Xabi Alonso, das stand schon lange vor seinem Abschied fest, war ein Glücksfall für Bayer Leverkusen. Mit seiner authentischen Art und seiner fußballerischen Expertise aus 17 Jahren als erfolgreicher Topspieler im Weltfußball schaffte er es in weniger als eineinhalb Jahren, aus einem Standort, der lange nur belächelt wurde und an dem gefühlt auf ewig das Etikett „Vizekusen“ zu kleben schien, eine Mannschaft zu formen, die die erfolgreichste Epoche der Vereinsgeschichte spielte.
Alonsos Denkmal bekommt Risse
Alle waren sich einig: Der Spanier hatte etwas, das den besten deutschen Trainern fehlt. Von ihm bleiben nicht nur Siege und Trophäen, sondern auch Bilder im Gedächtnis, wie er seine Spieler im Training mit millimetergenauen Flanken bediente. Alonso redete viel, am liebsten „face to face“. In und nach jedem Training sah man ihn mit Spielern im Gespräch. Über Details im taktischen Verhalten und der Technik - jeder bekam Aufmerksamkeit und das Gefühl, wichtig zu sein. Dachte man bis jetzt.
Hofmann hat von Alonso „ein bisschen mehr erwartet”
Denn Jonas Hofmann kritisierte Alonso erneut für genau die Sache, für die er zuvor stets in den höchsten Tönen gelobt worden war. Die Kommunikation. Von seinem Ex-Coach hätte er diesbezüglich „ein bisschen mehr erwartet”, betonte der 33-Jährige in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Mit Kritik hielt sich Hofmann, der sich bereits zum Ende der vergangenen Saison ähnlich geäußert hatte, nicht zurück.
Die letzte Saison wolle Hofmann in eine Kiste packen und nicht wieder herausholen. „Es war schon sehr enttäuschend für mich, was da passiert ist und wie es abgelaufen ist”, sagte er und führte seine Gedanken aus: „Ich erwarte von einem Trainer, dass er, wenn ihm etwas auffällt, es direkt anspricht. Ich erwarte offene und direkte Kommunikation. Länger als zwei Wochen sollte ein Trainer damit nicht warten, weil ich als Trainer die Spieler doch in Top-Verfassung haben möchte, um auch das Trainingsniveau zu heben.“
Harte Worte des früheren Nationalspielers, der im Double-Jahr 2023/24 noch eine der Hauptfiguren war, in der vergangenen Spielzeit aber nur auf enttäuschende 651 Spielminuten in 17 Partien kam. Ganz offen gab Hofmann auch zu verstehen, dass er sich „wahrscheinlich mit einem Wechsel beschäftigt“ hätte, wäre Alonso ein weiteres Jahr bei der Werkself geblieben. Nur wegen der Ankunft von Erik ten Hag stehe ein möglicher Abgang derzeit nicht mehr zur Debatte. Bleibt die Frage: Ist Alonso doch nicht nur der Nice-Guy?
Auch Schick übt Kritik an Alonso
Fakt ist: Dass ein Spieler nach einer persönlich schlechten Saison gegen den ehemaligen Coach schießt, ist keine Seltenheit. Dass ein Trainer bei seiner ersten großen Station alles dem Erfolg unterordnet - gerade in Phasen, in denen es nicht läuft - ist ebenso verständlich. In diesem Fall gehört zur Wahrheit auch, dass Hofmann zu Saisonbeginn noch einige Male eingesetzt wurde und fast nie überzeugte. Gewichtiger wirken dessen Aussagen aber in Kombination mit denen, die Teamkollege Patrik Schick tätigte.
Der tschechische Torjäger wunderte sich über Alonsos Taktik und rätselte darüber, weshalb meistens nur er oder Victor Boniface auf dem Platz standen - oder sogar beide nicht. Eine Doppelspitze bestehend aus den zwei hochgewachsenen Neunern gab es praktisch nie. „Wir haben in den vergangenen Monaten leider nicht oft zusammengespielt“, stellte Schick im Gespräch mit dem kicker fest. „Vor allem in der vergangenen Saison hätten wir aus meiner Sicht häufiger mal zusammenspielen sollen.“
Ein Gedankengang, den auch viele Fans und Beobachter immer wieder hatten. Unter anderem bei den Champions-League-Spielen gegen den FC Bayern oder beim blamablen Pokal-Aus in Bielefeld, als der inzwischen zum FC Liverpool gewechselte Kreativdirektor Florian Wirtz verletzungsbedingt fehlte. Teilweise wirkte Alonso stur - ähnlich wie Pep Guardiola, der Trainer von Manchester City, dem das ab und zu vorgeworfen wird. Dieser beharrte häufiger auf seiner Spielidee, obwohl diese offensichtlich nicht funktionierte.
Daran kann Alonso noch arbeiten
Nach der Niederlage in Bielefeld wussten selbst Alonsos Spieler nicht, warum sie so gespielt hatten, wie sie gespielt hatten. Wenn ein Trainer mit dieser Herangehensweise erfolgreich ist, ist das erstmal relativ egal, denn Erfolg gibt ihm recht. Kein Spieler, der auf der Bank sitzt, kann sich dann über irgendetwas beschweren. In der abgelaufenen Saison war das in Leverkusen jedoch anders, was sich auf die Grundstimmung auswirkte. Das Gesamtgefüge des Teams war zwar intakt, aber längst nicht so homogen wie in der vorherigen Double-Saison.
Die Folgen davon kommen nun allmählich ans Licht. Wegen Hofmann, der seine Unzufriedenheit eindeutig zu verstehen gab. Und wegen Schick, der im Frühjahr aufgrund taktischer Maßnahmen plötzlich auf der Bank saß und aus seinem Lauf gerissen wurde. Gleiche Überlegungen könnte auch Boniface haben. Der nigerianische Nationalstürmer war in den letzten Wochen unter Alonso komplett außen vor und galt lange als sicherer Abschiedskandidat, bis es zur Wende kam.
Außer Frage steht, dass Alonso und die Leverkusener immer zuallererst mit ihren außergewöhnlichen Triumphen in Verbindung gebracht werden. Doch es scheint, als sei die Kommunikation in sportlich schwierigen Zeiten etwas, an dem der Spanier in seiner noch jungen Trainerkarriere noch arbeiten kann. Um Dinge verständlicher zu machen. Und um alle seine Spieler bei Laune zu halten.