Des einen Leid ist des anderen Freud - davon können Jiri Pavlenka und Michael Zetterer ein Lied singen. Als Pavlenka, der mittlerweile nach Griechenland zu PAOK Saloniki gewechselt ist, im Oktober 2023 wegen einer Adduktorenverletzung ausfiel, schlug Zetterers große Stunde bei Werder Bremen. Der 29-Jährige nutzte seine Chance auf Anhieb und ließ sich von seinem Vorgänger nicht mehr verdrängen.
Bundesliga-Keeper träumt vom DFB
Vom Ersatzmann zum absoluten Leistungsträger und „Schlüsselspieler“, wie ihn Trainer Ole Werner zuletzt nannte. Seit der Wachablösung im Tor hat Zetterer kein Bundesligaspiel der Norddeutschen verpasst und inzwischen nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. Nach der Verletzung von Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen wurde er sogar als Kandidat für die DFB-Elf gehandelt. Im exklusiven SPORT1-Interview verrät Zetterer, dass es bereits Kontakt mit dem DFB gegeben hat. Außerdem verrät er, dass er in der Vergangenheit Wechselgedanken hatte.
SPORT1: Herr Zetterer, dank des Last-Minute-Treffers von Oliver Burke ist Werder Bremen mit einem Sieg in die Länderspielpause gegangen. Wie wichtig war dieses Tor für die Gemütslage?
Michael Zetterer: Es macht die Länderspielpause und die Trainingswoche auf jeden Fall angenehmer. Jetzt geht der Blick aber längst auf den neuen Gegner und es ist schon wieder alles abgehakt. Aber natürlich sind ein paar freie Tage nach einem Sieg schöner.
Burke-Tor kann „ein Faktor werden“
SPORT1: Wie emotional war das Tor von Burke – vor allem, wenn man seine Geschichte kennt?
Zetterer: Das ist eine super Geschichte, vor allem, weil er schon einmal so ein wichtiges Tor in der Nachspielzeit erzielt hat. Ich habe es ihm in den letzten Wochen oft gesagt, dass er für uns ein Faktor werden kann. Vor allem, wenn er so reinkommt, mit dem Elan und dem Tempo. Dann ist er immer gut für so ein Last-Minute-Tor. Das war enorm wichtig für uns und unterstreicht auch, dass wir jeden Spieler im Kader brauchen.
SPORT1: Wie bewerten Sie generell die Entwicklung der Mannschaft? Von außen betrachtet wirkt Werder noch mal gefestigter. Teilen Sie diesen Eindruck?
Zetterer: Auf jeden Fall. Wenn man noch die letzte Rückrunde dazu nimmt, dann machen wir einen gefestigteren Eindruck. Natürlich sind so ein paar Ausreißer-Spiele wie in Gladbach (1:4-Niederlage, Anm. d. Red.) noch drin. Solche Spiele sollten wir abstellen. Das kommt leider noch vor, es sollte uns aber nicht mehr passieren. Dennoch glaube ich, dass die Entwicklung grundsätzlich sehr positiv ist. Es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.
So denkt Zetterer über Trainer Werner
SPORT1: Wobei solche Spiele während einer Saison irgendwo auch dazugehören, oder?
Zetterer: Es gehört dazu, dass man Spiele auch mal verliert, das ist klar. Aber man darf sie vielleicht nicht so deutlich verlieren und auch nicht so einfache Gegentore bekommen, wie wir es zum Teil machen. Ich denke, das ist vielleicht der nächste Entwicklungsschritt, der uns noch fehlt - dass man defensiv noch stabiler wird und dass sich da noch etwas festigt. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das noch im Laufe der Saison hinbekommen. Und dann kann es mit der Kaltschnäuzigkeit, die wir vorne, haben, eine ganz gute Saison werden.
SPORT1: Wie ist aus Ihrer Sicht dieser nächste Schritt geglückt? Was ist passiert innerhalb der letzten Jahre?
Zetterer: Wir sind einfach drangeblieben und haben daran geglaubt. Ich denke, dass der Trainer (Ole Werner, Anm. d. Red.) da eine große Rolle spielt, weil es auf lange Sicht gesehen sehr gut funktioniert, was er von der Mannschaft einfordert. Ich glaube, seitdem er da ist, ist die Entwicklung durchweg positiv.
SPORT1: Niclas Füllkrug hat gesagt, dass Ole Werner ausnahmslos jeden Spieler weiterentwickelt hat, sehen Sie das auch so?
Zetterer: Ich kenne keinen Spieler bei uns im Kader, der nicht besser geworden ist unter ihm. Ich glaube, dass man immer wieder sieht, dass wir wirklich guten Fußball spielen.
Werner? „Ich kann nur Positives berichten“
SPORT1: Es sind jetzt drei Jahre unter Ole Werner, kann man da eine Überschrift finden? Ist es eine Erfolgsgeschichte bis hierhin?
Zetterer: Auf jeden Fall, wie Fülle (Niclas Füllkrug, Anm. D. Red.) auch gesagt hat. Ich glaube, wenn man keinen Spieler findet, der nicht besser geworden ist, dann ist das auf jeden Fall etwas, was sehr gut passt.
SPORT1: Gibt es einen Moment, den Sie mit Ole Werner besonders verbinden?
Zetterer: Einige. Der Aufstieg war natürlich sehr emotional. Aber vor allem in dem Jahr, seitdem ich jetzt im Tor stehe, ist die Beziehung noch einmal eine andere. Ich kann nur Positives berichten.
SPORT1: Ole Werner ist zurzeit auf dem dritten Platz der dienstältesten Bundesliga-Trainer. Wie besonders ist das in einer Zeit, in der die Halbwertszeit der Trainer ein, maximal zwei Jahre ist?
Zetterer: Ich hoffe, dass sich das ein wenig dreht. Dass man genau an dem Beispiel sieht, dass es auch viel wert ist, wenn man an einen Trainer glaubt, auch in den nicht so guten Phasen. Dass man trotzdem zu der Idee und der Entwicklung steht und nicht jeden Trainer nach drei verlorenen Spielen rauswirft. Wir sind ein gutes Beispiel, dass es auch anders geht.
Zetterer fordert Umdenken im Trainer-Geschäft
SPORT1: Geht das bei Werder besser, weil der Verein sehr familiär ist?
Zetterer: Ja, mit Blick auf den Trainer-Verschleiß ist das hier schon positiv und vielleicht ist es auch ein Vorteil, dass es eben ein bisschen familiärer ist als woanders. Es sollte aber, egal bei welchem Verein, ein Umdenken geben, bezogen auf den Trainer-Verschleiß. Das ist nämlich nicht der richtige Weg.
SPORT1: Ole Werner wirkt bei den Medien lockerer, ist das auch bei der Mannschaft so?
Zetterer: Auf jeden Fall. Er hat sich von Tag eins bis heute nicht geändert im Umgang mit uns. Er ist immer zu Späßen zu haben. Aber er weiß natürlich auch um die Ernsthaftigkeit in gewissen Situationen. Und da findet er, aus Spielersicht, immer den richtigen Weg.
SPORT1: Ist die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb aufgrund dieser Entwicklung schon früher möglich, als man ursprünglich dachte?
Zetterer: Man hat letztes Jahr anhand der Tabellensituation schon gesehen, dass es wirklich sehr eng ist. Ich glaube, das wird auch dieses Jahr so sein und das ist für uns als Verein sehr wichtig, um in Schlagdistanz zu bleiben. Das schafft man nur über eine gute Entwicklung und ein gutes Fundament. Das haben wir hinbekommen und wenn jetzt die krassen Aussetzer ausbleiben, dann können wir das als nächsten Entwicklungsschritt für uns festmachen.
Zetterer über seinen Weg zur Nummer eins
SPORT1: Ist das zurzeit die beste Werder-Mannschaft, seitdem Sie bei Bremen sind?
Zetterer: Auf jeden Fall. In der Kabine habe ich noch keine Mannschaft erlebt, die so intakt ist, wie wir aktuell. Da stimmt wirklich einiges. Ich glaube, dass sich jeder mit jedem wirklich gut versteht.
SPORT1: Wie hart war Ihr Weg zur Nummer eins?
Zetterer: Enorm hart, weil es sehr lange gedauert hat, mit vielen Umwegen und Verletzungen, die dazwischengekommen sind. Aber ich würde trotzdem keinen Tag davon missen wollen, weil es mich zu dem Menschen und Profisportler gemacht hat, der ich jetzt bin. Ich gehe mit sehr viel Ehrfurcht und Respekt an die ganze Nummer ran.
SPORT1: Sie bereuen also nichts und würden es wieder so machen?
Zetterer: Jetzt, wenn man alles überblickt, ist es natürlich eine Erfolgsgeschichte. Wenn man mich vor ein paar Jahren gefragt hätte, wären mir natürlich eine oder zwei Leihen weniger und ein schnellerer Weg ins Tor auch sehr recht gewesen. Aber jetzt bin ich sehr zufrieden damit.
„Die Nationalmannschaft ist auch ein Traum“
SPORT1: Gab es ein Moment, an dem Sie mit einem festen Wechsel geliebäugelt haben?
Zetterer: Natürlich, über die Zeit gab es öfters Gespräche, aber mein Ziel und Hauptgedanke war immer, für diesen Verein im Tor zu stehen. Da war nie ernsthaft der Gedanke da, dass ich vielleicht woanders hingehe.
SPORT1: Also haben Sie eine besondere Verbindung zu Werder Bremen?
Zetterer: Ja klar! Wenn man so lange in einem Verein ist, so viel miterlebt hat, Aufstiege, Abstiege, den Last-Minute-Klassenerhalt gegen Frankfurt, dann festigt das natürlich so eine Bindung.
SPORT1: Was für Ziele haben sie in ihrer Karriere noch?
Zetterer: Als Profisportler will man natürlich um Titel mitspielen, vielleicht Titel gewinnen. Die Nationalmannschaft ist auch ein Traum von jedem jungen Fußballer.
Zetterer bestätigt Kontakt zum DFB-Team
SPORT1: Sie kommen aus Bayern, haben eine besondere Verbindung zum FC Bayern, wie Sie bei Martin Harnik und Max Kruse im Podcast Flatterball gesagt haben. Würden Sie bei einem Angebot der Bayern schwach werden?
Zetterer: Ich glaube, das muss man dann in der Situation sehen. Wenn es kommen würde, kann man das beurteilen, bewerten. Ich hoffe natürlich, dass wir hier mit Werder noch mal um Titel spielen können, ob DFB-Pokal oder Europa, da kann ja alles kommen.
SPORT1: Auch der DFB war immer wieder mal Thema. Hatten Sie mal Kontakt mit Andreas Kronenberg (Torwarttrainer der Nationalmannschaft, Anm. d. Red.)?
Zetterer: Ja, es gab Kontakt. Wir hatten ein sehr langes Gespräch, haben uns über alles Mögliche ausgetauscht. Da möchte ich jetzt nicht ins Detail gehen, es war aber ein gutes Gespräch.
Kruse? „Es hat sehr gut gepasst“
SPORT1: Woher kommt das gute Verhältnis zu Max Kruse? Sie beide erscheinen recht unterschiedlich.
Zetterer: Vielleicht genau deswegen. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an. Als er hier Spieler war, haben wir uns von Tag eins an sehr gut verstanden, auch wenn die Interessen vielleicht woanders liegen. Aber das Zwischenmenschliche hat sehr gut gepasst. Ich verstehe mich mit Max nach wie vor sehr gut.
SPORT1: Wie sehen Sie seine Entwicklung?
Zetterer: Ich glaube der Fußball lässt dich niemals los, wenn du so ein genialer Kicker warst. Deswegen hat er auch immer gesagt, dass er so lange spielt, wie ihn die Beine tragen. Ob es in der Kreisliga ist oder wo auch immer.
SPORT1: Sie haben in dem Podcast auch über die Kopfballchance gegen Heidenheim gesprochen. Wie oft geht das noch durch Ihren Kopf?
Zetterer: Ich habe immer gesagt habe, dass wenn so eine Chance mal kommt, ich sehr sicher bin, dass ich den Ball aufs Tor bekomme, vielleicht auch mal ein Tor mache. Da hatte ich eine Riesenchance dazu. Deswegen hadere ich noch ein bisschen mit der Situation.
„Hoffe, dass ich in meiner Karriere noch ein Tor schieße“
SPORT1: Sie waren früher Stürmer?
Zetterer: Ich habe in der Jugend sehr viel Stürmer gespielt, habe da auch einige Kisten gemacht und schreibe mir auch zu, dass ich mit Ball gut umgehen kann. Normalerweise habe ich den Anspruch, dann so ein Ding zu machen.
SPORT1: Träumen Sie davon, so eine Chance noch einmal zu bekommen?
Zetterer: Auf jeden Fall. Ich hoffe, dass ich in meiner Karriere noch ein Tor schieße.