Die Karriere von Assan Ouédraogo hätte kaum besser beginnen können. Mit der deutschen U17-Nationalmannschaft wurde er 2023 Welt- und Europameister. Als eines der größten Talente Deutschlands ist er zudem mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze geehrt worden.
"Natürlich hat mich Bayerns Interesse erstmal gefreut"
„Am Anfang war das natürlich schwer“
In der Saison 2023/24 war er der fußballerische Lichtblick eines ansonsten kriselnden FC Schalke 04 - zumindest in der Hinrunde. Aufgrund eines Syndesmosebandrisses verpasste er den Großteil der Rückrunde. Im Sommer 2024 erfolgte der Wechsel zu RB Leipzig - und weitere Verletzungsprobleme. Erst streikte das Knie, dann der Oberschenkel. Nur fünf Kurzeinsätze kamen 2024/25 zustande.
Doch all das ist Vergangenheit. Der Mittelfeldspieler blickt nach vorne - neue Saison, neuer Trainer, hohe Ziele.
Im SPORT1-Interview spricht der 19-Jährige über den Auftakt beim FC Bayern München (20.30 Uhr im LIVETICKER), seine Anfänge auf Schalke, seine Verletzungen und den Ramadan.
SPORT1: Herr Ouédraogo, was stimmt Sie zuversichtlich, dass RB Leipzig beim Deutschen Meister FC Bayern einen starken Saisonstart hinlegt?
Ouédraogo: Wir haben in der Vorbereitung auf dieses Spiel hingearbeitet, freuen uns riesig darauf und sind heiß auf dieses Spiel.
„Der FC Bayern ist immer ein Favorit“
SPORT1: Ist der FC Bayern der Meisterfavorit?
Ouédraogo: Der FC Bayern ist immer ein Favorit auf die Meisterschaft.
SPORT1: Und RB Leipzig?
Ouédraogo: Wir befinden uns in einem großen Umbruch. Das braucht immer auch Zeit. Bei uns fällt dieses Jahr ohne den internationalen Wettbewerb die Doppelbelastung weg. Wir werden uns Woche für Woche auf die einzelnen Spiele konzentrieren, wollen erfolgreich sein und natürlich gewinnen.
SPORT1: Also ist es ein Vorteil, nicht international zu spielen?
Ouédraogo: Im ersten Moment war das natürlich sehr enttäuschend. Aber jetzt müssen wir eben einen Vorteil daraus ziehen. Wir haben viele neue Spieler. Von daher müssen wir erst einmal zusammenfinden, wollen einen guten, aggressiven und mutigen Fußball spielen. Natürlich wollen wir uns in dieser Saison wieder für den internationalen Fußball qualifizieren.
SPORT1: Mit Benjamin Sesko haben Sie den Torgaranten der vergangenen Saison an Manchester United verloren. Wie lässt sich dieser Verlust auffangen?
Ouédraogo: Klar, wir verlieren mit Sesko enorme Qualität vorne. Aber wir haben ja auch noch Loïs Openda. Und mit Rômulo ist ein neuer Stürmer hinzugekommen, der das auch gut machen wird.
Ouédraogo hat besondere Erinnerung an Neuer
SPORT1: Gibt es Spieler beim FC Bayern, mit denen Sie bestimmte Erinnerungen verbinden?
Ouédraogo: Manuel Neuer. Ich weiß noch, dass ich als Kind auf Schalke im Stadion war, als er dort noch Torwart gewesen ist. Aber damals war ich wirklich noch sehr jung.
SPORT1: Es ist bekannt, dass auch der FC Bayern München an einer Verpflichtung von Ihnen interessiert war. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Ouédraogo: Natürlich hat es mich erstmal gefreut, bei den großen Klubs in Deutschland Interesse zu wecken. Mir war relativ schnell klar, dass ich nach Leipzig möchte. Der Verein hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er auf junge Spieler setzt. Das hat mich überzeugt.
SPORT1: Mit Ole Werner hat RB Leipzig einen neuen Trainer. Was hat er eingebracht?
Ouédraogo: Zunächst einmal ist er menschlich ein super Trainer, der sich mit jedem Spieler gut versteht und sehr herzlich ist. Fußballerisch arbeiten wir zwar noch nicht so lange zusammen. Aber man sieht schon die Akzente im Spielerischen, im Spielaufbau, im Gegenpressing und dass wir auf Ballbesitz setzen.
Klopp „ist sehr sympathisch“
SPORT1: Wie haben Sie den Einfluss von Jürgen Klopp bislang wahrgenommen?
Ouédraogo: Jeder respektiert Jürgen Klopp enorm. Jeder weiß, was er geleistet hat, er ist sehr sympathisch. Und man merkt natürlich, dass er präsent ist. Aber für uns Spieler ist und bleibt der Trainer unser erster Ansprechpartner.
SPORT1: Im DFB-Pokal hat RB Leipzig die 1. Runde überstanden, lag aber gegen den Regionalligisten SV Sandhausen zweimal zurück. Sie wurden eingewechselt und haben das 4:2 vorbereitet. Was hat die Aufgabe so schwierig gemacht?
Ouédraogo: Es ist kein Geheimnis, dass im Pokal alles möglich ist und auch die vermeintlich kleineren Teams Vollgas geben. Das sieht man Jahr für Jahr und betrifft alle Mannschaften. Für die Gegner sind solche Spiele eine einmalige Chance, die hauen alles rein.
SPORT1: Der Konkurrenzkampf bei RB Leipzig ist groß – gerade auch im Mittelfeld. Haben Sie darüber nachgedacht, sich verleihen zu lassen, um bei einem anderen Verein mehr Spielzeit zu bekommen?
Ouédraogo: Nein, darüber habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Ich werde mich hier im Training empfehlen und so gut trainieren wie möglich. Dann entscheidet der Trainer, wie viel Einsatzzeit ich bekomme.
SPORT1: Trotz Ihres jungen Alters haben Sie bereits einige Höhen und Tiefen durchlebt. Zu Beginn der Saison 2023/24 gaben Sie beim FC Schalke 04 Ihr Debüt in der 2. Liga und waren der fußballerische Lichtblick einer ansonsten kriselnden Mannschaft. Wie haben Sie die öffentliche Aufmerksamkeit und den damit verbundenen Druck damals mit 17 Jahren wahrgenommen?
Ouédraogo: Es ist natürlich schön, wenn man viel Positives über sich selber hört. Aber ich habe versucht, das auszublenden und mir nicht zu Kopf steigen zu lassen. Man kann nicht verhindern, dass über einen geschrieben wird. Aber ich habe diese Berichte eigentlich nie gelesen. Ich wollte einfach nur Fußball spielen. Ich habe mir deshalb auch keinen zusätzlichen Druck gemacht. Wobei die Saison natürlich insgesamt keine gute von uns gewesen ist. Wir hatten uns damals viel mehr vorgenommen.
SPORT1: In den vergangenen eineinhalb Spielzeiten waren Sie von großem Verletzungspech betroffen. Wie sind Sie damit umgegangen?
Ouédraogo: Am Anfang war das natürlich schwer. Ganz besonders als ich hier nach Leipzig kam und direkt ausfiel - das Timing war einfach nervig. Schließlich wollte ich hier gut loslegen. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, das zu verarbeiten, weil ich weiß, dass es danach wieder weitergeht. Die Reha ist natürlich keine schöne Zeit, um ehrlich zu sein. Aber umso mehr freut man sich auf das Comeback.
Leipzig-Juwel bei U19-EM im Einsatz
SPORT1: Sie kehrten nach Ihrer Verletzung zurück, absolvierten für RB Leipzig drei Kurzeinsätze in der Bundesliga und zwei in der Champions League, ehe Sie sich erneut verletzten und erneut lange ausfielen.
Ouédraogo: Ja, das war nicht einfach. Aber ich habe von allen Seiten Unterstützung bekommen. Nach zwei, drei Tagen richtete sich mein Blick wieder nach vorne.
SPORT1: Wie groß ist die Angst vor einer erneuten Verletzung?
Ouédraogo: Davor habe ich gar keine Angst. Mit Angst kann man nicht Fußball spielen. Wenn man sich zu viele Gedanken macht, verkrampft man. Deshalb denke ich nicht darüber nach.
SPORT1: Sie haben im Juni für Deutschland die U19-Europameisterschaft gespielt. Wie sehr hat das geholfen, um nach der Verletzung wieder in den Spielrhythmus zu kommen?
Ouédraogo: In erster Linie haben wir gespielt, um zu gewinnen. Aber natürlich war es für mich auch wichtig, wieder Spielzeit zu sammeln und in den Rhythmus zu kommen. Der Trainer hatte mit mir vorher über meine Rolle gesprochen. Daher wusste ich, was auf mich zukommt. Ich habe dann im dritten Vorrundenspiel gegen Norwegen ein Tor gemacht und stand daraufhin im Halbfinale gegen Spanien (5:6 nach Verlängerung, Anm. d. Red.) in der Startelf.
SPORT1: Sie wurden auch bereits mit der U17 Europameister und Weltmeister. Wie wichtig sind die U-Nationalmannschaften für Sie?
Ouédraogo: Wir haben natürlich enorme Erfolge gefeiert. Das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben, was ich im Verein nutzen konnte. Wenn du aus einer guten Länderspielpause kommst, bist du im Flow und nimmst das in die nächsten Spiele mit. Von daher tat mir das immer sehr gut.
SPORT1: Sie sind ein gläubiger Mensch und bestreiten auch jedes Jahr den Fastenmonat Ramadan. Wie lässt sich das mit dem Fußball vereinbaren?
Ouédraogo: Ich mache das schon jahrelang. Die ersten Tage sind schon eine Umstellung, aber ich habe damit überhaupt kein Problem. Es war und ist einfach nur eine Gewöhnungssache.
SPORT1: Ihr Vater Alassane Ouédraogo war ebenfalls Fußballprofi und spielte unter anderem für den 1. FC Köln. Welchen Einfluss hat er auf Ihre Karriere?
Ouédraogo: Eigentlich reden wir gar nicht so viel über Fußball. Er gab mir immer viel Freiraum, sodass ich mich frei entwickeln konnte. Wenn ich mal ein Anliegen habe, spreche ich natürlich mit ihm, weil er viel Erfahrung hat. Als ich mich zum Wechsel nach Leipzig entschieden hatte, habe ich ihn auch nach seiner Meinung gefragt. Aber genauso bespreche ich auch mit meiner Mutter solche Themen. Grundsätzlich aber ist Fußball bei uns in der Familie nicht das größte Thema.
Ouédraogo schwärmt von Messi
SPORT1: Ihr Vater war Nationalspieler von Burkina Faso und nahm dreimal am Afrika-Cup teil. Wäre das auch für Sie eine Option?
Ouédraogo: Momentan ist das ehrlich gesagt noch relativ weit weg für mich. Ich bin froh, wo ich jetzt stehe.
SPORT1: Ihr kleiner Bruder Riyad spielt im Nachwuchs von Schalke 04. Kommt bald der nächste Fußballprofi aus der Familie hervor?
Ouédraogo: Das lässt sich jetzt noch nicht sagen, weil er erst 15 Jahre alt ist. Aber er macht das schon sehr gut. Ich konnte mir leider schon länger kein Spiel mehr von ihm ansehen, weil wir oft zur selben Zeit spielen. Aber meine Eltern sind regelmäßig vor Ort.
SPORT1: Wer waren Ihre Vorbilder, als Sie selber noch Jugendspieler gewesen sind?
Ouédraogo: Ich fand immer, dass Lionel Messi der beste Fußballspieler der Welt ist. Aber ich hatte nie ein richtiges Vorbild.
SPORT1: Von welchen Spielern von RB Leipzig können Sie sich am meisten abschauen?
Ouédraogo: Jeder Spieler bringt seine eigenen Stärken ein. Wenn man zum Beispiel danach geht, wer technisch die besten Fußballspieler sind, sind Antonio Nusa und Xavi Simons zum Beispiel sehr stark einzuschätzen. Aber ich kann von jedem Spieler etwas lernen.