Florian Wirtz musste sich lange gedulden. Obwohl Bayer Leverkusen beim VfL Wolfsburg eine schwache erste Halbzeit gespielt hatte, ließ Trainer Xabi Alonso seinen Unterschiedsspieler zunächst auf der Bank. Erst in der 55. Minute rief er ihn zu sich, gab ihm gestenreich einige Anweisungen und wechselte ihn in der 59. Minute ein.
Alonsos gefährliches Spiel
Es dauerte nicht lange, bis der Unterschiedsfaktor festzustellen war. Der 21-Jährige brachte seine technischen Qualitäten zur Geltung, ließ oftmals die Gegenspieler stehen und belebte das komplette Offensivspiel seiner Mannschaft.
Nicht nur Torwart Lukas Hradecky stellte fest: „Als Flo reinkam, hat sich das Momentum ein bisschen zu uns gedreht.“
Auch Robert Andrich sagte: „Wenn Flo auf dem Platz ist, macht das schon einen Unterschied. So ehrlich müssen wir sein. Auch wenn wir einen riesigen und guten Kader haben, kann man keinen Flo ersetzen. Man merkt einen Unterschied, wenn er auf dem Platz steht und wenn er nicht auf dem Platz steht.“
Umso mehr stellt sich die Frage, warum Wirtz nicht von Anfang an auf dem Platz gestanden hatte.
Auf Nachfrage von SPORT1 verwies Alonso auf den Pokal-Krimi am Mittwochabend gegen den 1. FC Köln: „Er hatte ein großes Spiel über 120 Minuten. Sein Einsatz war groß und wir wollen Flo bestmöglich helfen. Die Idee war, dass wir ihn in der zweiten Halbzeit brauchen. Sein Einfluss war gut, er hätte fast einen Elfmeter herausgeholt (wegen Abseits nicht gegeben; Anm. d. Red.) und er hatte die letzte Chance.“
Rolfes verteidigt Alonso
Sportdirektor Simon Rolfes verteidigte die Entscheidung des Trainers: „Flo hätten wir am liebsten immer auf dem Platz. Aber das ist bei so vielen Spielen schwierig“, sagte er auf SPORT1-Frage. „Es ging ja nicht um die Leistung. Wir müssen einfach auch bei Florian und den Jungs im vorderen Bereich gucken, dass sie immer wieder ein bisschen Luft holen können, um wieder topfit zu sein.“
Und doch bleibt die Frage, ob sich Alonso mit seinen Rotationen verzockt hat. Im Vergleich zum Pokalspiel gegen Köln gab es acht Veränderungen in der Startelf. Lediglich die Verteidiger Nordi Mukiele und Jonathan Tah sowie Mittelfeldspieler Granit Xhaka blieben in der Anfangsformation. Waren diese Änderungen zu riskant?
Vor allem in der ersten Hälfte tat sich Leverkusen gegen hoch pressende und schnell umschaltende Wolfsburger auffällig schwer.
„Nach dem Spiel kann man immer analysieren. Aber ich muss vor dem Spiel eine Entscheidung treffen. Ich dachte, dass diese Spieler hier ein gutes Spiel machen können“, erklärte Alonso, der mit der Leistung seiner Mannschaft nicht gänzlich unzufrieden war. „Es ist nicht einfach hier in Wolfsburg. Wir hatten den Willen und den Hunger, um zu gewinnen. Der Weg ist gut und wir bleiben positiv.“
Leverkusen klammert sich an Resthoffnung
Doch besteht jetzt noch eine Chance, den FC Bayern einzuholen? Selbst wenn Leverkusen am Samstag das direkte Duell gewinnen sollte, würde der Rückstand noch immer fünf Punkte - inklusive eines erheblich schlechteren Torverhältnisses - betragen.
Andrich glaubt trotzdem an die Chance: „Es sind dann noch immer zwölf Spiele. Und da könnte noch viel passieren.“
Hradecky scheint da etwas weniger optimistisch: „Bei alles andere als einem Heimsieg können wir das (die Meisterschaft; Anm. d. Red.) abschreiben. Vielleicht können wir mit einem Heimsieg ein bisschen das Momentum der Bayern stören. Aber selbst dann wird es schwierig, klar“, sagte er. „Wir haben uns nicht vorgestellt, dass die (Bayern; Anm. d. Red.) so stark spielen. Die haben einen guten Schnitt von den Punkten her. Wir spielen auch keine schlechte Saison, aber eben nicht so wie letzte Saison.“
Der Unterschied zur Vorsaison
Der Unterschied zur Vorsaison ist laut Hradecky kurz zusammengefasst: „Die Spiele, die wir nun Unentschieden spielen, haben wir letztes Jahr gewonnen.“
Bereits siebenmal ging Leverkusen in der laufenden Spielzeit mit einer Punkteteilung vom Platz. Vergangene Saison gab es sechs Unentschieden über die gesamte Saison.
Zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison hatte Leverkusen 55 Punkte auf dem Konto - neun Zähler mehr als jetzt. Hätten sie auch jetzt diese Punkteausbeute, wären sie mit einem Punkt Vorsprung auf den FC Bayern Tabellenführer.
Doch die Realität ist eine andere. „Der Abstand ist leider viel zu groß geworden“, bedauert Hradecky.
Vermutlich zu groß, um dem FC Bayern wirklich noch mal gefährlich werden zu können.