Wenn Red Bull sich in einer Sportart engagiert, dann steht außer Frage, was das Motto sein soll und muss, das haben die vergangenen Jahrzehnte in allen möglichen Bereichen klipp und klar gezeigt: Höher, schneller, weiter - und am besten immer gewinnen. Also die Besten sein, neue Maßstäbe setzen. Natürlich galt das auch für RB Leipzig, dem Aushängeschild im Fußball.
RB droht der große Ausverkauf
Der Klub sollte auf Dauer mit dem großen FC Bayern konkurrieren und nach der Meisterschale greifen – dieser Plan bestand seit der furiosen Aufstiegssaison 2016/17. Doch derzeit scheint dieses Vorhaben so weit weg wie nie zuvor. Anstatt mit Jubel und Party endete die Spielzeit für die Sachsen am Samstag mit purer Enttäuschung.
Die 2:3-Niederlage gegen Stuttgart bedeutete das endgültige Verpassen der internationalen Plätze. Zum ersten Mal seit der Ankunft in der Bundesliga.
Als letzte Rettung hätte Leipzig noch die Conference League erreichen können. Längst nicht der Anspruch der Bosse. Alles unterhalb der Champions League ist für sie zu wenig. Von einem Traum, in der Conference League zu spielen, konnte daher kaum die Rede sein.
Da das Finale des am wenigsten bedeutenden Europapokals aber im kommenden Jahr im eigenen Stadion stattfindet, wäre es ausnahmsweise ein netter Trostpreis gewesen. Doch selbst das klappte nicht – und das Fiasko war perfekt: Für die Spieler, den Interimstrainer und alle anderen der Tiefpunkt.
„Das ist aktuell ein lebloses Team“
Fredi Bobic, Europameister von 1996, brachte es knallhart und schonungslos auf den Punkt. Die Leipziger hätten eine „katastrophale sportliche Bilanz in allen drei Wettbewerben“ hingelegt, schrieb der Ex-Profi in seiner Kolumne im kicker.
„Die Gier, für die diese Mannschaft über die Jahre stand wie kaum eine andere, ist weg. Das ist aktuell ein lebloses Team. Marcel Schäfer, der Geschäftsführer Sport, steht vor einer Mammut-Aufgabe und einem brutal harten Sommer“, so Bobic weiter.
Ein Jahr ohne Königsklasse kann Leipzig durchaus aushalten. Doch das Lockmittel für Topspieler schlechthin, die größte Bühne des Vereinsfußballs, fehlt. Der ohnehin schon komplizierte Umbruch wird so noch schwieriger.
Leipzig braucht zu viele Trainer
Hinzu kommt, dass endlich Klarheit in den führenden Positionen benötigt wird. Trainer und Sportchefs kommen und gehen am laufenden Band. Seit Julian Nagelsmanns Abgang im Jahr 2021 gab es inklusive der Interimslösungen fünf verschiedene Trainer an der Seitenlinie. Das ist zu viel für einen Verein, der eigentlich für kontinuierliche, gute Arbeit stehen will.
Und zu viel für einen Klub, der eigentlich gezielt am Kader arbeiten möchte. Seit Sommer 2023 gab es einen Umbruch nach dem anderen, sodass die Spielidee verloren ging. Vom einst ligaweit gefürchteten Gegenpressing und Tempospiel war zuletzt kaum noch etwas zu sehen.
„Wir müssen die richtigen Schlüsse ziehen. Der Verein braucht jetzt diesen Umbruch”, stellte der aktuelle Interimscoach Zsolt Lőw fest. RB müsse so schnell wie möglich eine „Kultur schaffen”, in der junge Spieler den Verein nicht nur „als Sprungbrett oder Übergangsstation” sehen.
Sesko und Xavi bald weg?
Auch Löw selbst ist unterdessen bei seiner siebenwöchigen Regie krachend gescheitert. Seine magere Bilanz lautet: zwei Siege aus acht Pflichtspielen. Absprachegemäß übernimmt er wieder seine strategischen Aufgaben im Fußball-Imperium von Red Bull.
Als Kandidaten für den Trainerposten werden Cesc Fàbregas, der auch in Leverkusen im Gespräch ist, sowie Oliver Glasner, der mit Crystal Palace den FA Cup gewonnen hat, gehandelt. Ebenso fällt immer wieder der Name Danny Röhl.
Eine gigantische Herausforderung wird jedoch die Neugestaltung des Kaders sein. Nicht weniger als ein Monster-Umbruch wird erwartet. 100 Millionen Euro müssen eingenommen werden – und das dürfte allein mit den wahrscheinlichen Verkäufen von Xavi Simons und Benjamin Sesko schnell erreicht sein.
Beide Offensivstars werden ohne Spiele in Europa kaum zu halten sein. Xavi steht zudem im Klub wie auch bei den Fans in der Kritik, da er mit seinen egozentrischen Auftritten dem widerspricht, was RB in früheren Jahren so erfolgreich gemacht hat.
Leipzig steht vor einem Mega-Umbruch
Auch für Lois Openda und Castello Lukeba, deren Ausstiegsklauseln beide über der 80-Millionen-Marke liegen, sollte es einen Markt geben. Dazu könnten die älteren Spieler Peter Gulacsi, Amadou Haidara, Lukas Klostermann, Kevin Kampl, Yussuf Poulsen und womöglich sogar Kapitän Willi Orban den Verein verlassen.
David Raum liebäugelt mit der Premier League. Für ihn dürfte es auch nicht infrage kommen, nicht international zu spielen, wenn er sich für die WM empfehlen will. Und die Leihspieler Timo Werner, Eljif Elmas, André Silva sowie Ilaix Moriba sind nicht mehr gefragt, weil ihre Gehälter in keinem Verhältnis zu ihren sportlichen Perspektiven stehen.
Klar ist deshalb nur, dass in Leipzig derzeit vieles unklar ist. Zunächst wird ein neuer Trainer benötigt, anschließend beginnen die Sachsen und Jürgen Klopp, der zu Beginn des Jahres seine Arbeit als Head of Global Soccer aufnahm, mit den Aufräumarbeiten.
Doch das Risiko scheint höher denn je. Gelingt das nicht, dürfte der erhoffte frische Wind durch die Personalie Klopp bereits verpufft sein.
Er ist jetzt gefordert - sein Start könnte also nicht schwieriger sein.