Nachdem Friedhelm Funkel den 1. FC Köln zum Aufstieg geführt hatte, räumte er zunächst wieder seinen Platz an der Seitenlinie. Der 71-Jährige hat jedoch weiterhin Lust auf einen Trainerjob.
„Ich würde Flo jetzt gerne helfen“
Mit SPORT1 traf er sich im Krefelder Stadtwald zu einem Exklusiv-Interview und sprach unter anderem über den Abschied vom FC sowie den bei Borussia Mönchengladbach in Ungnade gefallenen Florian Neuhaus. Funkel sprach in diesem Zusammenhang auch über einen weiteren Ex-Schützling: Tim Lemperle.
SPORT1: Herr Funkel, genießen Sie es oder ist es für Sie eher schwierig, jetzt nur zuschauen zu können? Sie haben zuletzt klar gesagt, dass Sie wieder richtig Lust hätten, etwas zu machen. Wie ist das jetzt für Sie in der aktuellen Situation?
Friedhelm Funkel: Ich genieße das. Auf der anderen Seite hätte es mich tatsächlich sehr gereizt, noch einmal mit einer Mannschaft ins Trainingslager zu fahren – etwas, das ich früher sehr oft gemacht habe. Aber ich bin mit mir vollkommen im Reinen. Demnächst fahre ich wieder in den Urlaub: Mountainbike fahren, Tennis spielen, Padel spielen.
SPORT1: Sie haben zuletzt alles richtig gemacht – beim 1. FC Kaiserslautern, den Sie gerettet haben, und in zwei Spielen beim 1. FC Köln, der in die Bundesliga aufgestiegen ist. Hat es Sie denn geärgert, dass einige gesagt haben: „Der Funkel kann keine Bundesliga mehr“?
Funkel: Das habe ich nicht gehört, denn es gibt keinen Unterschied für einen Trainer, ob du in der ersten oder in der zweiten Bundesliga arbeitest. Das sind die gleichen Mechanismen, die du mit einer Mannschaft in der Vorbereitung erarbeiten musst. Wenn das jemand gesagt haben sollte – ich weiß es nicht –, dann geht das sowieso an mir vorbei, weil das völliger Blödsinn ist.
„Wir sind völlig im Guten auseinandergegangen“
SPORT1: Sind Sie immer noch enttäuscht darüber, wie man beim 1. FC Köln nach Ihrem Erfolg mit Ihnen umgegangen ist?
Funkel: Mit mir ist man ja nicht schlecht umgegangen. Nachdem ich gesagt hatte, dass ich es mir durchaus zutraue und sehr gerne noch ein Jahr den FC trainieren würde, war es so, dass der Verein sich noch etwas Zeit nehmen wollte, um mit möglichen anderen Kandidaten zu sprechen. Und da waren wir eben unterschiedlicher Meinung – was ja auch vorkommen kann. Ich habe dann gesagt, dass ich so lange nicht warten möchte, dem Verein viel Glück wünsche und deshalb nicht mehr zur Verfügung stehe. Wir sind völlig im Guten auseinandergegangen – ganz gleich, ob es Thomas Kessler war, der Vorstand, Mitglieder des Mitgliederrats oder sonst jemand. Es ist überhaupt nichts Negatives hängen geblieben.
SPORT1: Wirklich nicht?
Funkel: Nein. Wir haben uns alle unglaublich gefreut, dass der FC wieder in der Bundesliga ist, und ich drücke diesem Verein ganz fest die Daumen, dass er in der neuen Saison sein Ziel – die Klasse zu halten – auch wirklich erreichen kann.
„Ich war schon etwas enttäuscht, aber so ist das Geschäft“
SPORT1: Wenn so viel Uneinigkeit in der Chefetage herrscht, dann macht das doch sicher traurig – zumindest ein bisschen, oder?
Funkel: Ich war schon etwas enttäuscht, aber so ist das Geschäft. Ich kann mich aber mit Situationen sehr schnell auseinandersetzen und mich dann entsprechend anpassen. Man muss eben flexibel sein – und das war in diesem Fall so. Deshalb bleibt am Ende nichts zurück.
Funkel: Kwasniok passt sehr gut zum FC
SPORT1: Wie sehen Sie die Entscheidung für den neuen Trainer Lukas Kwasniok?
Funkel: Ich glaube, dass sich der 1. FC Köln mit Lukas richtig entschieden hat. Aus meiner Sicht ist er ein Trainer, der sehr gut zum FC passt. Er zeigt Emotionen – nein, er lebt sie. Er ist ein junger, temperamentvoller Trainer. Er hat gute Arbeit in Saarbrücken und in Paderborn geleistet, war in den vergangenen Jahren immer im einstelligen Tabellenbereich und hat am Aufstieg geschnuppert. Aber das Leistungsniveau der Mannschaft war nicht so, dass man mit Paderborn den Aufstieg erwarten konnte. Was er dort geleistet hat, war überragend. Ich wünsche ihm alles Glück der Welt. Aber Köln ist etwas anderes – das weiß er auch. Der FC hat eine unglaubliche Wucht, schon allein medial ist das eine ganz andere Welt.
SPORT1: Ist Kwasniok Steffen Baumgart 2.0?
Funkel: Das will ich gar nicht sagen. Ich möchte beide nicht miteinander vergleichen. Es gibt einige Unterschiede. Lukas ist nicht ganz so theatralisch wie Baumi, der die Mannschaft mit seiner Theatralik anpeitscht. Lukas ist da etwas ruhiger. Auch in seiner Spielweise unterscheidet er sich ein wenig.
SPORT1: Wie beurteilen Sie Kölns neuen Sportdirektor Thomas Kessler?
Funkel: Ich schätze ihn sehr. Er ist durchaus in der Lage, in die Fußstapfen seiner Vorgänger wie Horst Heldt zu treten, der beim FC eine tolle Arbeit geleistet hat. Thomas ist schon lange beim FC. Ich habe ihn 2022 kennengelernt, als er durch alle Abteilungen ging. Er ist ein sehr intelligenter junger Mann. Ich traue ihm das absolut zu. Und er hat in kurzer Zeit mit Ache und Jóhannesson schon richtig gute Transfers getätigt. Er ist auf einem guten Weg und der FC hat eine Mannschaft, die in der Lage ist, die Liga zu halten.
„Nicht so, dass ich jetzt auf den Anruf eines Vereins warte“
SPORT1: Scharren Sie schon mit den Hufen, wenn dann im Herbst nicht nur die Blätter, sondern auch die ersten Trainer wackeln? Sie haben ja wieder richtig Blut geleckt.
Funkel: Es ist nicht so, dass ich jetzt auf den Anruf eines Vereins warte. Das habe ich nicht nötig. Aber ich bin bereit – weil ich das große Glück habe, gesund und fit zu sein. Und ich habe bei den letzten Stationen gemerkt, dass ich noch etwas bewegen kann. Ich kann eine Mannschaft wieder in die Spur bringen. Es gibt ja diesen kölschen Spruch: „Et kütt, wie et kütt.“
SPORT1: Sie sind 71 Jahre alt. Nervt es Sie, dass Sie dann wieder nur für eine Krisenmission geholt werden würden?
Funkel: Das nervt mich überhaupt nicht. Ich habe die Sieben davor – und wenn man dann immer noch gefragt wird, ob man helfen kann, ist das doch wunderbar. Das ist eine Bestätigung dessen, was ich in den vergangenen Jahren geleistet habe. Etwas Schöneres gibt es doch nicht. Ich bin tiefenentspannt. Ich muss kein Trainer mehr sein. Mein Leben ist richtig schön. Und meine Frau wird mich in allem unterstützen, was ich mache – solange ich gesund und fit bin.
„Meine Glaubwürdigkeit hat nicht gelitten“
SPORT1: Sehen Sie Ihre Glaubwürdigkeit in Gefahr, weil Sie zwei Vereine übernommen haben und zuletzt ähnliche Statements abgegeben haben wie bei der PK in Kaiserslautern?
Funkel: Meine Glaubwürdigkeit hat nicht gelitten, die ist nach wie vor riesengroß – gerade bei den Verantwortlichen der Klubs. Ich kann mit Kritik umgehen, das belastet mich nicht. Warum darf ich nicht zwei Vereine im Herzen haben? Ich habe starke Verbindungen zum FCK und zum FC. Wie ich in Lautern empfangen und verabschiedet wurde – das war herzergreifend. Und beim FC war ich das dritte Mal Trainer. Dem 1. FC Köln gehört das größte Stück meines Herzens. Ich hatte zudem auch Erfolg bei Fortuna Düsseldorf und bei Eintracht Frankfurt. Mir ist es egal, wie andere Leute darüber denken. Meine Freunde und die Leute, mit denen ich zusammengearbeitet habe, haben damit überhaupt kein Problem. Und ich habe auch kein Problem damit, das öffentlich zu sagen.
SPORT1: Der Fall Florian Neuhaus bei Borussia Mönchengladbach sorgte zuletzt für viel Aufmerksamkeit. Wie bewerten Sie den Umgang der Vereine mit solchen Situationen?
Funkel: Ich kann den Verein verstehen, dass er so reagieren muss. Da hat sich viel Frust angestaut. Und in einer kleinen Runde lässt man sich dann zu Aussagen verleiten – Dinge, die einfach nicht korrekt sind, die er aber normalerweise niemals sagen würde. Dafür kenne ich den Jungen viel zu gut.
„Flo ist ein lieber Kerl, ein toller Mensch“
SPORT1: Sie kennen Florian Neuhaus noch aus gemeinsamer Zeit in Düsseldorf. Wie erinnern Sie sich an ihn als Spieler und Mensch?
Funkel: Ich hatte Flo mit 21 oder 22 Jahren in Düsseldorf als Spieler. Damals hatten wir ihn von Borussia Mönchengladbach ausgeliehen und er hatte 2019 einen ganz großen Anteil daran, dass wir in die Bundesliga aufgestiegen sind. Wir hätten ihn gerne behalten, aber Dieter Hecking und Max Eberl wollten ihn zurückhaben. Flo ist ein lieber Kerl, ein toller Mensch. Und er ist ein Riesen-Fußballer. In den vergangenen zwei Jahren hatte er sportlich keine gute Zeit in Mönchengladbach. Es hat einfach nicht richtig gepasst zwischen dem Trainer und Flo. Andere Spieler kamen häufiger zum Einsatz und er hat natürlich an Selbstvertrauen verloren. Bei mir haben auch manche Spieler mehr gespielt, andere weniger. Ich würde Flo jetzt gerne helfen und ihn wieder aufbauen.
Lemperle? „Am Ende haben wir es ganz gut hinbekommen“
SPORT1: Wie würden Sie als Trainer von Borussia reagieren?
Funkel: Da ist ja jeder anders. Das müsste ich mit dem Klub und dem Spieler besprechen. Ich hatte in Köln den Fall mit Tim Lemperle (geriet vor dem entscheidenden Spiel um den Aufstieg bei einer Partynacht mit einem Fan aneinander, Anm. d. Red.) – da stimmte so vieles nicht, weil sehr viel drumherum geredet wurde. Er hat sich aber nicht so verhalten, wie man es als Profi tun sollte. Ich habe natürlich gleich mit ihm gesprochen. Ich habe ihm etwas Zeit gegeben. Es war nicht jeder auf seiner Seite. Aber junge Menschen machen Fehler. Ich habe Tim dann beim letzten Spiel in den Kader genommen. Er musste das wegstecken – die Medien haben tagelang auf ihn eingehauen. Am Ende haben wir es ganz gut hinbekommen.
SPORT1: Tut Ihnen Neuhaus leid?
Funkel: Was heißt: Er tut mir leid? Er weiß ja auch, dass er einen Fehler gemacht hat. Ich finde es nicht schön, weil er eigentlich ein ganz anderer Mensch ist. Er ist zuvorkommend und hilfsbereit. Von daher ist es für mich sehr schwer nachzuvollziehen, dass er sich zu so etwas hat hinreißen lassen. Das ist sehr, sehr schade.
SPORT1: Was fehlt Ihrer Meinung nach manchen jungen Profis heute – und wo sehen Sie positive Entwicklungen?
Funkel: Grundsätzlich sehe ich bei den jungen Spielern schon positive Entwicklungen. Sie sind ein Stück weit professioneller, als wir es früher waren. Sie sind sehr wissbegierig, trainingsfleißig und trainieren gerne viel und intensiv. Manchmal sind sie aber auch etwas zu oberflächlich und können mit der Erwartungshaltung nicht gut umgehen. Das ist in vielen anderen Berufen genauso. Wenn man das Gespräch mit den Spielern sucht, findet man auch schnell Zugang zu ihnen – das habe ich bei Lemperle gesehen. Das ist für mich heute der Schlüssel: Der Spieler ist ein Mensch, und man muss menschlich mit den Jungs umgehen. Wir haben früher auch andere Dinge gemacht als die älteren Spieler. Der Umgang miteinander ist extrem wichtig – das steht bei mir an allererster Stelle. Dann bekommst du auch Vertrauen von den jungen Spielern. Und dann kannst du ihn auch mal etwas härter anpacken – wenn der Spieler weiß, dass ich seine sportliche, und nicht seine menschliche Seite kritisiere.