Mathys Tel war gerade einmal 17 Jahre alt, als er 2022 von Stade Rennes zum FC Bayern wechselte. Viel größer hätten die Vorschusslorbeeren damals wohl kaum sein können - nicht nur, weil der FCB eine fixe Ablöse von 20 Millionen Euro plus bis zu 8,5 Millionen Euro an Bonuszahlungen nach Frankreich überwiesen haben soll.
Das wurde aus Nagelsmanns Tel-Vision
In Frankreich wurde Tel bereits mit Superstar Kylian Mbappé verglichen. „Er ist ein ähnlicher Spielertyp wie Mbappé. Er ist im gleichen Alter wahrscheinlich noch schneller und stärker, aber technisch noch nicht so gut“, sagte der französische Journalist Clement Gavard 2022 bei der tz.
Auch beim damaligen Bayern-Trainer Julian Nagelsmann weckte Tel keine geringeren Hoffnungen. Noch bevor der Transfer offiziell bekannt gegeben wurde, hatte Nagelsmann geschwärmt, Tel könne „einer der besten Stürmer werden“.
Nagelsmann: „Dann sind wir alle glücklich“
Die Ansprüche waren dabei klar definiert. „Wir versuchen, junge, talentierte Spieler zu finden, die wir zu Weltklasse-Spielern entwickeln können“, sagte Nagelsmann und meinte, er traue Tel zu, „eines Tages 40 Tore pro Saison“ für Bayern zu erzielen.
Angesichts des zarten Alters von Tel und des Abgangs von Robert Lewandowski trat der heutige Bundestrainer aber ein wenig auf die Bremse: „Wenn er diese Saison zehn Tore schießt, sind wir alle glücklich.“
Drei Jahre später steht jedoch fest: Von Weltklasse oder 40 Toren pro Saison war der Franzose, der sich nach einer Leihe im Winter den Spurs aus England fest anschließt, beim deutschen Rekordmeister weit entfernt.
Zu selten bekam Tel regelmäßige Einsatzzeiten und fungierte meist nur als Joker, der spät eingewechselt wurde. Seine Gesamtbilanz: 83 Spiele, 16 Tore und sieben Vorlagen.
Das vermochte auch Kompany nicht zu ändern: In der zurückliegenden Hinrunde spielte Tel häufig gar nicht oder wurde auf der Außenbahn eingesetzt, die ihm weniger behagt.
Thomas Tuchel: Tels größter Kritiker
Doch kaum ein Tag steht so sehr für die negative Entwicklung von Tel beim FC Bayern wie der 13. Februar 2024.
Es war der Tag vor dem Champions-League-Spiel bei Lazio Rom, als Ex-Bayern-Coach Thomas Tuchel im großen Sitzungssaal des Hotels „Cavalieri Waldorf Astoria“ auf eine Frage nach der sportlichen Entwicklung von Tel unverblümt Kritik äußerte.
„Er hat sein Momentum ein bisschen verloren. Er ist nicht mehr so aggressiv, wenn er kommt, auch nicht in der Box“, erklärte Tuchel und bemängelte Tel habe den „absoluten wilden Drang Richtung Tor“ verloren.
Eine öffentliche Demütigung für einen Spieler, der sonst nicht nur auf dem Feld, sondern auch bei vielen weiteren Themen von der Öffentlichkeit außen vor gelassen wurde.
SPORT1-Informationen zufolge hat es bereits vor dieser Szene - aber auch danach - im Training immer wieder gekracht. Tuchel wurde zum größten Kritiker des Franzosen und monierte mehrfach die Fehler von Tel.
Eberl stellt Tel öffentlich infrage
Während der gewünschte Neustart unter Kompany mit 253 Spielminuten in der Bundesliga auch in dieser Saison ausblieb, wurde schon im Januar deutlich, wie weit die Fronten beim FC Bayern inzwischen auseinanderliegen.
Sportvorstand Max Eberl machte damals deutlich: „Wir haben ein Gespräch geführt, ein sehr offenes Gespräch. Mit Vini (gemeint ist Trainer Vincent Kompany – Anm. d. Red.), mit Mathys‘ Agenten zusammen, und haben gesagt: ‚Okay, die Spielzeiten waren nicht so. Auf der anderen Seite waren aber auch seine Leistungen nicht so, dass er sich mehr Spielzeiten hätte verdienen können.‘"
Dabei ließ Sportdirektor Christoph Freund noch kurz vor der Offenbarung durch Eberl durchblicken, dass Tel seine nächsten Schritte weiterhin beim FC Bayern gehen soll. „Das klare Ziel ist es, dass Mathys bei uns den Durchbruch schafft“, vermeldete der Österreicher.
Letztlich erarbeitete sich der Hoffnungsträger jedoch nie den Rückhalt, der seinen Niedergang beim FCB hätte verhindern können. Folglich wurde Tel am 3. Februar 2025 offiziell verliehen.
Spurs schenken Tel das nötige Vertrauen
In der Premier League lief es zumindest individuell deutlich besser für den inzwischen 20-Jährigen.
An den letzten sieben Spieltagen stand Tel immer in der Startformation, auch wenn die Spurs nur einen Punkt aus dieser Serie holen konnten. Im Finale der Europa League musste Tel den Titelgewinn zudem von der Bank feiern.
Auch wenn Tel in 20 Einsätzen für die Spurs letztlich nur auf drei Treffer und eine Vorlage kommt, scheint der französische Junioren-Nationalspieler vor allem das nötige Vertrauen der Verantwortlichen wiedererlangt zu haben, das ihm beim FC Bayern häufig fehlte.
Tel bei vielen Bayern-Fans sehr beliebt
Vielen Fans des Rekordmeisters bleibt nach dem endgültigen Abgang ein Spieler im Gedächtnis, der weitgehende Beliebtheit erfahren hat - und das aus gutem Grund.
Der Franzose lernte in Windeseile Deutsch, spielte ab und zu online mit jungen Fans PlayStation und fuhr einen Autogrammjäger sogar nach Hause, als er merkte, dass dieser in seiner Nähe wohnt.
Sportlich blieb der mit 17 Jahren und 126 Tagen jüngste Torschütze des FC Bayern aber umstritten.
Mit weiterhin erst 20 Jahren bleibt Tel allerdings nach wie vor Zeit sich zu beweisen und bei Tottenham zu zeigen, welches Potenzial in ihm steckt.
Für den FC Bayern wird sich in den nächsten Jahren somit auch zeigen, ob man noch ein gutes Geschäft mit einem teuren Missverständnis gemacht oder einem jungen Spieler einfach zu wenig Vertrauen entgegengebracht hat.