Schaut man auf die bisherige Saison, besteht für den 1. FC Heidenheim kein Grund zur Sorge. Zehn Punkte nach zehn Spielen, so war es auch im vergangenen Herbst. Dennoch kursiert in der Bundesliga momentan die Annahme, dass dem tollen Höhenflug der Mannschaft von Dauertrainer Frank Schmidt jetzt der böse Absturz folgen könnte. Weil es dafür gleich mehrere Gründe gäbe.
Es wird brutal für Heidenheim
Die Fakten sind schnell erzählt: Heidenheim, das sich letzte Saison spektakulär für die Conference League qualifizierte, hat in der Bundesliga seinen Kompass verloren. Dabei hatte es wieder so gut begonnen, Anfang September waren sie sogar Tabellenführer. Der Herbst dann wurde heftig. Das 1:3 zu Hause gegen Wolfsburg am Sonntag war die mittlerweile fünfte sieglose Partie hintereinander.
Europapokal: Gefahr für die Ligaziele?
Woran liegt das? Was ist los mit der Sensationstruppe? Schaut man den Heidenheimern aktuell zu auf dem Platz, und zwar sowohl auf die Füße als auch in die Augen, gewinnt man den Eindruck, dass ihnen die Freude abhandengekommen ist.
Dass die Begegnungen in der Bundesliga, die Samstag- oder Sonntagnachmittage, auf einmal Alltag sind. Und dass das alles viel schneller passierte, als ihnen recht war. So wirken sie. Als wäre vieles anstrengend. Als müssten sie sich ständig Gedanken machen, über das, was sie tun, und wie sie es tun. Als hätten sie plötzlich etwas zu verlieren.
Wahrscheinlich liegt da ein großes Stück Wahrheit: Alles ist nicht nur teurer geworden in Heidenheim, sondern vor allem auch größer. Gerade noch der Inbegriff eines Zweitligisten spielen sie jetzt im Europapokal. Die Aufmerksamkeit, der Fokus auf sie, ist um ein Vielfaches gewachsen. Heidenheim ist jetzt eine nationale Angelegenheit, und das macht etwas mit einem kleinen Verein.
Man muss das erst einmal hinbekommen, in der Organisation, der Trainingsgestaltung - aber vor allem auch im Kopf. Alle, vom Umfeld, den Fans und den Geldgebern im Hintergrund bis zu den Spielern, ihren Familien und Beratern. So ein „next step“, der einer Mannschaft und ihrem Klub plötzlich gelingt, das hat der Fußball schon oft gezeigt, kann auch Gift sein und Zerreißprobe.
Hartes Restprogramm: Abstiegsangst statt Weihnachtsglück!
Sie haben einige Trümpfe in Heidenheim. Ihre Art vor allem, diese Unaufgeregtheit, die es im deutschen Profifußball in vergleichbarer Form wohl nur in Freiburg noch gibt. Niemals würde der Trainer infrage gestellt. Egal, wie die Saison auch laufen wird, Frank Schmidt bleibt. Wie die letzten 18 Jahre. Sehr wahrscheinlich, also wenn er denn will, würden sie auch gemeinsam wieder absteigen.
Der Weg durch diese Saison wird noch heftig und zu einer riesigen Prüfung. Wie geht man jetzt um mit dem FC Chelsea, der Ende November in der Conference League nach Heidenheim kommt?
Es müsste Vorfreude pur sein. Was für ein Abend! Doch plötzlich schwingt auch die Sorge mit, dass diese Saison noch heftig nach hinten losgehen kann. Dass sie sich verhoben haben und die Pflicht, also die Bundesliga, viel wichtiger ist als die Kür, der Europapokal. Aus dem DFB-Pokal sind sie schon ausgeschieden, bei Zweitligist Hertha BSC.
Rund um das Chelsea-Spiel warten Leverkusen und Frankfurt auf Heidenheim, alles in einer Woche. Danach geht es zu den Bayern, anschließend kommt der VfB Stuttgart. Es braucht keinen Hellseher, um zu erkennen, dass das brutal wird vor Weihnachten. Es sind auch noch drei Spiele in der Conference League. Reicht die Kraft?
Das Heidenheim-Experiment läuft in vollem Gange. Und vielleicht, so ehrlich muss man sein, besteht doch ein bisschen Grund zur Sorge für den Verein aus Baden-Württemberg. Denn mit der Aufstiegssaison hat die Sache gerade nicht mehr so viel zu tun.