Die Fans von Eintracht Frankfurt fiebern der vorentscheidenden Partie am 32. Spieltag in Mainz entgegen (So., 19.30 Uhr im SPORT1-Liveticker), es geht um die Zukunft des Vereins. Die von Mainz hoffen auf einen Platz in der Europa League, der durch eine Formkrise im Frühjahr in Gefahr geraten ist.
Als Daums Fiasko für Tumulte sorgte
So ist die Lage – im Mai 2025 und im April 2011. Doch da enden die Parallelen, denn die Situation der Hessen war vor 14 Jahren eine ganz andere vor der Reise zum Südwest-Nachbarn.
Der Daum-Coup
Nach einer rasanten Talfahrt in der Rückrunde entließ die Eintracht Trainer Michael Skibbe und Vorstand Heribert Bruchhagen hörte auf den Rat seines Kölner Kollegen Michael Meier: „Nimm doch den verrückten Daum!“
Das war der Coup der Saison 2010/11: der Mann, der um ein Haar Bundestrainer geworden wäre, wäre dieses nicht mit Kokain getränkt gewesen (die Affäre Daum/Hoeneß 2000 kostete ihn seinen Job in Leverkusen und den versprochenen Posten beim DFB), der im In- und Ausland Meisterschaften gewonnen hatte, mischte nun im Abstiegskampf mit. Mit bescheidenem Erfolg. Die Partie in Mainz war seine fünfte, gewonnen hatte er noch keine, trotz aller Motivationskünste.
Die Mainzer, die mit dem Bundesligarekord von sieben Siegen gestartet waren, waren die positive Überraschung der Saison und wurden vom jungen Thomas Tuchel in dessen zweiter Saison betreut. Der Taktiknerd zeigte dem Motivationsguru an diesem 30. April 2011 die Grenzen auf.
„Frankfurts Spielaufbau kannte nur zwei taktische Mittel: Den Befreiungsschlag auf Gekas oder Meier – und den Zufall“, monierte der Kicker, um Daum dann ein verheerendes Zeugnis auszustellen: „Ein taktisches Konzept der Eintracht war nicht zu erkennen.“
Mainz demontiert Frankfurt
Die Partie, die noch im altehrwürdigen Bruchweg-Stadion stattfand, war mit 20.000 Zuschauern ausverkauft, von denen etliche Tausend nicht bis zum Schluss blieben.
Die drückend überlegenen Gastgeber entschieden sie schon vor der Pause und gingen nach Treffern von Andreas Ivanschitz (26.) und zweimal Elkin Soto (38., 45.) mit einer 3:0-Führung in die Kabine.
Da Eintracht-Talent Sebastian Rode zudem die Rote Karte nach einer Notbremse gesehen hatte (45.), war schon frühzeitig alles entschieden und der Gäste-Block leerte sich schlagartig. Immerhin verpassten sie keine weiteren Tore mehr, nur einige auch für Mainzer Verhältnisse ungewöhnliche Jubelszenen.
Sogar Mainz-Bosse auf dem Zaun
Die 05-Fans nämlich forderten diesmal keine Spieler auf den Zaun, sondern den Präsidenten Harald Strutz, Manager Christian Heidel und sogar den Stadionsprecher Klaus Hafner. So groß war die Freude über die Rückeroberung von Platz fünf und den Prestigesieg.
Heidel: „Das war eine wahre Explosion auf den Rängen. Für die Mainzer ist es etwas ganz Besonderes, wenn man das Derby gegen Frankfurt gewinnt.“
Und für die Frankfurter war es die eine Blamage zu viel in einer völlig verkorksten Saison. Daum gab sogar „das Erreichen des Relegationsplatzes“, auf den sie nun gestürzt waren, als Ziel aus. Angesichts des Restprogramms und der Form von Verfolger Borussia Mönchengladbach durchaus realistisch, aber alles andere als Daum-like.
Sollte er nicht alle Sorgen vertreiben? Stand er nicht für kleine Fußballwunder? Immer deutlicher wurde, dass sich die Eintracht mit dem Motivator vergriffen hatte.
Fan-Frust in Frankfurt
Auch bei den Fans herrschte wenig Zuversicht und der Frust über die Pleite schlug in Wut um. So kam es zum dramatischen Nachspiel. Gegen 18.20 Uhr verließen rund 200 Eintracht-Anhänger die S-Bahn, die sie von Mainz in die Frankfurter Innenstadt gebracht hätte, schon an der Haltestelle „Sportfeld“, wo es zum Waldstadion ging.
Denn dort würde ja der Eintracht-Bus ankommen, dort hatten die Spieler ihre meist noblen Karossen geparkt. Diese „Fans“ wollten ihnen zeigen, was sie von der Vorstellung der letzten Wochen mit dem Tiefpunkt Mainz hielten.
Weil die Polizei mit so etwas gerechnet hatte, waren einige Kräfte vor Ort. Sie konnten aber nicht verhindern, dass 40 Vermummte ein Stadiontor überwanden und aufs Gelände gelangten. Es kam zu Auseinandersetzungen, vier Polizeibeamte wussten sich nicht anders zu wehren als zur Waffe zu greifen, einer gab einen Warnschuss ab. Ein Polizeisprecher: „Sie gebärdeten sich wie die Verrückten!“
Dann kam Verstärkung und 19 Krawallmacher wurden verhaftet, ehe sie den Mannschaftsbus hätten attackieren können. Als der gegen 20.30 Uhr eintrudelte, war der Spuk schon vorbei.
„Das ist nicht erfreulich“
Aber er zeigte Wirkung und Daum sagte auf Anraten der Polizei das für den 1. Mai angesetzte Training lieber ab, weil es in jenen Tagen nicht unüblich war, dass gewaltbereite Fans von Abstiegskandidaten ihre Aufwartung auch bei den Übungseinheiten machten.
Bruchhagen sagte am nächsten Tag: „Das ist nicht erfreulich, aber ein Teil der Bundesliga.“ Die Ultras wehrten sich gegen die vermeintlich verzerrte Berichterstattung, gaben aber auch zu: „Wir stehen geschockt und fassungslos dieser Situation gegenüber.“
Am Ende war der Abstieg besiegelt
Der Bundesliga gehörten die Hessen schon bald nicht mehr an. Sie verloren auch die letzten beiden Spiele gegen Köln (0:2) und bei Meister Dortmund (1:3), wieder von Randalen begleitet, nun sogar auf dem Platz - und stiegen ab.
Christoph Daum ging nicht mit in die 2. Liga, was keine Seite bedauerte. Und die Mainzer? Sicherten sich Platz fünf. Nur in Europa kamen sie nicht allzu weit, schon in der ersten Qualifikationsrunde war Schluss. Diese Parallele zur Gegenwart wird es aufgrund des aktuellen Gruppenmodus nicht geben.