„Die letzte Maiwoche wird ihnen richtig wehtun“, war sich SPORT1-Experte Stefan Effenberg am vergangenen Sonntag im STAHLWERK Doppelpass sicher. Gemeint waren damit die Spieler, Trainer und Verantwortlichen des FC Bayern, die nur am Fernseher zuschauen können, wenn erst in Berlin das DFB-Pokalfinale und wenig später in der Münchner Allianz Arena das Endspiel der Champions League ausgetragen wird.
Ist Kompany zu nett?
Zwar steht der FCB kurz vor der erhofften Meisterschaft, an den großen Endspielen nimmt das Team aber nicht teil. Geht es nach Ex-Bayern-Profi Dietmar Hamann, dann muss Trainer Vincent Kompany für größere Erfolge etwas Grundlegendes ändern.
Hamann findet: Kompany ist zu nett
„Er ist ein sehr intelligenter junger Mann. Dass er das moderieren kann, das war mir klar. Er ist ein Leader, spricht mehrere Sprachen“, lobte er im STAHLWERK Doppelpass.
„Ich glaube, im nächsten Jahr muss er sich ein Stück weit anpassen, weil immer nur auf Harmonie setzen? Du brauchst Reibung“, befand der Champions-League-Sieger von 2005.
Hamann hätte sich gewünscht, dass Kompany auch mal öffentlich auf den Tisch haut. „Es hätte in dieser Saison sehr viele Möglichkeiten gegeben, nach Spielen wie gegen Bremen oder Heidenheim und Kiel zu sagen: ‚Männer, wenn wir uns nicht zusammenreißen, wenn wir nicht besser sind, dann wird irgendwann im Achtel- oder Viertelfinale Schluss sein.‘ Immer nur auf Harmonie zu setzen und Händchen zu halten, ist nicht der richtige Weg.“
Unterstützung der Bayern-Spieler für Kompany
Aber entspricht ein derartiges Verhalten überhaupt dem Naturell von Kompany? Seit seinem Amtsantritt hat der Belgier in der bayerischen Landeshauptstadt eine klare Marschroute verfolgt: Er spricht nicht über einzelne Spieler – nicht einmal positiv.
Größer könnte der Kontrast zu seinem Vorgänger wohl nicht sein. Thomas Tuchel, der inzwischen die englische Nationalmannschaft trainiert, scheiterte zu einem nicht unerheblichen Teil daran, dass er Spieler öffentlich kritisierte und gegen sich aufbrachte.
Ganz anders Kompany, der die Mannschaft hinter sich weiß. Und nicht nur Führungsspieler wie Joshua Kimmich, sondern auch einen Spieler wie Leon Goretzka, der zu Saisonbeginn kaum eingesetzt wurde, sich zurückkämpfte und nichts Negatives über den Trainer zu sagen vermochte.
Schweigen statt Poltern
Kompany geht einen anderen Weg als Vorgänger Tuchel, auch in der Ansprache. Nach dem Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League, als den Bayern ein 2:2 bei Inter Mailand nicht zum Weiterkommen reichte, wurde er nicht wütend oder laut, sondern richtete den Blick bereits wieder nach vorne.
„In fünf Monaten ist wieder Champions League, da gibt es neue Hoffnung“, sagte er während seiner Kabinenansprache. Bei der Mannschaft kam dieser Ton größtenteils gut an, auch Sportvorstand Max Eberl machte sich diese verbale Marschroute in der Folge zu eigen.
Auch mancher Bayern-Boss irritiert von Kompany
Aber nach SPORT1-Informationen sorgten diese Aussagen des Cheftrainers bei einigen Mitgliedern des Aufsichtsrats durchaus für die ein oder andere Irritation.
Warum? Weil das Viertelfinale der Königsklasse für die Ansprüche beim Rekordmeister einfach nicht genug ist. Und dennoch ist genau jenes Viertelfinale inzwischen zur Normalität gewonnen.
Seit dem Titelgewinn in der Corona-Saison 2019/20 scheiterten die Münchner viermal im Viertelfinale. Nur einmal reichte es für die Runde der letzten Vier – und das war ausgerechnet im vergangenen Jahr unter Tuchel, als dessen Aus zum Saisonende längst verkündet war.
Die Außendarstellung von Kompany kommt nicht nur bei Spielern, sondern auch bei den Fans gut an. Dies ändert jedoch mitnichten etwas daran, dass auch er dem Druck unterliegt, den man als Trainer beim deutschen Rekordmeister hat.
Druck auf Kompany wird steigen
Bereits bei der Feier zum 125-jährigen Vereinsjubiläum im Februar hat Karl-Heinz Rummenigge klargemacht, dass gute Stimmung allein nicht ausreichend ist. „Es nützt nichts. Die Trainer haben eine schwere Aufgabe. Bei Topklubs wie Bayern, City, Real musst du performen - und zwar an jedem Wochenende“, betonte der Bayern-Aufsichtsrat damals.
Aussagen, die ihre Gültigkeit im Angesicht der hohen Ansprüche in München nicht verlieren. Dass Kompany das Vertrauen der Führungsetage genießt, daran hat auch das Ausscheiden in den Pokalwettbewerben nichts geändert. Zumal Kompany beispielsweise nicht für die Verletzungsmisere verantwortlich gemacht werden kann.
Und dennoch muss er liefern. In der nächsten Saison dem Vernehmen nach auch wieder deutlich mehr. Fragt sich nur, ob er an seiner defensiven verbalen Marschroute etwas ändern will, beziehungsweise wird.
Kompany wie Hitzfeld und Heynckes?
Kompany selbst betonte jüngst, seine Spieler zwar nach außen zu schützen, intern aber immer Tacheles zu reden. Für SPORT1-Experte Stefan Effenberg der richtige Ansatz. „Meiner Meinung nach ist es für einen Trainer bei Bayern München ganz entscheidend, dass du diese Ruhe auch ausstrahlst – und das tut Kompany“, so der Ex-Profi.
„Ottmar Hitzfeld war genauso. Den habe ich nie in der Öffentlichkeit gehört, der hat nicht irgendwas Blödes, Böses oder Kritisches gesagt, sondern er hat immer seine Mannschaft geschützt und hat das auch ausgestrahlt. Das war enorm wichtig, damit du erfolgreich arbeiten kannst.“
Effenberg führte weiter aus: „Thomas Tuchel war ein Stück weit das Gegenteil. Nach draußen gehen, Reibungspunkte, Dinge ansprechen – das ist nicht gut. Er hat Spieler teilweise geschwächt und dann ist die Gefahr, dass du die Kabine verlierst. Das ist bei Tuchel geschehen. So ein Trainer ist nicht der richtige Trainer für den FC Bayern. Genau das Gegenteil ist der richtige Trainer: Ottmar Hitzfeld, Jupp Heynckes oder - Stand jetzt – Kompany.“
Nur hat Kompany im Gegensatz zu Hitzfeld und Heynckes - Stand jetzt - mit den Bayern noch nicht die Champions League gewonnen.