nicht heilen, dass sie stattdessen lähmen und Erfolg wie Zielen im Weg stehen wird.
Womöglich, so die zuversichtliche Deutung der Ereignisse, trägt sie dazu bei, dass der Schulterschluss im BVB-Team noch enger wird, den Schwarz-Gelben für die kommende Saison einen Ruck gibt, die Narben zum Booster werden und somit auch ein Stück weit die Team-DNA schärfen.
Unter Umständen aber auch nicht. Unmittelbar vor dem Champions-League-Finale hatte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke der Bild mit Blick auf die Nachhaltigkeit des Titel-Niederschlags gegen Mainz erklärt: „Unser Trauma ist mit Wembley verarbeitet!“
Um dann perspektivisch doch nicht erlöst zu werden. Es war Watzke, der dem mitternächtlichen Mannschaftsbankett fernblieb, weil ihm Energie wie die für die Situation richtigen Worte fehlten.
Wie kommt Terzic in die Spieler-Köpfe?
Auf beides dürfte es beim BVB - dafür muss man kein Psychologe oder Mentalcoach sein - umso mehr nun in den kommenden Wochen und Monate ankommen.
Damit ein Ende in Sicht ist, nicht wieder alles von vorn beginnt, um aus den Köpfen die sich festzusetzen drohenden Gedanken herauszukommen, einmal mehr nicht den letzten Titel-Schritt gegangen zu sein, abermals die große Flatter bekommen und nichts Zählbares mitgenommen zu haben.
Entscheidend mag dafür nicht zuletzt auch sein, mit welchem personellen (Kader-)Gesicht die Mannschaft der Zukunft begegnet, nachdem Klub-Urgestein Marco Reus und höchstwahrscheinlich auch Abwehr-Chef Mats Hummels von Bord gehen.
Und ob es Terzic hinbekommt, seine Schützlinge aus dem zwar unterlegenen, aber lehrreichen Duell gegen die Königlichen die Kraft ziehen zu lassen, 70 Minuten lang die bessere Mannschaft gewesen zu sein. Im Gegensatz zur Performance beim Meisterschafts-Knockout gegen Mainz.