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"Schwäbe und Urbig: Das kann man sich nicht ausdenken"

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„Kann man sich nicht ausdenken“

Erich Rutemöller war in verschiedenen Rollen beim 1. FC Köln und dem DFB eine prägende Figur des deutschen Fußballs. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht er über seine bewegte Karriere, die Gegenwart beim FC und Dinge, die ihm am modernen Fußball stören.
Erich Rutemöller berät den FC-Vorstand gemeinsam mit Frank Schäfer (r.)
Erich Rutemöller berät den FC-Vorstand gemeinsam mit Frank Schäfer (r.)
© IMAGO / Nordphoto
Erich Rutemöller war in verschiedenen Rollen beim 1. FC Köln und dem DFB eine prägende Figur des deutschen Fußballs. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht er über seine bewegte Karriere, die Gegenwart beim FC und Dinge, die ihm am modernen Fußball stören.

Auf dem Balkon seiner Kölner Wohnung steht ein Geißbock - das Maskottchen des 1. FC Köln.

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Erich Rutemöller ist dem Klub seit vielen Jahrzehnten in verschiedenen verbunden, als Amateurspieler, Amateur- und Profi-Trainer, seit 2019 als Berater. Darüber hinaus war der 80-Jährige auch beim DFB lange eine prägende Figur - als Ausbildungsleiter, Assistent diverser Bundestrainer und Coach mehrerer Nachwuchsmannschaften.

Vor dem Heimspiel seines Herzensklubs am Samstagabend gegen Hertha BSC (ab 19:30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und im LIVETICKER) hat Rutemöller SPORT1 zum Interview geladen. Er blickt auf seine bewegte Karriere, seine Rolle in einem legendären Aufreger – und spricht mit spürbarer Leidenschaft über seinen FC und dessen aktuelle Protagonisten.

SPORT1: Herr Rutemöller, Sie haben als Trainer und Ausbilder viele Stationen durchlaufen. Worauf sind Sie besonders stolz?

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Erich Rutemöller: Es gibt vieles, auf das ich stolz bin. Ich war Trainer, Ausbilder, habe im Jugend-, Amateur- und Profifußball gearbeitet und war auch als Dozent an der Sporthochschule tätig. Eine besondere Zeit war meine Arbeit als Co-Trainer der Nationalmannschaft unter Berti Vogts, Erich Ribbeck, Rudi Völler, Michael Skibbe sowie kurzzeitig unter Jürgen Klinsmann und Jogi Löw. Ich bin Berti sehr dankbar, dass er mich als Co-Trainer zur Nationalmannschaft geholt hat.

SPORT1: Sie waren auch Nationaltrainer der U17.

Rutemöller: Ja, das war eine tolle Aufgabe, unter anderem mit einer WM in Neuseeland. Später wurde ich Leiter der Trainerausbildung beim DFB. Berti Vogts wollte, dass ich nicht nur ausbilde, sondern auch den Bezug zum Profifußball halte - eine weitsichtige Entscheidung, die mir sehr geholfen hat. Ich war bei großen Turnieren wie der EM 1996, der WM 1998, der EM 2000 und bei der WM 2002 dabei. Kurz vor der WM 2006 sagte Klinsmann dann, ich solle mich voll auf die Trainerausbildung konzentrieren. Ein Makel meiner Karriere: Ich war nie Profi. Ich sage immer scherzhaft, dass Hennes Weisweiler mich einfach nicht entdeckt hat.

„Mach et, Otze“: Die berühmte Szene

SPORT1: 1990 wurden Sie Nachfolger Christoph Daums als Köln-Coach. Zur Legende wurde der Aufreger um Frank Ordenewitz und den Satz „Mach et, Otze“ ...

Rutemöller: Das gehört zu meiner Vita, und das ist auch okay so. Damals habe ich mich sehr geärgert und war sauer auf mich selbst. Mit Frank Ordenewitz („Otze“) habe ich bis heute ein gutes Verhältnis. Er hat mir nie übel genommen, dass er fürs Pokalfinale gesperrt wurde. Heute kann ich darüber schmunzeln. Wir haben nur eine Regel-Lücke genutzt, die es inzwischen nicht mehr gibt - trotzdem habe ich es damals verbockt.

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SPORT1: Erzählen Sie es den jüngeren Fans nochmal: Was genau war damals passiert?

Rutemöller: Im Pokal-Halbfinale gegen Duisburg stand es 0:0, es gab ein Wiederholungsspiel. Zwei unserer Spieler, Alfons Higl und „Otze“, hatten Gelb. Eine weitere Gelbe Karte hätte sie fürs Finale gesperrt – eine Gelb-Rote dagegen nur für das nächste Bundesligaspiel. Ich riet Ordenewitz also, sich Gelb-Rot abzuholen: „Mach et, Otze!“ Nach dem Spiel gab ich das in der Emotion offen zu - eine halbe Stunde später hätte ich es wohl geleugnet. Unser Geschäftsführer rannte zu „Otze“ und sagte, er solle nichts sagen. Wäre er besser zu mir gekommen (lacht). Am Ende wurde Ordenewitz doch fürs Finale gesperrt – und wir waren die Gelackmeierten.

SPORT1: Sie haben die Trainerausbildung in Deutschland mitgeprägt.

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Rutemöller: Ja, die deutsche Trainerausbildung hat eine lange Tradition. Direkt nach dem Krieg entstand der Fußballlehrer-Lehrgang. In der Sportschule Hennef hängen noch Bilder von Sepp Herberger und den ersten Teilnehmern. Ich bin stolz, in einer Reihe mit Herberger, Weisweiler, Heddergott und Bisanz genannt zu werden. Damals entwickelten sich viele Freundschaften unter den Kandidaten - wurde einer Cheftrainer, nahm er oft einen anderen als Assistenten mit.

SPORT1: Haben Sie eine besondere Anekdote aus Ihrer Trainerzeit?

Rutemöller: Der 1. FC Kaiserslautern wurde 1991 durch ein 6:2 beim FC Deutscher Meister. Wir verpassten die Europa-Qualifikation, die Stimmung war am Boden. Ich war total frustriert und fuhr zu einem Freund nach Bonn. Er schlug einen Spaziergang am Rhein vor, um mich abzulenken. Plötzlich fuhr ein Schiff vorbei - mit den FCK-Spielern, die ausgelassen ihren Meistertitel feierten. Ich konnte alles sehen. Das tat weh. Ich wollte nur weg.

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Aktuelle Rolle beim 1. FC Köln

SPORT1: Sie sind inzwischen Berater des Vorstands beim FC.

Rutemöller: Ich war damals Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf, als die Anfrage vom FC kam. Der FC war immer mein Verein. Heute berate ich den Vorstand gemeinsam mit Frank Schaefer (früherer FC-Trainer, d. Red.). Ich bin bei fast jedem Training, beobachte die U17, U19 und U21, verfolge die Entwicklung der Spieler und die Stimmung im Team. Außerdem reise ich zu allen Spielen – ich habe noch keines verpasst.

SPORT1: Wie beurteilen Sie Trainer Gerhard Struber?

Rutemöller: Ich finde ihn klasse. Er war schon fast weg, hat dann aber mit einigen Umstellungen alles stabilisiert. Ich kannte ihn vorher nicht, war aber bei den Gesprächen dabei und hatte sofort einen guten Eindruck. Keine Luftschlösser, klare Aussagen. Im Sommer-Trainingslager hat sich mein positiver Eindruck bestätigt.

SPORT1: Welcher Spieler imponiert Ihnen aktuell besonders?

Rutemöller: Linton Maina. Er hat riesiges Potenzial, das er noch nicht voll ausgeschöpft hat. Mit seiner Schnelligkeit und Cleverness kann er Gegenspieler ausspielen, Chancen vorbereiten und selbst Tore erzielen. Unser Torwart Marvin Schwäbe beeindruckt mich auch. Seine Geschichte könnte man sich nicht ausdenken.

SPORT1: Was meinen Sie?

Rutemöller: Jonas Urbig war als Nummer 1 eingeplant, Marvin als Nummer 2. Er akzeptierte das, war aber innerlich angefressen. Dann wurde Schwäbe doch zur Nummer 1, weil Urbig noch nicht die nötige Erfahrung hatte. Jetzt spielt er Champions League beim FC Bayern. Hennes Weisweiler sagte mal: „Wenn du eine gute Mannschaft aufbauen willst, fang mit einem guten Torwart an.“

SPORT1: Was stört Sie am heutigen Fußball?

Rutemöller: Die Theatralik. Erst diese Woche: Im Pokal warf ein Leverkusener Spieler einem Bielefelder aus Versehen den Ball an den Kopf – und der fiel um, als hätte ihn der Blitz getroffen. Diese Showeinlagen nerven mich. Bei der kleinsten Berührung gehen die Spieler zu Boden.

SPORT1: Noch etwas?

Rutemöller: Die Beraterbranche. Ich muss zum Glück nicht mit Beratern verhandeln. Es geht mir um Fußball, nicht um Geld. Ich bezweifle, dass es manchen Beratern wirklich um das Wohl der Spieler geht. Heute werden Jungs schon in der C-Jugend angesprochen - eine unschöne Entwicklung.

„Wir haben eine Mannschaft, die aufstiegsreif ist“

SPORT1: Was möchten Sie den Fans sagen?

Rutemöller: Hut ab vor den Fans! Sie reisen überallhin, um das Team zu unterstützen. Ich bitte sie, kritisch zu bleiben, aber nicht zu verzweifeln, wenn es mal zwei Niederlagen gibt. Nicht gut fand ich die Aktion der Leverkusener Ultras gegen Granit Xhaka - so etwas darf nicht passieren.

SPORT1: Kann der FC aufsteigen?

Rutemöller: Wir stehen mit einem Punkt Vorsprung vor dem HSV, aber unsere Form war nicht immer stabil. Es gab eine Krise - in Köln geht das ja schnell. Doch wir haben eine Mannschaft, die aufstiegsreif ist. Einige Spieler fehlen verletzt, aber unser Kader ist stark genug, das aufzufangen. Gegen Hertha müssen wir gewinnen – aber ich warne vor Fabian Reese, der Junge ist richtig gut. Wir sind fragil. Aber nach dem Sieg in Paderborn bin ich zuversichtlicher.