Bereits am Tag zuvor machten erste Berichte die Runde und sofort besaß das Thema eine hohe Brisanz, die Anhänger von Fortuna Düsseldorf reagierten empfindlich. Wirklich wahrhaben wollte es da aber noch niemand. Der beste Spieler des Vereins und Liebling der Fans sollte zum 1. FC Köln wechseln? Eine solche Meldung war im Prinzip nur eines: schlicht und einfach unvorstellbar. Doch rund 24 Stunden später herrschte Gewissheit. Sie stimmte tatsächlich.
Der Tabubrecher
Denn am Samstag verkündeten die Domstädter offiziell, was aus Sicht der Fortuna-Fans an nicht weniger als Hochverrat grenzt: Ísak Bergmann Jóhannesson zieht es 40 Kilometer rheinaufwärts zum großen Rivalen. Der „Effzeh“ aktivierte die Ausstiegsklausel des Isländers, zahlte rund 5,5 Millionen Euro an den ungeliebten Nachbarn und unterschrieb mit dem Spieler einen langfristigen Vertrag bis 2030. Gut für Köln. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die es mit Düsseldorf halten.
Noch größere Empörung folgte, natürlich. An einem Wochenendtag, der in der rheinischen Region ohnehin von Gewitterschauern geprägt war, donnerte es plötzlich auch sportlich ganz gewaltig. Immerhin gibt es kaum etwas, das die Anhänger mehr entzürnt, als Fußballer, die von ihrem Herzensklub zu dessen größtem Erzfeind wechseln. Solche Transfers führen in aller Regel zu blankem Hass und hämischen Kommentaren über Profis, die sich am richtigen Ort wähnen, dann aber wenig später an Vergesslichkeit leiden. Alles schon mal gehört und gesehen.
Jóhannesson wiederholte seine Liebesbekundungen
Bei Jóhannesson schien allerdings eine besonders hohe Eskalationsstufe erreicht worden zu sein, nahezu alle Beteiligte überraschte das Ausmaß des Hasses. Unter den entsprechenden Social-Media-Beiträgen versuchte Fortuna mehrfach zu beschwichtigen. Dennoch liefen die Fans unaufhörlich Sturm und gingen teils weit unter die Gürtellinie. Neben Beleidigungen wie „Judas” oder „Söldner” wünschten einige dem Mittelfeldspieler sogar eine schwere Verletzung. Aber warum eigentlich?
Gar keine Frage, ein Wechsel von Düsseldorf nach Köln allein wäre schon brisant genug – doch was die Fans viel mehr auf die Palme brachte, waren die Erwartungen, die Jóhannesson selbst zuvor geschürt hatte. Immer wieder betonte er, wie sehr er die Stadt und den Verein liebe. Auch bei SPORT1. „Ich möchte unbedingt in der Bundesliga spielen und könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als mir diesen Traum als Spieler von Fortuna Düsseldorf zu erfüllen“, sagte er Anfang März. So war der 22-Jährige nicht nur Stammspieler, sondern vor allem Hoffnungsträger.
Zuletzt berichtete die Bild, dass Jóhannesson deshalb zum neuen Kapitän befördert werden solle. Der Spieler habe dazu klargemacht, dass der verpasste Aufstieg mit Düsseldorf für seine Zukunft nicht entscheidend sei. Er glaube an das Projekt und denke langfristig. Musik in den Ohren der Fortuna-Fans, die sich - so ihr Irrglaube - auf ihn offenbar verlassen konnten.
2023 kam Jóhannesson aus Kopenhagen und entwickelte sich schnell zum Dreh- und Angelpunkt des Teams. In 61 Zweitliga-Partien steuerte er 15 Tore und elf Assists bei, wobei einer davon speziell in Erinnerung bleibt.
“Weiß, dass viele von euch mich hassen werden”
Sein später Treffer am 23. Februar. Damals sicherte Jóhannesson der Fortuna in der 90. Minute einen Punkt – ausgerechnet beim Gastspiel in Köln. Anschließend rannte er jubelnd vor den Gästeblock, küsste das Wappen und avancierte endgültig zum Publikumsliebling Nummer eins. Dreieinhalb Monate später ist die Stimmung um den Youngster um 180 Grad gekippt. Jetzt wechselt ausgerechnet der, der das Wappen küsste, zum Erzrivalen. Zu viel für das Düsseldorfer Fan-Herz. Für sie ein absoluter Tabubruch.
Jóhannesson selbst unternahm noch einen Erklärungsversuch, wollte sich aber keine Illusionen machen. „Ich weiß, dass nichts, was ich sagen werde, euch Fortuna-Fans beruhigen wird. Ich habe viel an euch gedacht, und diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen”, schrieb er auf Instagram, „aber ein Junge hatte den Traum, in der Bundesliga zu spielen, und jetzt hat dieser Junge diese Chance. Ich weiß, dass viele von euch mich hassen werden, aber ich habe immer noch die gleichen Gefühle für den Verein und die Fans“.
Trotzdem sah er sich gezwungen, die Kommentarfunktion auf seinem Instagram-Profil zu sperren, um die Wut vorübergehend zu stoppen. Denn die Fans verziehen ihm nicht. Nicht allein, weil er künftig das Kölner Trikot trägt. Vielmehr noch, weil er seine angebliche Liebe zur Fortuna unnötig emotionalisiert hat – und seine Treueschwüre jetzt nur noch Schall und Rauch sind. So wird der Frust der Düsseldorfer sicher noch eine ganze Weile anhalten.