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Augenthaler vs. Völler: Dieses Foul hatte sogar Morddrohungen zur Folge

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Auf dieses Foul folgten Morddrohungen

1985 foulte Klaus Augenthaler Rudi Völler und verursachte eines der größten Fußball-Beben der Achtzigerjahre.
Klaus Augenthaler (Bayern, li.) foult Rudi Völler (Bremen)
Klaus Augenthaler (Bayern, li.) foult Rudi Völler (Bremen)
© IMAGO/WEREK
1985 foulte Klaus Augenthaler Rudi Völler und verursachte eines der größten Fußball-Beben der Achtzigerjahre.

Am Freitag treffen sie wieder aufeinander – Bayern München empfängt Werder Bremen. Der Nord-Süd-Gipfel der Achtziger ist längst auch die traditionellste Bundesligapaarung. Es gab sie schon 115 Mal, da kann keine andere mithalten. Ihre gemeinsame Geschichte ist voll von Highlights, Kuriositäten und Aufregern.

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Die bekanntesten sind der Kutzop-Elfmeter (1986) und das Einwurftor von Uwe Reinders (1982). Beide Possen spielten im Bremer Weser-Stadion. Aber die Geschichte, die das Verhältnis beider Vereine nachhaltig prägte, trug sich dort zu, wo sich ihre Mannschaften am Freitag treffen.

Ein historisches Duell Bayern vs. Bremen

In München – wenn auch in einem anderen Stadion. Das mit dem Zeltdach sah ein Foul, das eine Wunde riss, die Jahrzehnte lang nicht verheilte. Was geschah im November 1985?

Auf ihrem Weg zur Titelverteidigung haben es die Bayern unter Trainer Udo Lattek 1985/86 mit einem hartnäckigen Rivalen zu tun: Werder Bremen. Otto Rehhagels Mannschaft spielt wie schon im Vorjahr, als sie erst am letzten Spieltag auf Platz zwei verwiesen wird, um den Titel mit.

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Am 16. Spieltag reist sie mit drei Punkten Vorsprung nach München und könnte die inoffizielle Herbstmeisterschaft fix machen. Es ist zwar der 23. November, aber kein Herbst mehr.

München zeigt sich den Bremern schon im Wintergewand. Der Platz muss freigeschippt werden, hinter den Toren und auf den Rängen häufen sich die Schneeberge. Die Zuschauerzahl (37.000) im halbleeren Rund des Olympiastadions deutet auch auf ungemütliche Umstände hin.

Ungewöhnlich wird es dann auch auf dem Rasen. Die Trainer Lattek und Rehhagel können sich nicht ausstehen, ihr Verhältnis ist seit über zehn Jahren von herzlicher Abneigung geprägt und das überträgt sich auf ihre Mannschaften, diese schenken sich rein gar nichts. Schiedsrichter Gerhard Theobald wird hinterher „vom schwierigsten Spiel meiner Amtszeit“ sprechen.

Augenthaler vs. Völler - ein Foul, dass eine Wunde riss

Der Kampf um die Herbstmeisterschaft 1985/86 bleibt vor allem wegen seiner Ruppigkeit in Erinnerung und einem Foul, vom dem noch lange geredet und über das noch länger geschrieben werden wird.

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Die Münchner gehen bei dieser Hackerei mit schlechtem Beispiel voran. Sie verteidigen die frühe Führung durch ein Tor von Norbert Nachtweih mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln. Nach 17 Minuten schon der Eklat: Libero Klaus Augenthaler fällt den auf ihn zu sprintenden Nationalstürmer Rudi Völler.

Mag sein, dass er den Ball treffen will, er trifft aber den Gegner. Der Bremer, damals 25, überschlägt sich mehrmals und krümmt sich vor Schmerz. Beim Sturz verletzt er sich – und wird nach minutenlanger Behandlung ausgewechselt. Er wird bis zum Rückspiel im April ausfallen.

Diagnose: Adduktorenabriss. Augenthaler bekommt nur Gelb, ist aber für die Öffentlichkeit der Buhmann. Nach seinem Statement sehen manche rot: „Ich hab selbst den ganzen Knöchel offen. Wenn es ein absichtliches Foul gewesen wäre, dann hätte ich ihn mit den Stollen oder dem Schuh getroffen.“

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Aber er hat ihn gefoult und die Bremer müssen (nicht nur diese) Partie ohne ihren besten Stürmer zu Ende bringen.

Matthäus fliegt mit Rot vom Platz

Nach dem Ausgleich des späteren Werder-Trainers Thomas Schaaf wähnen sie sich plötzlich auf der Siegerstraße, als dann noch Lothar Matthäus nach einem Foul an Bruno Pezzey vom Platz fliegt (44.).

Aber Bayerns rustikale Gangart hinterlässt Eindruck. Werder-Präsident Dr. Franz Böhmert eilt in der Pause in die Kabine und sagt: „Wir haben nur noch ein Ziel: gesund nach Hause zu kommen. Sieg oder Punktgewinn sind völlig unwichtig.“

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Ganz anders die Bayern: Die Unterzahl löst eine Trotzreaktion aus und der eingewechselte Dieter Hoeneß trifft zweimal, sie siegen mit 3:1. Punkte, die am Ende von Bedeutung sein werden. Die Art und Weise? Egal. Da kann der Kicker noch so sehr mahnen („Solche Siege wollen wir nicht“).

„Wir spielen ja nicht Tischtennis oder Schach“

Auf der Pressekonferenz geht der Zoff weiter, nun fliegen die Giftpfeile. Rehhagel sagt zum Fall Völler, er wisse „gar nicht mehr, was ich mit dem Jungen machen soll. Wo immer wir hinkommen, wird er brutal gefoult und niedergemacht. Normalerweise kann ich den Rudi gar nicht mehr aufstellen.“

Latteks Replik ist nicht sehr einfühlsam und nährt das Klischee von den arroganten Bayern: „Wir spielen ja nicht Tischtennis oder Schach.“

Etwas mitfühlender ist da schon der Kommentar von Dieter Hoeneß, der zugibt: „Da sind wohl einige übers Ziel hinausgeschossen.“ Er schiebt es auf den Druck, den die Konstellation in der Tabelle gemacht hat.

Mit dem Abpfiff ist dieses Spiel aber noch lange nicht vorbei.

Augenthaler im Kreuzfeuer

Augenthaler erhält Morddrohungen, seine Familie Polizeischutz. Beim nächsten Spiel in Mönchengladbach wird er 90 Minuten ausgepfiffen und fühlt sich als „Freiwild“.

Ein Rudi Völler ist eben schon damals extrem populär, das Foul erscheint mit jeder TV-Wiederholung brutaler. Völler verzeiht ihm zwar noch im Krankenbett („Er hat es sicher nicht mit Absicht gemacht.“) und akzeptiert Fouls „als realistischen Teil meines Jobs“.

Im Februar 1985 in Bremen regten sich die Bayern-Fans übrigens über ein Völler-Foul an Augenthaler auf, das nicht geahndet wurde. Sachen gibt’s.

Diesmal aber ist es schlimmer. Völler fällt ein halbes Jahr aus.

Der Streit um Völlers Verletzung eskaliert

Warum, darüber streiten die Ärzte. War es gar nicht das Foul, sondern die von Bayern-Doc Müller-Wohlfahrt diagnostizierte „weiche Leiste“? Dass DFB-Teamchef Franz Beckenbauer Völler ausgerechnet zum Bayern-Arzt schickt, vergiftet das Klima zwischen den Parteien zusätzlich.

Der FC Bayern will „Auge“ reinwaschen, fürchten sie in Bremen. Tatsächlich verlangt dessen Präsident Fritz Scherer am Tag der Operation, die erst am 17. 2. 1986 (drei Monate nach dem Foul) erfolgt, eine Presseerklärung von Werder, dass Augenthalers Foul nicht ursächlich für die Verletzung gewesen sei.

Werder lehnt brüskiert ab, setzt eine Pressekonferenz an und beharrt auf der Gegendiagnose seines Vereinsarztes Fritz Meschede und des belgischen Operateurs Dr. Martens. Den vermittelt übrigens Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff.

Wie es wirklich gewesen ist, wird öffentlich nie geklärt. Aber Doc Müller-Wohlfahrt irrt selten…

Völlers Comeback und die Wunden der Bayern-Bremen-Rivalität

Beobachter sind sich einig, dass dieses Spiel und die Folgen die bittere Rivalität zwischen Vertretern beider Vereins auf Jahre prägten. „Bei diesem Spiel fing die innige Freundschaft zwischen Uli Hoeneß und Willi Lemke an“, witzelte Völler Jahrzehnte später.

Regelmäßig flogen vor den Spielen die Fetzen zwischen den Machern, der Sozi Lemke rief gern zum Klassenkampf gegen die Kapitalisten aus München auf. Bis Christoph Daum auf der Bildfläche erschien, war Lemke der Lieblingsfeind von Uli Hoeneß.

Nicht immer heilt die Zeit alle Wunden, in diesem Fall aber war es so. Zum Glück, denn es ist ja nur Fußball. Der bekanntlich die tollsten Geschichten schreibt – und die tollsten Epiloge.

Völler feierte sein Comeback ausgerechnet im Rückspiel und holte nach seiner Einwechslung am 22. April 1986 den ebenso legendären wie unberechtigten Kutzop-Elfmeter heraus.

Die ausgleichende Ungerechtigkeit war nicht von Belang, da Kutzop den Elfmeter, der Werder zum Meister gemacht hätte, verschoss. Am Ende lachten wieder die Bayern.

1990 gemeinsam Weltmeister

Im Juli 1990 wurden Augenthaler und Völler Seite an Seite in Rom Weltmeister und im Mai 2003 verpflichtete Leverkusen mit Sportdirektor Völler Augenthaler als Trainer, der Bayer 04 vor dem Abstieg rettete und dann in die Champions League führte.

Etwas länger dauerte es allerdings, bis sich auch Uli Hoeneß und Willi Lemke (mittlerweile verstorben) wieder lieb hatten.