Einen festen Platz beim FC Bayern wird Paul Wanner auch nach seinem Abgang innehaben – und zwar in den Geschichtsbüchern des Rekordmeisters.
Wanners Abgang beim FC Bayern: Es fehlte der Glaube - mal wieder
Die Zweifel blieben bis zum Schluss
Am 7. Januar 2022 debütierte Wanner nur 15 Tage nach seinem 16. Geburtstag unter Julian Nagelsmann bei den Profis und wurde damit zum jüngsten Spieler der Klubhistorie. Und es ist nicht abzusehen, dass ihm ein noch jüngerer Teenager diesen Titel in naher Zukunft streitig macht.
Zwar haben sich die Münchner zuletzt wieder verstärkt die Integration eigener Talente bei den Profis auf die Fahnen geschrieben. Doch der Fall Wanner zeigt auch exemplarisch die Krux mit diesem Plan.
Sportvorstand Max Eberl machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über Wanners bevorstehenden Wechsel zur PSV Eindhoven. „Wir wollen an Spieler glauben und mit Spielern arbeiten, die Bock darauf haben, Bayern-München-Spieler zu werden. Und da gehören halt Schritte dazu. Und da gehört auch Mut dazu“, sagte Eberl auf der PK vor dem Bundesliga-Start gegen RB Leipzig (Freitag, 20.30 Uhr im LIVETICKER).
Zweifel bei Wanner blieben offenbar
Es komme auf die Spieler an, „die besser werden wollen und sich Herausforderungen stellen wollen“, ergänzte Eberl. Die prominenten Abgänge von Thomas Müller, Leroy Sané und Kingsley Coman sowie die langfristige Verletzung von Jamal Musiala haben die Tür vom Campus zur ersten Mannschaft zuletzt ein Stück weiter aufgehen lassen.
Wenn ein Spieler trotzdem nicht an seine Chance „glaubt“, führte Eberl weiter aus, „dann muss man halt auch irgendwie eine Entscheidung treffen“.
In einem wenig später geführten Sky-Interview ließ Eberl durchklingen, dass gerade die absehbare Rückkehr des verletzten Musiala die Zweifel, sich dauerhaft bei den Bayern etablieren zu können, nicht beseitigen konnte.
„Aber bis Jamal zurück ist, haben wir 20 bis 25 Spiele gespielt“, argumentierte Eberl in Richtung Wanner: „Du hättest eine große Möglichkeit gehabt, deine Qualitäten, die unbestritten da sind, zu zeigen - beim FC Bayern! Wo du immer spielen wolltest.“
Eberl rollt Wanner den Roten Teppich beim FC Bayern aus
Nach erfolgreichen Leihen zu Zweitligist SV Elversberg und Bundesligist 1. FC Heidenheim rollten Eberl und die anderen Bosse Wanner in der Saisonvorbereitung den Roten Teppich in München aus.
Ende Juli enthüllte CEO Jan-Christian Dreesen, wie er selbst, Sportvorstand Eberl und Sportdirektor Christoph Freund über Wanner denken: „Aus unseren Dreiergesprächen, die wir regelmäßig haben - erst wieder heute Morgen -, steht Paul mit auf der Liste für die neue Saison.“
Tags darauf legte Eberl bei der Vorstellung von Luis Díaz nach und verkündete: „Stand heute wüsste ich keinen Grund, warum er nicht über den 1. September bei uns ist. Er hat einen Platz bei uns, um uns zu helfen.“
Allerdings berichtete SPORT1 schon damals, dass die Lage beim U21-Nationalspieler hinter den Kulissen lange nicht so eindeutig war, wie es öffentlich klang - und sowohl eine Leihe als auch ein Verkauf nicht ausgeschlossen waren.
Wanner ließ klares Bekenntnis vermissen
Dazu passte, dass der 19-Jährige selbst stets ein klares Bekenntnis vermissen ließ.
Angesprochen darauf, ob der Ausfall von Musiala ein Ansporn für ihn sei, sagte Wanner nach dem ersten Testspiel gegen Olympique Lyon (2. August): „Ich schaue jetzt einfach von Tag zu Tag. Ich will im Training Gas geben und dann schauen wir.“ Seine weiteren Antworten zu Fragen nach seiner Zukunft und einem möglichen Wechsel klangen ähnlich.
Am Ende fehlte wohl der Glaube und Wanner wird vorerst ein unerfülltes Versprechen bei Bayern bleiben.
Dabei ist der Wunsch nach mehr Spielern aus dem eigenen Nachwuchs bei den Profis auch bei den Fans groß. Aber diesen in die Tat umzusetzen, bringt eben gleichermaßen Herausforderungen mit sich.
Das weiß auch Klaus Augenthaler. „Man ist beim FC Bayern als Trainer verpflichtet, Titel zu holen. Dann ist es schwierig, zu sagen, mir ist es egal ob ich Meister werde, aber ich bilde zwei 18- und 19-Jährige aus, die vielleicht in den nächsten Jahren beim FC Bayern einschlagen werden. Der FC Bayern ist der Verein in Europa oder in Deutschland, der liefern muss, sprich Titel holen muss“, sagte Augenthaler zu SPORT1.
Augenthaler zeigt Verständnis für Kompany
Der frühere Trainer und jetzige Klub-Repräsentant und Nachwuchscoach zeigte auch Verständnis für die Position von Vincent Kompany, wie zuletzt im Supercup die erfahreneren Kräfte den Youngstern vorzuziehen.
In erster Linie schaue man als Trainer auf das Ergebnis, weil man davon abhängig sei, sagte Augenthaler. „Die erste Kritik kommt von der Presse, wenn die Ergebnisse nicht stimmen.“ Das bringe einen Trainer dann schon in die Bredouille. „Und wenn es dann die nächsten Spiele auch nicht funktioniert, heißt es: Ist das der richtige Trainer?“
In dem Zusammenhang wird gern Louis van Gaal als der letzte echte Talentförderer bei Bayern genannt. Er sei diese Praxis von Ajax Amsterdam gewohnt gewesen, sagte Augenthaler: „Aber der FC Bayern ist nicht Ajax Amsterdam.“
Van Gaal verrannte sich im Jugendwahn
Van Gaal verhalf beispielsweise Holger Badstuber zum Profidebüt und setzte konsequent auf den jungen Thomas Müller. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass er es am Ende mit seinem Jugendwahn übertrieb.
Als er in der Winterpause 2010/11 plötzlich Stammtorhüter Jörg Butt degradierte und durch den jungen Thomas Kraft ersetzte, läutete er seine eigene Demission einige Wochen später ein.
„Wenn van Gaal in einem jungen Spieler ein großes Potenzial und Talent sah, wie bei Thomas Müller oder Holger Badstuber, hat er das durchgezogen“, sagte Hoeneß später einmal in einem BFV-Format: „Manchmal wollte er auch mit dem Kopf durch die Wand, als er uns erklären wollte, dass Thomas Kraft besser sei als Manuel Neuer.“
Apropos Neuer. Der Keeper ist trotz der ausgedünnten Offensive und der ausgerufenen „kreativen Lösungen“ bei der Besetzung der Planstellen im Kader weiterhin zwischen den Pfosten eingeplant. „Manuel Neuer wird nicht im Sturm spielen“, scherzte Kompany.
Und was Wanner betrifft, so schließt sich das Kapitel Bayern nach insgesamt sieben Jahren. Allerdings nicht vollständig. Denn Eberl bestätigte im Zuge des Abgangs eine Rückholoption: „Wir haben immer noch Zugriff auf den Spieler. Also er ist nicht komplett weg.“