Julian Schuster hat beim SC Freiburg einen nahezu perfekten Einstand gefeiert. In seiner ersten Trainersaison in der Bundesliga hat die Klub-Legende nicht nur die Fußstapfen von Christian Streich bestens ausgefüllt und die Saison auf einem Europa-League-Platz beendet, beinahe hätte es für den bodenständigen Verein aus dem Breisgau sogar für die schillernde Champions League gereicht.
Doan? Schuster macht Hoffnung
Kaum verwunderlich, dass der SC am Montag die Vertragsverlängerung mit Schuster bekanntgab. SPORT1 besuchte die Freiburger am Tag darauf im Trainingslager im österreichischen Schruns – und sprach exklusiv mit dem Erfolgstrainer.
„Es freut mich sehr, dass es gemeinsam weitergeht“
SPORT1: Herzlichen Glückwunsch zur Vertragsverlängerung, Herr Schuster! War es eine einfache Entscheidung?
Julian Schuster: Nach all den Jahren, die ich jetzt schon hier sein darf, definitiv. Es freut mich sehr, dass es gemeinsam weitergeht.
SPORT1: Was waren die ausschlaggebenden Argumente für die weitere Zusammenarbeit?
Schuster: Ich habe von Anfang an im vergangenen Jahr eine totale Offenheit gespürt, Sicherheit und das volle Vertrauen bekommen. Das ist als Trainer wichtig, um gut arbeiten zu können. Dazu habe ich tolle Kollegen im Trainerteam und tolle Persönlichkeiten als Spieler. Das sind viele Argumente. Hinzu kommen die perfekten Entwicklungsbedingungen in Freiburg…
„Freiburg hat sich zu einer Fußballstadt entwickelt“
SPORT1: Ist gerade das auch ausschlaggebend, dass es in Freiburg nicht so turbulent zugeht? Man könnte meinen, das käme Ihrer Person zugute.
Schuster: Wir haben eine gute Mischung, die - auch losgelöst von meiner Person - gut zu allen passt. Freiburg hat sich zu einer Fußballstadt entwickelt, man merkt das an der großen Euphorie und Verbundenheit in der Stadt. Und klar, die Spieler haben ein Umfeld, in dem sie sich auf das Wesentliche konzentrieren können und es weniger Schauplätze gibt.
SPORT1: Ihr Vorgänger, Christian Streich, hat in Freiburg diese Ära eingeleitet und über Jahre hinweg selbst geprägt. Sehen Sie sich selbst auch in der Rolle, in Freiburg eine Generation anleiten zu können?
Schuster: Solche Dinge sind sehr schwer planbar. Als Spieler hatte ich es nicht geplant, also habe ich das jetzt als Trainer auch nicht geplant (schmunzelt). Da gehören einige Faktoren dazu, nicht nur die persönliche Entwicklung, aber wenn es sich am Ende so ergibt, dann habe ich sicher nichts dagegen.
SPORT1: Jetzt, Ende Juli, heißt es erst einmal wieder den Urlaubsmodus auszuschalten und die intensive Arbeit zu beginnen. Wie läuft die bisherige Saisonvorbereitung?
Schuster: Wir haben die ersten zweieinhalb Wochen hinter uns und sind viel daran, an unserer Fitness zu arbeiten und gleichzeitig die inhaltlichen Aspekte abzudecken. Vor allem auch die Offenheit zu wahren, Dinge zu verändern und zu verbessern.
„Denke, dass sich noch etwas tun wird“
SPORT1: Stichwort Veränderung. Der Freiburger Kader ist selten groß, wird sich diesbezüglich noch etwas verändern?
Schuster: Ich denke schon, dass sich noch etwas tun wird. Für einen Trainer ist die Situation aber gut! Lieber hast du zu viele Spieler da als zu wenig. Wir haben viel Qualität in den Reihen, mit der sich für mich sehr gut arbeiten lässt.
SPORT1: Um Ritsu Doan im Speziellen haben sich in den letzten Wochen viele Gerüchte hinsichtlich eines möglichen Abgangs gerankt. Führen Sie aktiv Gespräche mit ihm, in denen Sie versuchen, ihn von einem Verbleib zu überzeugen?
Schuster: Das muss ich gar nicht mehr. Er weiß, was er in Freiburg hat. Er hat sich über all die Jahre hier sehr gut entwickelt, diese Steigerung konnte man von Jahr zu Jahr beobachten. Er hat mit Sicherheit vergangenes Jahr sein bestes Jahr gespielt. Es ist nachvollziehbar, dass er mit den Argumenten, die er verkörpert, Interesse auf sich zieht. Aber es gibt auch eventuell die Möglichkeit, dass er hierbleibt. Solange er hier ist, arbeitet er weiter, wie er es bisher getan hat.
SPORT1: Ein Ass hat Freiburg im Ärmel: das internationale Geschäft mit der Europa League. Wie weit kann es denn international für den SCF gehen?
Schuster: Wir haben zum Glück noch ein paar Wochen, um uns darauf vorzubereiten. Wir wissen auch noch nicht final, wer in der Europa League dabei ist, daher ist es noch schwer einzuschätzen. In der Vergangenheit haben wir die Gruppenphase überstanden, das ist ein schönes Erlebnis. Für uns wird es wichtig sein, die Mischung mit der Bundesliga zu finden. Wenn du am Wochenende die Spiele mit ein paar weniger Körnern antrittst, müssen wir das anderweitig kompensieren. Da gilt es über die Saison hinweg spontan zu sein, intuitiv zu arbeiten und zu reagieren.
„Können eine gute Rolle in der Bundesliga spielen“
SPORT1: Geben Sie für die Bundesliga ein klares Saisonziel aus?
Schuster: Wir hatten elf Spiele, die wir mit einem Tor Unterschied gewonnen haben. Gewinnst du davon drei Spiele nicht, stehst du ganz schnell auf Platz acht oder neun. Dann haben wir von unserer Leistung her eine nicht viel schlechtere Saison gespielt. Das ist so eng, dass es vermessen wäre, nach oben hin gewisse Ziele erreichen zu wollen. Wir haben uns entwickelt und wir können eine gute Rolle in der Bundesliga spielen, wenn wir an unserem Maximum sind und andere schwächeln.
SPORT1: Das Maximum wäre in der abgelaufenen Saison beinahe noch die Champions League geworden, sie standen sogar nach dem 33. Spieltag noch auf einem Königsklassen-Rang. War das für Sie ein kleiner Wermutstropfen, dass es nicht die Champions League wurde?
Schuster: Ich kann die Dinge schon realistisch einschätzen. Wir haben kein Spiel gewonnen gegen die Top-Mannschaften und in der Champions League spielt man nur gegen Top-Teams. Daher waren wir nicht gut genug vorbereitet und spielen jetzt wohl im richtigen internationalen Wettbewerb.
„Ich kann keinen Stillstand akzeptieren“
SPORT1: Was nehmen Sie sich persönlich in Ihrer eigenen Trainerentwicklung für die neue Saison vor?
Schuster: Es sind neue Voraussetzungen: Eine andere Kadergröße und wir werden international spielen. Das ist für mich auch ein neues Feld nochmal dazuzulernen. Ich kann keinen Stillstand akzeptieren.