Es ist ein schweres Erbe, das Erik ten Hag bei Bayer Leverkusen als Nachfolger von Xabi Alonso antritt.
Ten Hag „war eine Maschine“
Vor allem durch seine Stationen bei Ajax Amsterdam (dreimal Meister, zweimal Pokalsieger) und Bayern II (Regionalliga-Meister 2014) ist der 55-Jährige hierzulande ein bekannter Name, bei Manchester United wurde er allerdings nur wenige Monate nach dem Pokalsieg 2024 vom Hof gejagt. Wie groß ist das Risiko für Bayer beim Neustart mit dem Niederländer?
SPORT1 hat bei ehemaligen Weggefährten von ten Hag nachgefragt: Wie tickt der Star-Trainer? Passt er nach Leverkusen?
„Bis auf Manchester United hat er überall einen guten Job gemacht“
„Für Leverkusen könnte er ein echter Volltreffer sein”, meint Lennart Ingmann, der seinerzeit unter dem Niederländer bei den Bayern-Amateuren spielte: „Es ist natürlich eine große Herausforderung, das Erbe von Alonso anzutreten. Aber vom fußballerischen Know-how her traue ich es ihm absolut zu. Ich finde es schade, dass er Florian Wirtz nicht mehr trainieren kann. Die Verantwortlichen in Leverkusen werden sich sehr genau angeschaut haben, was für einen Typ sie sich da ins Boot holen.“
Für den früheren Schützling des Niederländers passt „ten Hag zur Philosophie des Klubs. Bis auf Manchester United hat er überall einen guten Job gemacht. Und bei United sieht man ja: Es läuft auch ohne ihn nicht wirklich rund. Dass man es dort schwer hat, mussten schon viele Trainer erfahren. Ten Hag hat sich gut erholt und seine Lehren gezogen. Ich bin überzeugt, dass er wieder erfolgreich sein wird.“
Ten Hag „war eine Maschine“
Die Methoden des Niederländers erlebte Ingmann an der Säbener Straße aus nächster Nähe: „Er war eine Maschine, was die Trainingsmethoden betrifft. Die Einheiten haben immer zu 100 Prozent Spaß gemacht. Gleichzeitig hat er aber auch 100 Prozent von uns Spielern gefordert.“
Er erinnert sich „an ein Techniktraining, nach dem Waden und Schienbeine dicht waren“, berichtet der heute 29-Jährige, der aktuell selbst seinen Heimatverein SC Kapellen in der Landesliga trainiert: „Taktisch konnte man enorm viel lernen. Es gab aber auch Einheiten, in denen Elf gegen Elf gespielt wurde – und wenn du nicht zur ersten Elf gehörtest, musstest du einen passiven Gegner simulieren. Das hat nicht so viel Spaß gemacht, war aber extrem lehrreich.“
Ingmann gerät regelrecht ins Schwärmen: „Ten Hag war detailversessen. Er hat sich akribisch auf jeden Gegner vorbereitet – inklusive intensiver Videoanalysen.“
Als ten Hag plötzlich auf dem Tisch stand
Auch abseits des Platzes habe sich ten Hag mit allen Spielern beschäftigt, betont Ingmann. „Besonders nach meiner schweren Verletzung hat er mir viel Vertrauen geschenkt. Er war streng – ein typisch niederländischer Trainer. Vielleicht kein Louis van Gaal, aber mit klaren Vorstellungen davon, wie es laufen soll.“
Dennoch habe es auch humorvolle Momente gegeben. Ingmann erinnert sich: „Ich denke da an eine Weihnachtsfeier, bei der er plötzlich aus sich herauskam und für einen Moment im Restaurant auf dem Tisch stand.“
„Dominanz, Ballbesitzfußball, viele Positionswechsel – dafür steht Erik“
Auch Matthias Strohmeier ist voll des Lobes. Für den defensiven Mittelfeldspieler war ten Hag mehr als nur ein Trainer: „Erik und ich hatten ein vertrauensvolles Verhältnis. Er war ein Stück weit wie ein Mentor für mich, weil er mir Dinge über den Fußball beigebracht hat, von denen ich vorher noch nie gehört hatte – und das, obwohl ich Jugendnationalspieler und Profi beim FC Augsburg war“, sagt der 31-Jährige zu SPORT1.
Strohmeier hospitierte zu ten Hags Zeit auch zwei Wochen bei Manchester United und berichtet: „Seine Liebe zum Detail und seine Akribie zeigten sich auch dort: Dominanz, Ballbesitzfußball, viele Positionswechsel – für diese Art von aktivem Fußball steht Erik.“
Besonders seine Siegermentalität habe ihn beeindruckt. „Er hat mit Ajax mehrere Titel gewonnen und selbst in einem schwierigen Umfeld bei United zwei Trophäen geholt (FA Cup und Superpokal, Anm. d. Red.) – das spricht für ihn.“
„Erik liebt Herausforderungen“
Strohmeier traut ten Hag auch in Leverkusen eine Erfolgsgeschichte zu – „auch wenn die Fußstapfen dort riesig sind“.
„Erik hat Deutschland immer sehr geschätzt, besonders während seiner Zeit bei Bayern. Die Nähe zur Heimat in den Niederlanden war sicher ein entscheidender Faktor“, meint der frühere Weggefährte. Die Bundesliga habe ihn gereizt. „Und nach Bayern kam für ihn – auch wegen der Spielphilosophie – eigentlich nur Leverkusen infrage.“
Gleichzeitig sieht Strohmeier die Herausforderung: „Es ist eine große Aufgabe, auf Xabi Alonso zu folgen und den Umbruch nach Florian Wirtz zu gestalten. Aber Erik liebt Herausforderungen – deshalb hat er sich ja auch auf Manchester United eingelassen, wo nach Ferguson gefühlt kein Trainer mehr wirklich glücklich geworden ist.“
„Er kann einzelne Spieler besser machen, wenn ...“
Auch Lukas Görtler, seit 2019 beim FC St. Gallen unter Vertrag, ist ein großer Fan von Erik ten Hag. Er spielte unter ihm sowohl bei Bayern II als auch beim FC Utrecht.
„Er ist ein sehr detailverliebter Trainer, dem es vor allem um Energie und Intensität geht – gepaart mit beeindruckendem taktischem Know-how. Er hat klare Ideen, was bei einem Trainer enorm wichtig ist. Als Spieler weißt du genau, worauf er Wert legt. Er kann einzelne Spieler besser machen, wenn sie ihm vertrauen und seinen Weg mitgehen“, sagt Görtler zu SPORT1.
Ten Hag betrachte jeden Spieler individuell und erkenne dessen Entwicklungspotenzial. „In diesem Punkt ist er besonders stark“, betont der 30-Jährige.
„Man muss ihm Zeit geben, wenn etwas Großes entstehen soll“
„Ich finde es spannend, dass er jetzt Trainer in Leverkusen wird. Ich wünsche ihm nur das Beste – er hat mir in meiner Karriere sehr geholfen. Ich bin ihm unendlich dankbar und schätze ihn sehr. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihm in Leverkusen etwas wirklich Gutes gelingt und dass er dort die Zukunft gestalten kann.“
Etwas Sorge bereitet Görtler die Situation im Kader: „Ohne Florian Wirtz und Jeremie Frimpong ist das Team womöglich nicht mehr ganz so stark wie in den vergangenen beiden Jahren. Aber ich traue ten Hag sehr viel zu. Er ist ein Trainer, dem man Zeit geben muss, wenn etwas Großes entstehen soll.“