Im Laufe einer Bundesligakarriere entspinnen sich zuweilen sehr spezielle Beziehungen zwischen den Protagonisten.
Die kurioseste Beziehung der Liga
Zwischen Trainern und Spielern, die etwa gemeinsam wechseln, zwischen Spielern, die sich nicht riechen können und Rivalitäten pflegen, was besonders in den Pionierzeiten auch unter Trainern vorkam (Lattek contra Rehhagel/ Daum contra Heynckes). Auch unter Managern hat es so was früher weit häufiger gegeben als heute (Hoeneß contra Lemke).
Eine Spieler-Schiedsrichter-Beziehung, die über die Jahre immer verrückter wurde, war indes eine absolute Rarität. Angesichts der Neuauflage der Partie VfL Bochum - VfB Stuttgart werden Erinnerungen wach an Diego Klimowicz und Lutz Wagner, den einzigen Schiedsrichter, der ihn vom Platz stellte. Viermal!
Bundesliga: Klimowicz kassiert ersten Platzverweis nach zwei Dummheiten
213 Bundesligaspiele bestritt der argentinische Torjäger Diego Fernando Klimowicz - für den VfL Wolfsburg, Borussia Dortmund und den VfL Bochum. 13 davon leitete der heutige Schiedsrichterlehrwart Lutz Wagner aus Kriftel im Main-Taunus-Kreis.
Schon bei der Premiere im Dezember 2001 zeigte er dem damaligen Wolfsburger Gelb, wie auch im zweiten Spiel im August 2002 auf der Bielefelder Alm. Bahnte sich da etwas an? In den nächsten drei Partien kam Klimowicz zwar ungeschoren davon, doch am 13. August 2005 passierte es zum ersten Mal: Wagner schickte ihn in Mönchengladbach schon nach 43 Minuten vom Platz - mit Gelb-Rot.
Es war ein Platzverweis der Kategorie „dämlich“ und Klimowicz sah es selbst ein, hatte er doch zunächst den Ball weggetreten, nach einem Abseitspfiff, und die folgende Gelbe hämisch beklatscht. „Meine Schuld, mein Fehler“, gestand er. Er kostete die bis dato führenden Wölfe den Sieg, wie nicht nur Trainer Holger Fach fand. Er verzichtete aber auf eine Geldstrafe, wollte lieber „mit ihm sprechen, das bringt mehr“.
Wagner stellt Klimowicz in der selben Saison erneut vom Feld
Was immer Fach ihm sagte, lange hielt es nicht vor. Am 1. April 2006, in der Rückrunde derselben Saison, leistete sich Klimowicz die nächste Unbeherrschtheit. Im Heimspiel des VfL Wolfsburg gegen Abstiegskandidat MSV Duisburg verpasste er Gegenspieler Thomas Baelum nach 61 Minuten einen Ellenbogencheck und wurde beim ersten Wiedersehen mit Wagner von diesem erneut des Feldes verwiesen - diesmal war es Knallrot.
Und diesmal fehlte es dem Sünder an Einsicht: „Es war ein Foul an mich. Ich wollte mich nur losreißen und dann zum Tor - da veranstaltet meinen Gegenspieler so einen Zirkus.“ Das sah man allgemein anders und jetzt stieß er auch intern auf wenig Verständnis. Der neue Trainer Klaus Augenthaler sprach von „einem Bärendienst“ und drohte mit Sanktionen finanzieller Art.
Der DFB sperrte den Wiederholungstäter für vier Spiele, gegen die er (vergeblich) in Berufung ging. Sein Verein strafte ihn auf elegantere Weise und machte ihm ein reduzierteres Vertragsangebot, das er zähneknirschend annahm.
Wagner wollte Klimowicz nach drittem Platzverweis einladen
2007 wechselte Klimowicz dann nach Dortmund und hatte im BVB-Dress ausnahmsweise keine Probleme mit Wagner, der ihn drei Spiele in Folge nicht mal verwarnte.
Dann nahm die farbenschillernde Beziehung auf der Zielgeraden noch mal Fahrt auf. Am 21. 2. 2009 spielte Klimowicz, mittlerweile beim VfL Bochum, auf der Bielefelder Alm. Zunächst tat er seinen Dienst als Torjäger und brachte den VfL in Führung, ehe es vier Minuten vor Schluss wieder mit ihm durchging. Wagner musste ihn zum dritten Mal vom Platz stellen - mit Gelb-Rot.
Nun fiel es allmählich auf und Wagner musste den Reportern Rede und Antwort stehen. Er sagte: „Klimowicz ist sicher kein bösartiger Spieler. Aber die Feldverweise waren jeweils klar. Nach dem dritten Mal gibt man sich ja eigentlich einen aus. Ich zahle die erste Runde.“
Er hatte gut lachen, der Dumme war Klimowicz. Der fand den Hattrick mit Wagner weniger lustig, eher „komisch“. Auf dem Platz beschwerte er sich nie bei Wagner, was der rückblickend „sportsmanlike“ fand.
Klimowicz nach vierter Roten Karte sauer: „Der hat ein Problem mit mir“
Seine Karriere neigte sich dem Ende zu, als der Argentinier Wagner am 5. Dezember 2009 zum dreizehnten Mal auf dem Fußballplatz begegnete. Mit Bochum, nun in Stuttgart, Abstiegskampf pur - Siebzehnter gegen Sechzehnter.
Man schrieb die 81. Minute, der VfB führte durch ein Tor vor Serdar Tasci und Bochum drängte. Es ging zur Sache und der dreizehn Minuten zuvor eingewechselte Klimowicz wollte es seinem Trainer Heiko Herrlich zeigen, dass er nicht auf die Bank gehört.
Im Kampf um einen Stammplatz vergriff er sich bei der Wahl der Mittel und leistete sich ein „grobes Foulspiel“, so stand es in Wagners Spielbericht, gegen Tasci. Wagner zückte glatt Rot für die Grätsche von hinten: Der vierte Platzverweis seiner Karriere und immer schickte ihn derselbe Mann vom Feld.
Nun reichte es Klimowicz: „Das ist nicht normal, der hat ein Problem mit mir.“ Wagner konterte recht gelassen: „Ich habe überhaupt kein Problem mit ihm. Ich bestrafe nie einen Spieler, sondern nur das Foul. Ich habe die Aktion gesehen und sofort die Rote Karte gezogen. Erst hinterher habe ich erkannt, dass es Herr Klimowicz war.“
Weil der VfL noch in Unterzahl ausglich, die VfB-Fans über den Zaun kletterten und Trainer Markus Babbel im Anschluss gefeuert wurde, geriet die vierte und letzte Episode im Drama um zwei ziemlich beste Feinde der Bundesligageschichte zunächst in den Hintergrund. Zumal die Sperre diesmal wieder etwas moderater ausfiel (zwei Spiele).
Kurios: Klimowicz wird Verhältnis mit Wagners-Frau nachgesagt
Dann aber griff sie der Boulevard auf, weil VfL-Kapitän Marcel Maltritz eher im Spaß die These aufstellte, Klimowicz habe Wagner womöglich die Frau ausgespannt.
Das konnte eigentlich kein Mensch ernst nehmen, aber die Bild-Zeitung rief trotzdem mal im Hause Wagner an und fragte die Schiri-Gemahlin, ob da denn was dran sein könnte.
Petra Wagner reagierte cool, beteuerte „Klimo“ nicht zu kennen und wolle ihn sich erst mal anschauen. Vermutlich sehe er ja viel besser aus als ihr Mann. So erzählte es Wagner noch 15 Jahre später dem Kicker „und darüber können wir heute noch herzhaft lachen.“
Dass Menschen nach Erklärungen für diese Bundesliga-Posse suchten, hat aber auch Wagner verstanden: „So etwas habe ich weder selbst erlebt noch vom Hörensagen irgendwo mitbekommen.“ Und deshalb darf man es immer mal wieder erzählen, zum Beispiel wenn der VfL Bochum auf den VfB Stuttgart trifft.