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Bundesliga: Ein neuer König im Norden?

Ein neuer König im Norden?

Der FC St. Pauli startet stark in die Saison - trotz des kleinsten Kaderwerts der Bundesliga. Damit mischen die Kiezkicker die Konkurrenz aus dem Norden kräftig auf.
St. Paulis Trainer Alexander Blessin spricht nach dem Derbysieg des FC St. Pauli über die Standardvariante, die zum 1:0 führte. Der Coach verrät, wie sie eigentlich geplant war.
Der FC St. Pauli startet stark in die Saison - trotz des kleinsten Kaderwerts der Bundesliga. Damit mischen die Kiezkicker die Konkurrenz aus dem Norden kräftig auf.

Als sich am Deadline Day der Hamburger SV und Werder Bremen nochmal massiv verstärkten, konnten sich Fans des FC St. Pauli bequem zurücklehnen. Bis auf eine Ausleihe ihres Ersatzspielers Scott Banks (nach Blackpool) passierte am Millerntor nichts mehr.

Schon der Rekorddeal von Martijn Kaars überraschte, nachdem Sportchef Andreas Bornemann und Trainer Alexander Blessin zuvor deutlich gemacht hatten, mit ihrem Kader zufrieden zu sein, den sie mit Ausgaben von rund 13 Millionen Euro verstärkt hatten.

Nicht ohne Grund, nachdem Stadtrivale HSV völlig verdient in dessen Stadion 2:0 besiegt wurde. Doch wo stehen die Kiezkicker generell in der Liga? Und haben sie sogar schon Chancen, dauerhaft die Nummer eins im Norden zu werden?

Besserer Kader trotz Rekordverkäufen

Auf dem Platz sieht es aktuell so aus. Während Werder Bremen und der HSV gehörige Probleme haben, die Verluste von Schlüsselspielern aufzufangen, ist St. Pauli gefährlicher als im Vorjahr, als die Defensive Trumpf sein musste. Der Kader greift durch die Transfers von Joel Fujita oder Andreas Hountondji in sich und gibt Blessin die Möglichkeit, konsequenter nach vorne spielen zu lassen.

Dabei musste St. Pauli auch mit Rückschlägen klarkommen. Morgan Guilavogui (4,5 Millionen, RC Lens), Philipp Treu (fünf Millionen, SC Freiburg) und Elias Saad (zwei Millionen Euro, FC Augsburg) verließen den Verein.

Überrascht hat das den Klub aber nicht. St. Paulis Vereinssprecher teilt SPORT1 auf Anfrage mit, dass diese Werdegänge „kein Zufall, sondern das Ergebnis qualitätsorientierter Scoutingarbeit“ seien.

Niedrigster Kaderwert der Liga

Um zu verdeutlichen, wie unterlegen man in der Bundesliga auf dem Papier ist, verweist St. Pauli auf den eigenen Kaderwert. Der Verein liegt in dieser Tabelle auf dem letzten Platz mit 51 Millionen Euro (laut Transfermarkt.de) knapp hinter Heidenheim. Der 1. FC Köln, der 24 Millionen Euro in neue Spieler investierte, liegt schon bei fast 78 Millionen Euro.

Der HSV steht bei 108 Millionen, nur sind davon 42 Millionen Euro Leihspielern zuzuordnen. Bei Werder Bremen (195 Millionen) machen die Leihgaben 77 Millionen Euro des Gesamtwerts aus.

Dass diese Vereine so viel Qualität kurzfristig erwerben beziehungsweise ausleihen, ist auch ein Kompliment in Richtung St. Pauli. Die Kiezkicker haben es geschafft, viele Vereine in Abstiegsangst zu versetzen.

Hält St. Pauli die Form, wird sich das in Kürze auch in den Marktwerten widerspiegeln. Bornemann hat es geschafft, den Kader zu verjüngen, höhere Einnahmen zu generieren und selbst zu investieren. Ein Großteil des Kaders dürfte in den nächsten Monaten deutlich an Wert gewinnen.

Und entwickelt sich beispielsweise Neuzugang Joel Chima Fujita in Richtung zehn Millionen Euro, dient er bei kommenden Transfers als Referenz für St. Paulis gute Arbeit. Spieler und Berater registrieren solche Verläufe sehr genau.

St. Pauli erhöht Ausgaben mit Weitsicht

Doch für diese Wertschöpfung braucht es Starthilfen. Der Etat wurde von 25 auf 30 Millionen Euro erhöht. Rang 17 ligaweit. Der Abstand zu den nächstbesten Vereinen beträgt mindestens zehn Millionen Euro.

Auch die Aufsteiger HSV und Köln zogen direkt vorbei. Sie gehören sicherlich nicht zur „Liga der Kleinen“, zu der St. Paulis Präsident Oke Göttlich im letzten Jahr den 1. FC Heidenheim, den VfL Bochum, Holstein Kiel und seinen eigenen Verein zählte.

St. Pauli gibt in diesem Zusammenhang an, auf gewisse Einnahmequellen wie den Verkauf des Stadionnamens bewusst zu verzichten. Man bleibt zudem weiterhin mitgliedergeführt. Andererseits ist dieser Markenkern auch ein Faustpfand. Göttlich bezeichnete die Marke als „Top 6,7 im deutschen Fußball“.

Das Stadion (rund 30.000 Plätze) ist seit Jahren ausverkauft, besteht aber zu rund 50 Prozent aus Stehplätzen. Langfristig will der Verein mit seiner neu gegründeten Genossenschaft das Thema Stadionausbau angehen. Dieser ermöglicht nicht nur höhere Ticketeinnahmen, sondern macht den Klub nochmal attraktiver für Fans und Sponsoren.

Erfolgsachse bleibt im Verein

Kurzfristig hat der Verein von diesen Plänen nichts. Aber es wird deutlich, dass der Bundesliga-Verbleib kein Cameo-Auftritt sein soll. Schnelle Transfergewinne stehen nicht über allem. Man sah sich nicht dazu gezwungen, die Last-Minute-Anfrage von Leicester City für Abwehrchef Eric Smith anzunehmen.

Bei Keeper Nikola Vasilj gab es keine Gerüchte. Es wäre aber naiv zu denken, dass größere Klubs seinen Aufstieg zu einem der besten Torhüter der Liga nicht registriert hätten.

Das gilt auch für Trainer Blessin, der im vergangenen Sommer Wolfsburg und Leipzig absagte. Doch Bornemann hat beim Verlust von Vorgänger Fabian Hürzeler (zu Brighton) gezeigt, mit welcher Präzision er ad hoc Lösungen findet.

St. Pauli boxt Woche für Woche oberhalb der eigenen Gewichtsklasse. Nur nimmt auch die eigene Muskelmasse kontinuierlich zu. Platz 17 im Etat-Ranking der Bundesliga bedeutet nicht, ein kleiner Verein zu sein.

Ja, der HSV ist deutlich größer und auch finanziell wieder auf einem guten Weg. Auch Werder Bremen hat größere Möglichkeiten. Aber das Rennen um die Pole Position im Norden wird wegen St. Paulis beständig guter Arbeit von Jahr zu Jahr enger.