Die Geschichte von Oliver Burke hat in den vergangenen Wochen einen geradezu kitschigen Anstrich bekommen. Vom Aussortierten zum Leistungsträger, vom Mitläufer zum Publikumsliebling. Vom fast schon Hoffnungslosen zu Werder Bremens großem Hoffnungsträger.
Wie konnte es so weit kommen?
Für das hollywoodreife Finale der erstaunlichen Comeback-Story fehlte nur noch die Unterschrift unter einem neuen Vertrag. Dachte man zumindest an der Weser. Doch das hanseatische Fußball-Märchen kam jüngst zu einem völlig unerwarteten Ende. Oder, so sehen es viele Fans, zu einem äußerst hässlichen.
Burke entschied sich gegen Werder und geht wohl zu Union Berlin. Obwohl er endlich an seinem Leistungslimit kratzt. Obwohl ihm in Bremen die Herzen zufliegen. Obwohl er vor einer Woche noch öffentlich seine Liebe für seinen nun überrumpelten Klub gestanden hatte.
Vor einer Woche ging es noch um Liebe
Wie gesagt, es war geradezu kitschig: Wie es sich denn anfühle, von einer ganzen Stadt geliebt zu werden, wurde der Schotte jüngst tatsächlich gefragt. „Es ist unglaublich”, antwortete der bullige Angreifer mit einem fast schon verschämten Grinsen: „Davon träumt man als Kind, dass man diese Unterstützung der Fans hat. Ich bin sehr dankbar. Ich habe viel Liebe für den Klub.“
Er wolle versuchen, „so viel wie möglich zurückzugeben. Es ist ein sehr besonderes Gefühl”. Ja, ein Privileg, sagte er noch. Der junge Vater schwärmte zudem vom glücklichen Alltag mit seiner Familie. Es klang nach aufrichtiger Hingabe für Bremen und den Verein, dem er viel zu verdanken hat. Was also ist passiert?
Öffentlich erklärt hat sich bisher nur der Klub. „Wir bedauern es sehr, dass sich Oli für einen anderen Weg entschieden hat, denn wir hätten gerne mit ihm weitergemacht“, sagte Bremens Sportchef Clemens Fritz.
Der Klub war davon ausgegangen, dass die anhaltenden Verhandlungen noch im vollen Gange seien. Und wurde dann vor vollendete Tatsachen gestellt: „Wir hatten am Ende leider keine Möglichkeit mehr, noch einmal auf seine Vorstellungen einzugehen, weil er seine Entscheidung bereits getroffen hatte.“
Das Comeback und das Geld
Welche Vorstellungen gemeint waren? Es ging, so liest man es bei der Bild und der Deichstube, um das liebe Geld. 1,8 Millionen Euro soll Union dem bulligen Angreifer pro Jahr versprochen haben.
Bremen wiederum hatte dem formstarken Stürmer (drei Tore in den vergangenen drei Spielen) offenbar deutlich weniger Gehalt geboten. Der Klub wollte ursprünglich gar zu reduzierten Bezügen verlängern. Um das zu erklären, muss man ein wenig zurückblicken.
Burke war bei den Fans stets recht beliebt, ist aber erst seit einigen Wochen eine echte Erfolgsstory der Bremer. Noch im vergangenen Sommer galt der Stürmer als aussortiert. Teilweise wurden ihm im Trainingslager Spieler aus der eigenen U19 vorgezogen. Burke stand an der Seitenlinie und sah zu.
Der 28-Jährige, der zuvor gleich zweimal in die englische zweite Liga verliehen worden war, bezeichnete diese Enttäuschung als den Grundstein für sein Comeback. Er wolle nicht eines Tages auf eine verschenkte Karriere zurückblicken, sagte er.
Burkes besondere Gabe endlich deutlich erkennbar
Und so entschloss er sich zu einem Neuanfang. Das Training wurde besser, der Kopf wurde klarer. Burke erreichte ein zuvor nicht gekanntes Fitnesslevel. Endlich war zu sehen, was Bremens Trainer Ole Werner schon vor Jahren gelobt hatte: „Er hat eine unheimliche Geschwindigkeit, in Kombination mit so einem Körper. Das ist eine Gabe, die man selten findet.“
Werner war es auch, der Burke nie fallen gelassen hatte. Ihm auch eine „zweite und dritte Chance“ gab, wie es Bremens Leiter Profifußball, Peter Niemeyer, ausdrückte. Im schnelllebigen Sport-Business durchaus erstaunlich.
Burke zahlte mit Leistung zurück. „The Scottsman with the Beard“ wurde er von den Anhängern liebevoll genannt, er sollte Grün-Weiß in den Europacup führen. Ein Blick in die Sozialen Medien zeigt: Die Fanliebe ist dahin. Der Tenor in zahlreichen Kommentaren reicht von ungläubiger Belustigung bis hin inakzeptablen Hassbekundungen.
Ein finales Urteil zu der verwunderlichen Personalie lässt sich noch nicht ziehen, da Burke sich noch nicht selbst geäußert hat. Und natürlich darf man einem Familienvater nur bedingt Vorwürfe machen, wenn er sich aus finanziellen Gründen gegen die sportliche Liebe entschieden haben sollte.
Und doch bleibt ein schaler Beigeschmack: Das unschöne Ende des Bremen-Märchens. Es war wohl zu kitschig.