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“Viele dachten: Was ist das denn für ein Idiot?“

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„War immer an der Grenze des Erlaubten“

Fortuna-Düsseldorf-Legende Rouwen Hennings spricht im Exklusiv-Interview mit SPORT1 über das Topspiel beim HSV, seine bewegte Karriere und seine Zukunft.
Rouwen Hennings spricht im exklusiven SPORT1-Interview über Davie Selke, Friedhelm Funkel und packt eine Kabinen-Anekdote aus.
Fortuna-Düsseldorf-Legende Rouwen Hennings spricht im Exklusiv-Interview mit SPORT1 über das Topspiel beim HSV, seine bewegte Karriere und seine Zukunft.

Rouwen Hennings steht bei Fortuna Düsseldorf im Rang einer Legende. Von 2016 bis 2023 stand er in 229 Spielen für die Fortuna auf dem Platz und erzielte insgesamt 84 Tore für die Rheinländer.

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Aktuell ist der 37-Jährige vereinslos. Vor dem Zweitliga-Topspiel am Samstagabend zwischen dem Hamburger SV - Hennings‘ erster Profistation - und Fortuna Düsseldorf (ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und im LIVETICKER) spricht Hennings exklusiv bei SPORT1 über das Duell seiner Ex-Klubs.

SPORT1: Herr Hennings, Sie nehmen sich im Urlaub Zeit für das Interview. Wo sind Sie denn?

Rouwen Hennings: Ich bin gerade mit meiner Frau in Österreich im Schnee. Ich bin Schlittenfahrer – Skifahren war mir als Fußballer immer zu riskant. Wir wollten mal etwas Zeit zu zweit ohne die Kinder verbringen.

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SPORT1: Seit vergangenem Sommer haben Sie sich eine Auszeit genommen, oder?

Hennings: Jein. Ende November 2023 habe ich mich an der Wade verletzt. Es war nur ein Muskelfaserriss, doch als dieser ausgeheilt war, bekam ich Probleme an der Achillessehne - und die habe ich nicht mehr in den Griff bekommen. Ich hatte eine Option auf eine Vertragsverlängerung in Sandhausen, wenn ich noch fünf Spiele absolviert hätte, doch dann musste ich operiert werden. Seitdem befinde ich mich in der Reha-Phase. Inzwischen geht es mir besser, und ich möchte erst einmal komplett fit werden. Ich will mir die Tür für eine Fortsetzung meiner Karriere nicht komplett schließen.

SPORT1: Sie kehren nächstes Jahr zur Fortuna zurück, richtig?

Hennings: Das stimmt. Ich möchte dort als Trainer im Nachwuchsleistungszentrum arbeiten. Ich habe die B-Lizenz erworben und gemerkt, wie viel Spaß mir das macht. Darin sehe ich meine Zukunft.

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Rouwen Hennings begann beim HSV

SPORT1: Am Samstag kommt es zum Duell Ihrer Ex-Klubs: der HSV gegen Fortuna Düsseldorf. Das fühlt sich doch schon nach Bundesliga an, oder?

Hennings: Absolut! Ich bin Fortuna-Fan und habe auch zum HSV eine besondere Verbindung, weil ich dort meinen ersten Profivertrag unterschrieben habe. Schon als Kind bin ich mit Fortuna aufgewachsen, habe Panini-Sticker gesammelt - und da war Fortuna immer in der Bundesliga. Als ich dann zur Fortuna kam, ging es wieder bergauf, nach zuvor eher traurigen Jahren. Beide Klubs haben ein riesiges Potenzial, enorme Strahlkraft und gehören in die Bundesliga. Der HSV hat von seiner Reputation her vielleicht noch einen kleinen Tick mehr.

SPORT1: Wie blicken Sie auf Ihre Zeit in Hamburg zurück?

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Hennings: Ich bin damals als C-Jugendlicher zum HSV gewechselt, in die U14, wenn ich mich richtig erinnere. Ich habe sämtliche Jugendmannschaften durchlaufen und es auch in den Profikader geschafft. Gespielt habe ich allerdings nie - ich durfte zwar mittrainieren, bekam aber keinen Einsatz in einem Pflichtspiel. Damals war der Klub deutlich erfolgreicher, vielleicht war der Sprung für mich einfach zu groß.

Fan-Liebling bei Fortuna

SPORT1: Insgesamt 84 Tore haben Sie für Fortuna geschossen und sich damit auf dem vierten Platz der ewigen Torschützenliste des Klubs eingereiht. Wie stolz sind Sie?

Hennings: Sehr stolz. Fortuna ist ein Verein, der den deutschen Profifußball von Anfang an begleitet hat. Es ist ein schönes Gefühl, meinen Platz in dieser Historie so weit oben gefunden zu haben.

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SPORT1: Sie waren ein großer Publikumsliebling in Düsseldorf - was haben die Fans an Ihnen geschätzt, aus Ihrer Sicht?

Hennings: Es gibt gewisse Parallelen zu Axel Bellinghausen (jahrelanger Fortuna-Profi und Fan-Liebling, Anm. d. Red.). Ich habe immer versucht, mich in den Dienst der Mannschaft zu stellen und alles zu geben. Das körperbetonte Spiel lag mir schon immer. Vielleicht kam von den gegnerischen Fans deshalb manchmal Antipathie rüber, sodass mich die Fortuna-Fans umso mehr geliebt haben. Viele dachten: “Was ist das denn für ein Idiot?” In Sandhausen waren dann einige überrascht und sagten zu mir: “Du bist ja total nett.”

SPORT1: Hatten Sie das Gefühl, dass diese Spielweise Ihnen auch innerhalb der eigenen Mannschaft besondere Anerkennung eingebracht hat?

Hennings: Kein Fußballer mag es zu verlieren - ich auch nicht. Ich war immer an der Grenze des Erlaubten, habe aber nie jemanden umgetreten oder absichtlich verletzt. Ich habe stets alles gegeben und mich auch außerhalb des Platzes nie für etwas Besonderes gehalten. Ich bin ein ganz normaler Typ - ich kann nur etwas besser Fußball spielen als der eine oder andere.

SPORT1: Waren Sie als Profi bei Fortuna jemand, der schwierig war und polarisiert hat?

Hennings: Es gab Phasen, in denen ich mit Scheuklappen unterwegs war und mehr auf mich selbst schauen musste. Fußball ist ein Mannschaftssport, aber jeder steht auch für sich. Wenn man in einem erfolgreichen Team seinen Beitrag leistet, ist das besser, als nur den Alleinunterhalter zu geben. Solange die Duelle mit meinen Gegenspielern fair waren, war ich immer gerne dabei. Es gab aber sicher einige, die über das Ziel hinausgeschossen sind.

SPORT1: Wer denn?

Hennings: Ich kann mich nicht mehr so gut daran erinnern. (lacht) Manch einer hat sich mit der Wortwahl unter der Gürtellinie bewegt, aber hinterher war immer alles in Ordnung. Ich habe auch Ecken und Kanten, aber alles in allem bin ich ein fairer Sportsmann.

SPORT1: Der Trainer, unter dem Sie am längsten in Düsseldorf aktiv waren, war Friedhelm Funkel. Gibt es eine besondere Erinnerung, die Sie mit ihm verbinden?

Hennings: Die Saisonvorbereitungen unter Funkel sind ein spezielles Erlebnis - da war er immer etwas anders. Beim Trainingsstart wurde noch gelacht, aber ab dem zweiten Tag bis zum Ende der Vorbereitung wurde Funkel zum Schleifer. Da hat er schon mal richtig ekelhafte Läufe ausgepackt. Mit der Stoppuhr in der Hand rief er ab und zu rein: „Ihr seid zwei Minuten zu langsam!“ Den letzten Lauf machten wir dann alle zusammen, obwohl wir unterschiedlich eingeteilt waren. Bei der Hälfte des letzten Durchgangs ging Funkel ohne ein Wort in die Kabine, das war herrlich. (lacht)

SPORT1: Was macht Funkel wirklich aus?

Hennings: Seine unglaubliche Erfahrung und Ruhe. Er wusste, wann er mal etwas lauter werden muss und wann nicht, wann er mehr Gas im Training geben muss und wann er einen Spieler anders anpacken muss. Da hatte Funkel ein wahnsinnig gutes Gespür. Er hatte auch ein starkes Trainerteam mit Peter Hermann, Thomas Kleine und Axel Bellinghausen. Auf sie konnte sich Herr Funkel voll und ganz verlassen. Er hat seinen Staff immer sehr eng eingebunden, und alle kamen gut mit ihm zurecht. Da griff ein Rädchen ins andere. Funkel war immer völlig unaufgeregt, selbst bei einer Niederlagenserie. Er war einfach von der Sache überzeugt.

SPORT1: Sie waren in der Saison 2014/15 in der Relegation KSC-HSV dabei und erlebten mit Karlsruhe ein ähnliches Drama wie die Fortuna im vergangenen Jahr. Wie lange hat es Sie damals beschäftigt?

Hennings: Es war sehr hart. Das war meine größte sportliche Niederlage. Wir waren so nah dran, und gefühlt hat uns ganz Fußball-Deutschland den Sieg gegönnt – dass der große HSV für den schleichenden Abwärtsstrudel, in dem er jahrelang steckte, bestraft wird. Im ersten Spiel in Hamburg waren wir die bessere Mannschaft, haben dann aber nur ein 1:1 geholt und im Rückspiel verloren. Das hat uns den Stecker gezogen. Das war ein echter Tiefschlag, und die Tage danach waren nicht gut. Das war wochenlang ein Thema, auch noch zu Beginn der neuen Saison.

SPORT1: Daniel Thioune - ehemals Coach beim HSV - ist trotz der Düsseldorfer Relegations-Enttäuschung geblieben. Wie stehen Sie zu ihm?

Hennings: Ich habe zu Beginn der aktuellen Saison mit ihm telefoniert und ihm gesagt, wie bemerkenswert es ist, dass man nach dieser schwer zu verarbeitenden Niederlage in Bochum in der letztjährigen Relegation so stark gestartet ist. Da können sich bei Fortuna alle auf die Schulter klopfen. Ich sehe Thioune durchweg positiv. Ich hatte in den anderthalb Jahren unter ihm ein sehr gutes und offenes Verhältnis. Er gibt einem sehr viel mit, gibt die Richtung klar vor, möchte aber auch viel hören aus der Mannschaft heraus und reagiert auch darauf. Er ist der richtige Mann am richtigen Ort.

SPORT1: Wie finden Sie die Aktion „Fortuna für alle“, die Zuschauern freien Eintritt für einen Teil der Spiele ermöglicht - unter den Fans aber nicht unumstritten ist?

Hennings: Es ist etwas noch nie Dagewesenes. Man möchte allen Menschen Fußball ermöglichen, die sich das nicht immer leisten können. Unter diesem Ansatz ist es wunderbar. Es wäre schön, wenn es mehrere solcher Möglichkeiten gäbe. Aber ich verstehe auch diejenigen, die sagen, dass es ein zweischneidiges Schwert ist. Ein volles Stadion ist natürlich schön, aber wenn 20.000 da sind, die Vollgas geben, ist es für mich auch klasse, anstatt 48.000, bei denen die Hälfte nur da ist, weil es gerade gepasst hat.

SPORT1: Torjäger Davie Selke steht beim HSV im Blickpunkt. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?

Hennings: Selke polarisiert natürlich. Für die gegnerischen Fans und Klubs ist er provokativ. Aber man muss auch sehen: Selke musste in seiner Karriere schon durch tiefe Täler. Sich da wieder heraus zu kämpfen, verdient Respekt. Gerade hat er einen guten Lauf. Er hat die andere Seite des Fußball-Rummels erlebt. Auf Selke wurde teilweise schon sehr eingedroschen. Ich freue mich für ihn, dass es jetzt so läuft.

SPORT1: Aus Ihrer eigenen Erfahrung heraus: Wie schwer ist es, einen Typen wie Selke in eine Mannschaft zu integrieren?

Hennings: Das hat viel mit Menschenführung zu tun. Selke ist keiner, der nach hinten rennt und den Ball am 16er erobern will. Er steht vorne drin und schießt die ein, zwei Tore. Das ist ein Thema, das du als Trainer gut intern kommunizieren musst. Wichtig ist der Teamspirit. Wenn du jemanden wie Selke hast, der dir Tore garantiert, lässt du ihm auch mal etwas durchgehen.

SPORT1: Wie war es bei Ihnen?

Hennings: Früher musste ich auch nicht ganz so viel laufen. Es gab Trainer, die mir sagten: „Mach lieber deine Tore.“ Aber im Laufe der Jahre wurde ich dann „leider“ doch etwas mehr gefordert in der Hinsicht (lacht).

SPORT1: Wie schätzen Sie die Machtverhältnisse für Samstag ein?

Hennings: Es wird für beide Teams ein wichtiges Spiel, weil beide am vergangenen Wochenende nicht so gut gespielt haben. Der HSV hat einen Tick mehr Selbstbewusstsein. Ich drücke Fortuna die Daumen und hoffe auf ein 3:2 für Fortuna.