Aufgezeichnet von Reinhard Franke
"Die Anfeindungen waren ekelhaft und ungerecht": Ein Gastbeitrag von Winfried Schäfer
„Hopp ist der Gegenentwurf“
Als ich das Interview mit Dietmar Hopp bei SPORT1 gelesen habe, erinnerte ich mich an unsere Begegnungen, unsere Gespräche. Und dachte mir einmal mehr: Was für ein großartiger Mensch. Auf persönlicher Ebene – jeder, der ihn kennt, wird das bestätigen –, aber eben auch als wichtige Gestalt in der deutschen Fußballgemeinschaft.
Wir kennen uns seit meiner Zeit beim KSC. Noch bevor das Projekt Hoffenheim richtig Fahrt aufnehmen konnte, traf ich ihn und lernte einen erfolgreichen Mann kennen – in einem Bereich, von dem ich überhaupt keine Ahnung hatte –, der mich überraschte, da ihm etwas fehlte, was man von CEOs, gerade in den 80ern und 90ern, aber auch noch heute erwartet - und was mir leider auch im Fußball, bei vielen Sportdirektoren und aufgeblasenen Präsidenten, viel zu oft begegnet: Dieser immer ein wenig zu laute Ton, die gekünstelte Männlichkeit, überhaupt das Gespielte – immer etwas zu selbstbewusst, zu jovial. Dietmar hatte das nie nötig.
Wenn Dietmar eines ist, dann authentisch. Ruhig, offen, immer neugierig, zugewandt und selbstbewusst – ohne Attitüde und unverstellt. So habe ich ihn kennengelernt. Was ihn, so glaube ich, verletzlicher gemacht hat als uns alte Profis, die wir schon als Jugendspieler gelernt haben, mit Schmähungen und Beleidigungen umzugehen. Wir erschaffen unsere Spieler-, später unsere Trainer- oder Manager-Persönlichkeit und nutzen diese wie eine Maske oder einen Schild. Das funktioniert nicht immer, aber für die meisten oft genug. Jemand wie Dietmar kann das nicht. Er erschien authentisch und offen auf der Fußballbühne. Er spielte keine Rolle, er war so, wie er ist – und deshalb ist er im Moment öffentlicher Angriffe verletzlicher, als wir es sind.
Zusammenhalt, Menschlichkeit, Gemeinschaft
Es hat mich immer traurig gemacht, wie er von Teilen der Fans – besonders aus Dortmund und Mönchengladbach – behandelt wurde. Zum einen natürlich, weil ich Mönchengladbach liebe, Dortmund mir als Aktiengesellschaft und mehr oder weniger erfolgreiches Großunternehmen mit der Kritik etwas heuchlerisch vorkommt und beide Vereine eigentlich für das Wichtigste stehen, was der Fußball zu bieten hat: Zusammenhalt, Menschlichkeit, Gemeinschaft.
Der Impuls, Milliardäre aus dem Fußball heraushalten zu wollen, der Wunsch der Traditionsklubs, sich von sogenannten Emporkömmlingen abzugrenzen – das kann ich verstehen. Aber Dietmar hat man in die Rolle des Feindes gedrängt, die einfach nicht gerechtfertigt war. Die Anfeindungen waren ekelhaft und auch ungerecht. Hopp ist keine Heuschrecke, kein Investor, dem die Seele des Vereins egal ist. Nicht mal jemand, der auf Teufel komm raus Superstars kauft, um Schlagzeilen zu generieren. Hopp wollte einfach seinen Heimatverein unterstützen und wachsen lassen. Das hat er getan – und in manchen Bereichen hätte sich der ein oder andere Traditionsklub vielleicht sogar etwas abschauen können.
Auf Fußballebene verstehe ich genau, was Dietmar Hopp wollte, und ich weiß zu schätzen, was er im Bereich Vereinsstruktur, Jugendentwicklung und Fußballtechnologie geleistet hat. Glauben Sie mir: Im Ausland schaut man mit mehr Interesse nach Hoffenheim, um sich inspirieren zu lassen, als zu manch altbekanntem Klub. Es hat nicht immer alles funktioniert, hier und da hat man nicht die besten Personalentscheidungen getroffen, aber das gehört eben dazu. Fußball ist ein Milliarden-, ein Multimilliardengeschäft. Ich erlebe das noch einmal aus einer anderen Perspektive, weil ich seit 25 Jahren im Ausland arbeite. Es gibt schlimme, ganz schlimme Typen im Fußball, die so korrupt sind und so viel Geld zur Seite schaffen, dass man es sich in Deutschland nur schwer vorstellen kann.
Fußball-Deutschland muss wagen, neu zu denken
Dietmar Hopp ist der Gegenentwurf. Er ist eben nicht korrupt, sondern schafft etwas, fördert und unterstützt. Er hat nicht nur die TSG Hoffenheim unterstützt, sondern auch Krankenhäuser, die gesamte Region. Er hat geholfen, wo er konnte – und er hat nie ein großes Aufheben darum gemacht.
Uli Hoeneß hat uns vor Kurzem alle gewarnt vor dem bösen Geld. Und mein alter Freund Alfred Draxler sinniert darüber, was auf Fußball-Deutschland zukommen wird: Werden wir zur drittklassigen Ausbildungsliga für die Vereine der Multimilliardäre und Potentaten? Oder kippen wir die 50+1-Regel und verkaufen unsere Seele?
Ich denke, Fußball-Deutschland muss wagen, neu zu denken, und sollte sich gedanklich Dietmar Hopp und seinem Wirken im Fußball zuwenden. Er hat ein Modell der Integrität und des Anstandes vorgelebt, das zur Blaupause für neue Richtlinien werden könnte.
(Aufgezeichnet von SPORT1-Reporter Reinhard Franke)