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FC Bayern: Eine Blamage, die fast unterging

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Bayerns vergessene Blamage

Am Samstag trifft der FC St. Pauli in München auf die Bayern. Ein Duell, das auf ewig mit dem Begriff „Weltpokalsiegerbesieger” verbunden ist. Doch schon Jahre zuvor gab es für die Bayern eine Blamage gegen St. Pauli - ein Blick in den Rückspiegel.
Beim FC Bayern ist St. Pauli krasser Außenseiter. Doch von Angst keine Spur. Schließlich haben schon andere Teams gezeigt, wie man den Primus ärgert. Auch die direkte Konkurrenz der Kiez-Kicker.
Am Samstag trifft der FC St. Pauli in München auf die Bayern. Ein Duell, das auf ewig mit dem Begriff „Weltpokalsiegerbesieger” verbunden ist. Doch schon Jahre zuvor gab es für die Bayern eine Blamage gegen St. Pauli - ein Blick in den Rückspiegel.

Wenn der kleine FC St. Pauli am Samstag wieder einmal bei den Bayern antreten muss (ab 15.30 im LIVETICKER), werden bei den meisten Fans Gedanken an ein Spiel wach, das alle kennen: der Tag, als sie zum „Weltpokalsiegerbesieger“ wurden – damals im Februar 2002 am Millerntor (2:1).

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Dabei gab es weit davor schon mal eine eigentlich noch größere Sensation beim bis dato einzigen Sieg in München. Auch im März 1991 reisten die Hamburger als Underdog zum amtierenden Meister – und schrieben Vereinsgeschichte, denn es war ihr erster Sieg überhaupt gegen den FC Bayern.

Hoch über den Wolken, in 10.000 Metern, war Stimmung wie auf der Reeperbahn. Der Kapitän des Lufthansa-Flugs 058 hatte seinen prominenten Fluggästen per Lautsprecher gratuliert und das ganze Flugzeug applaudierte. Bravo-Rufe wechselten mit Stadiongesängen („Oh wie ist das schön).

So klang es an jenem 2. März 1991 auch schon zwei Stunden zuvor aus der Gästekabine des Münchner Olympiastadions, von dessen Anzeigetafel um 17.15 Uhr das Unfassbare leuchtete: FC Bayern – FC St. Pauli 0:1. Wie konnte das geschehen?

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Ein Trainerwechsel, der fruchtet

Gewiss nicht ohne Horst Wohlers, den neuen Trainer des Abstiegskandidaten, der damals wie heute weniger Saisontore als Spiele aufwies, aber im März 1991 nicht so viel Geduld mit seinem Übungsleiter hatte wie im März 2025.

Noch kurz vor dem Start in die Rückrunde trennte sich der Kiez-Klub von seinem beliebten Aufstiegstrainer Helmut Schulte, wofür Präsident Heinz Weisener einige Kritik einstecken musste. Neuer Mann am Steuerruder war Horst Wohlers, ein früherer Gladbacher Meisterspieler, der zusammen mit Bayern-Trainer Jupp Heynckes viele Erfolge gefeiert hatte. Nun waren sie Gegner und hatten nicht vor, sich etwas zu schenken. Die Bayern sowieso nicht.

Nach Platz zwei in der Hinrunde, auf dem gewöhnlich eine Bayern-Krise beginnt, tönte Manager Uli Hoeneß: „Wir verlieren in der Rückrunde kein Spiel mehr!“ Besser kann man Gegner eigentlich nicht motivieren. Dagegen fand Hoeneß-Freund Paul Breitner in seiner Bild-Kolumne „dass die Spieler dem Druck, den Uli mit seinem Spruch von der Unschlagbarkeit erzeugt hat, nicht gewachsen sind“.

Münchner Überheblichkeit traf auf Hamburger Aufbruchsstimmung. Wohlers, in der Hinrunde noch erfolgloser Trainer bei Abstiegskandidat Bayer Uerdingen, trichterte seinen Spielern ein, dass sie in München „nichts zu verlieren“ hätten, weshalb sie ruhig auf Sieg spielen könnten: „Ich befahl Risiko – aber nur in der Hälfte des Gegners.“

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Umbruch bei St. Pauli

Und er setzte auf Verbannte und Übergangene. Nach über einem Jahr durfte der langhaarige Kult-Keeper Volker Ippig, Teil der Hausbesetzerszene in der Hamburger Hafenstraße, wieder mal ran. In der Abwehr debütierte ein junger Franke namens Bernd Hollerbach, der sein Glück kaum fassen konnte: „Als Wohlers sagte ‚Du spielst‘, bekam ich Gänsehaut.“

Bei seiner Premiere meldete der kommende Kultkicker beider Hamburger Bundesligisten Weltmeister Stefan Reuter ab. Im Sturm durfte der von Schulte aussortierte Tscheche Ivo Knoflicek ran, der die Bayern-Abwehr gehörig durcheinander wirbelte, das Tor des Tages vorbereitete und auch verbal einen Volltreffer landete. In Richtung Ex-Coach Schulte sagte er: „Endlich konnte ich zeigen, was ich kann. Das erste Mal, seit ich bei St. Pauli bin, haben wir mit Taktik gespielt – und nicht nur Bla-Bla-Fußball.“

Die Taktik hieß: Hinten dicht und vorne hilft der liebe Gott. Wohl auch, weil das allgemein so erwartet wurde, verloren sich nur 15.000 Zuschauer im weiten Rund des Olympiastadions. Am Spielfeldrand lag noch Schnee und St. Pauli, seit fünf Monaten sieglos, war nicht gerade eine Attraktion der Liga.

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Außerdem: die Bayern von 1990/91 verzauberten auch niemanden. Ein Grund, der nach der Pleite in den Medien kursierte: das allzu scharfe Konditionstraining von Co-Trainer Egon Coordes. Darüber gab es noch auf der Tartanbahn einen Disput zwischen ihm und Reuter. Coordes reagierte heftig und nannte Reuter einen „Scheißer“, doch Mitspieler sahen es ähnlich. Stefan Effenberg, noch in seiner ersten Bayern-Saison, wunderte sich: „Eigentlich muss man die Power haben, so ein Spiel umzudrehen, aber zum Schluss hat die Frische gefehlt.“ Manfred Bender konzedierte: „Wir waren heute schlapp drauf irgendwie.“

„Das Tor meines Lebens“

Auch zu besichtigen beim 0:1 durch den Ex-Frankfurter Ralf Sievers per Linksschuss ins lange Eck, von dem der Schütze sagte: „Es war das Tor meines Lebens, von dem ich noch meinen Enkeln erzählen werde.“

Die Süddeutsche Zeitung schilderte den entscheidenden Moment in der 43. Minute so: „Es war zustande gekommen unter Mithilfe eines gegnerischen Trios. Erst grätschte Bender am Ball vorbei, den Knoflicek auch im Zweikampf mit Effenberg behauptete - und gegen den im Krebsgang verteidigenden Thon.“

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Olaf Thon, einer von sechs Weltmeistern auf dem Platz – und alle trugen sie Bayern-Rot – wurde von Heynckes zum Sündenbock auserkoren. Seine vergebene Chance in der 31. Minute aus fünf Metern, als er Ippig anschoss, sei „der Knackpunkt des Spiels“ gewesen. Das laut Kicker 4:1 für die Bayern, aber auch 4:0 für St. Pauli hätte ausgehen können. Es war der Tag der vergebenen Großchancen, St. Pauli hatte weniger, aber die besseren.

„Wir hätten was für unser Torverhältnis tun können“, sagte Abwehrchef Jan Kocian mit bierernster Miene und auch Wohlers fand auf der Pressekonferenz zum Ärger von Heynckes: „Wir hätten höher gewinnen können.“

Ex-Trainer im Fanblock

Aber gemessen an den Jubelszenen nach Abpfiff waren sie wohl auch mit dem 1:0 zufrieden. Euphorisch warfen sie ihre Trikots in den Gästeblock. Helmut Schulte hat übrigens keines gefangen, obwohl er mit St. Pauli-Schal und Bierchen unter den Anhängern stand.

Was Wohlers den einzigen Grund für eine Verstimmung an diesem für seinen Verein so historischen Tag gab: „Das ist sportlich unfair. Dadurch macht er mir die Arbeit nicht leichter. Wenn er sich auf die Tribüne setzt, ist das normal. Dass er bei den Fans steht, ist ein Skandal.“ So fragte die Bild-Zeitung prompt: „Wollte Schulte seinen Nachfolger verlieren sehen?“

Vor dem Nachholspiel am Dienstag darauf gegen Schlusslicht Hertha BSC appellierte der Coach an seine Spieler, den Sieg nicht allzu ausgiebig zu feiern. Womöglich vergebens. Mittelfeldspieler Peter Knäbel hatte zwar noch gemahnt: „Wenn wir Hertha nicht schlagen, war der Sieg in München nichts wert.“ Sie spielten aber nur 2:2 und am Ende stiegen sie ab.

Die Bayern leckten derweil ihre Wunden und Hoeneß knurrte trotzig: „Solche Spiele kamen vor, die haben wir auch in unseren besten Zeiten gehabt. Dann verlieren wir halt ab jetzt kein Spiel mehr.“ Seine Mannschaft strafte ihn noch dreimal Lügen und am Ende blieben sie auf dem zweiten Platz hinter dem 1. FC Kaiserslautern, nach Münchner Lesart der erste für Verlierer. Auch, weil die Punkte gegen St. Pauli fehlten.